Menden. Der Verteidiger des 53 Jahre alten Angeklagten legt sich mit dem Richter an. Derweil bröckelt die Anklage in einigen Punkten. Die Hintergründe.

Im Prozess um ein versuchtes Tötungsdelikt in der Horlecke bahnt sich eine Überraschung an. Der Verteidiger des 53 Jahre alten Mendeners legt sich derweil mit dem Vorsitzenden am Landgericht Arnsberg an. Was dahinter steckt.

Die ersten Beamten am Tatort

Der Messerangriff auf eine Mendenerin kurz vor Weihnachten 2023 könnte auf den letzten Metern des Prozesses am Landgericht Arnsberg noch einmal eine Wendung nehmen. Gutachten und der Vergleich von Fußabdrücken sorgen dafür, dass die zunächst angeklagte versuchte Tötung am Ende juristisch nur noch eine gefährliche Körperverletzung sein könnte.

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Nach einer längeren Prozessunterbrechung kommen am sechsten Verhandlungstag nochmals Polizeibeamte zu Wort, die die Szenerie am Tattag beschreiben. Darunter auch ein Polizist, der zuerst das Wohnhaus in der Horlecke gesichert hat. Der Iserlohner Beamte war am 22. Dezember zunächst als „Unterstützungskraft“ vor Ort. Priorität dabei: Sicherstellen, dass weder ein mutmaßlicher Täter noch weitere Opfer in der Wohnung sind. Dazu hatten sich die Polizisten zunächst von einem Balkon über dem möglichen Tatort einen Überblick verschafft. Blutspuren an der Brüstung unter ihnen gaben dann den Ausschlag, „die Tür einzutreten“. Außer einer Blutlache in der Küche habe der Iserlohner Beamte aber nicht viel vom Tatort wahrgenommen.

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Ein Mendener Beamter hingegen zählte zu den Ersten in der Horlecke: „Ich weiß noch, dass ich die Hand an der Waffe hatte, weil nicht klar war, ob der Tatverdächtige noch vor Ort ist.“ Er und seine Kollegin fanden die Mendenerin blutüberströmt im Garten unter dem Balkon, von dem sie allem Anschein nach gestürzt sei. Dabei sei es um die „Erstsicherung am Tatort“ gegangen. Dazu zählte auch die Suche nach möglichen Tatwaffen. Gefunden wurde im Laufe des Abends ein zerbrochenes Nudelholz (WP berichtete). Das wird auf Anordnung des Gerichts derzeit nochmals kriminaltechnisch untersucht. Unter anderem, um festzustellen ob sich DNA des Angeklagten oder des Opfers daran befinden. Die Verletzungen der Mendenerin kann der Beamte allerdings nicht genauer beschreiben; lediglich von einer Stichverletzung sei am Rande des Rettungswagens die Rede gewesen. Eine Bemerkung, die den Verteidiger des 53-jährigen Angeklagten auf den Plan ruft: „Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, dass für eine RTW-Besatzung auch Schweigepflicht besteht?“, fragt er in Richtung des Polizisten. Nicken.

Anklagevorwurf könnte heruntergestuft werden

Der Einsatzleiter des Abends bestätigt anschließend den Ablauf weitestgehend. Allerdings eher aus organisatorischer Perspektive. Mehr Klarheit bringt hingegen die Analyse eines blutigen Fußabdrucks aus dem Wohnungsflur. Der passt demnach nicht zum Angeklagten, wie aus dem Ermittlungsbericht hervorgeht. Für den Verteidiger eigentlich eine gute Nachricht; dennoch legt der sich dabei mit Richter Petja Pagel an. „Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden. Aber nicht mit dem Weg.“ Statt den Gutachter selbst zu befragen, soll nämlich lediglich das Ergebnis verlesen werden. Zudem sei er bei der Fußvermessung seines Mandanten nicht dabei gewesen, „da der Verteidiger nicht für die Maßnahmen erreicht werden konnte“, wie es in dem Bericht heißt. Auch hier widerspricht der Anwalt.

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Doch damit ist der noch nicht mal am Ende. Unterm Strich müsse man sich auch „über den Haftbefehl“ unterhalten. „Mit fortschreitender Beweisaufnahme verschwindet immer mehr hinter dem Vorhang, ob mein Mandant die Tat begangen hat.“ Notwehr im Streit mit der Ex-Frau komme ebenso in Betracht. Das Opfer selbst hatte vor Gericht ebenso die Aussage verweigert wie auch die Söhne des Angeklagten. Fakten, die am Ende gar dafür sorgen könnten, dass statt einer versuchten Tötung juristisch nur noch eine gefährliche Körperverletzung übrig bleiben könnte. Doch Richter Petja Pagel schiebt dem ganzen direkt einen Riegel vor. „Die Probleme sind nicht von der Hand zu weisen.“ Allerdings komme für die Kammer die Aufhebung der Untersuchungshaft derzeit nicht in Betracht.

Der Prozess wird fortgesetzt.