Menden. Er paukt Deutsch, absolviert seine Ausbildung: Lavdim Shalas Herz hängt an der Neurologie im Mendener St.-Vincenz-Krankenhaus.
Die eine Seite hat den Wunsch, sich in Deutschland eine Zukunft aufzubauen. Und die andere Seite sucht händeringend nach einem Ausweg aus dem Fachkräftemangel. Daraus macht das Mendener St.-Vincenz-Krankenhaus eine Win-Win-Situation.
Verdienst im Kosovo reichte kaum zum Leben
In seiner Heimat im Kosovo hat Lavdim Shala einst den Beruf des Krankenpflegers gelernt. Doch der Verdienst war äußerst gering, reichte kaum zum Leben. Sein Ziel: Er wollte gerne nach Deutschland und hier in seinem Beruf arbeiten. Doch bis dahin war es ein weiter Weg.
Einfach in Deutschland als Krankenpfleger zu arbeiten – das wäre nicht gegangen. Denn die Ausbildungsanforderungen sind andere. Zunächst musste er deshalb eine so genannte Gleichwertigkeitsprüfung absolvieren. Und das heißt: Lavdim Shala musste richtig viel büffeln. Der 29-Jährige absolvierte eine zweijährige (verkürzte) Ausbildung zum Krankenpfleger, lernte parallel die deutsche Sprache, machte die B1-Sprachprüfung. Kürzlich legte er seine Prüfung als Krankenpfleger ab.
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Wie in seiner Ausbildungszeit arbeitet Lavdim Shala nun weiterhin auf der Neurologie-Station des Mendener St.-Vincenz-Krankenhaus – mit ganz viel Motivation und Engagement. Seine Kolleginnen und Kollegen hat Lavdim Shala sofort ins Herz geschlossen. Und diese ihn, das ist im Gespräch deutlich zu spüren. „Wir hatten richtig viel Glück“, fasst Tina Müller, Pflegerische Leitung der Neurologie am St.-Vincenz-Krankenhaus in Menden, zusammen. „Da stimmte einfach alles.“
„Wir haben mit kurzen Sätzen angefangen. Jeden Tag ein bisschen lesen – teilweise mit Kinderbüchern.“
Lavdim Shala habe sofort ins 25-köpfige Team gepasst. Die Verständigung sei anfangs nur „mit Händen und Füßen“ möglich gewesen, erinnert sich Antje Langner, Krankenschwester auf der Neurologie-Station. Sie nahm den 29-Jährigen wie eine Mutter und Mentorin unter ihre Fittiche, paukte mit ihm die deutsche Sprache, half ihm in vielen Fragen des Alltags. „Wir haben mit kurzen Sätzen angefangen“, erzählt Antje Langner. „Jeden Tag ein bisschen lesen – teilweise mit Kinderbüchern. Und wir haben Papiertischdecken beschrieben.“ Die medizinische Fachsprache hingegen sei Lavdim Shala vergleichsweise leicht gefallen.
„Ich möchte einfach in meinem Beruf arbeiten. Ich möchte Menschen helfen.“
Für Lavdim Shala ist ein anderer Arbeitsort als die Neurologie in Menden kaum denkbar: „Da hängt mein Herz dran“, sagt der Neu-Mendener. Als er nach Deutschland gekommen sei, habe er zunächst gejobbt, um Geld zu verdienen. Aber der Wunsch, als Krankenpfleger zu arbeiten, habe ihn nicht losgelassen. „Ich möchte einfach in meinem Beruf arbeiten. Ich möchte Menschen helfen.“ Auch seine Ehefrau ist den gleichen Weg gegangen, sie arbeitet auf der „Inneren“ im St.-Vincenz-Krankenhaus.
Schon vor seiner Prüfung stand für Lavdim Shala und seine drei Kolleginnen Tina Müller, Antje Langner und Kerstin Mölle fest, dass er ihnen seine Heimat zeigen würde. „Wir hatten schon von Anfang an einen besonderen Draht zu ihm“, erinnert sich Tina Müller. „Und er hat dann gesagt, wenn er seine Prüfung bestanden hat, zeigt er uns sein Land.“ Erstmals besuchte dann ein Team aus Menden das Heimat-Krankenhaus des neuen Kollegen.
Ende Mai war es so weit, und die vierköpfige Gruppe flog in den Kosovo. Dort besuchten sie nicht nur Lavdim Shalas Familie, besichtigten Sehenswürdigkeiten und erfreuten sich an leckerem einheimischem Essen, sondern statteten auch dem Krankenhaus „Daut Mustafa“ in Prizren einen Besuch ab. Dort hat Lavdim Shala einst seine Ausbildung absolviert. „Das war ein berührender Moment, einfach sehr emotional“, erinnert sich Lavdim Shala.
„Im Kosovo wird nicht gepflegt, das machen die Angehörigen. Da kümmern sich die Kolleginnen und Kollegen nur um die medizinischen Dinge.“
Das Krankenhaus im Kosovo sei sehr modern ausgestattet gewesen, erklärt Tina Müller. Ein großer Unterschied in der Arbeit als Krankenpfleger im Kosovo und in Deutschland: „Im Kosovo wird nicht gepflegt, das machen die Angehörigen“, erläutert Tina Müller. „Da kümmern sich die Kolleginnen und Kollegen nur um die medizinischen Dinge.“
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Ebenfalls anders sei die Dokumentation. „Wir schreiben hier in Deutschland viel, dokumentieren alles“, erklärt Antje Langner. Die entsprechenden Vorschriften einzuhalten, sei zeitintensiv. „Das ist im Kosovo anders.“
Tina Müller, Antje Langner und Kerstin Mölle sind froh, nicht nur einen neuen Kollegen für die Neurologie gewonnen zu haben. „Wir haben bei der Personalgewinnung oft ein Problem“, bilanziert Tina Müller. „Und so haben wir eine Win-win-Situation.“ Im Laufe der vergangenen zwei Jahre „haben wir viel voneinander gelernt“, erklärt Antje Langner. Fest steht für die Mendener Krankenschwestern: „Das war nicht unser letzter Besuch im Kosovo. Da fliegen wir auf alle Fälle noch mal gemeinsam hin.“ Die drei Frauen zeigen sich beeindruckt von der großen Herzlichkeit, mit der sie auf ihrer Reise überall empfangen worden seien: „Das war ganz toll“, sagt Kerstin Mölle.
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Aktiv Pflegekräfte abwerben, das will hier niemand. Doch der nächste Kandidat steht fast schon in den Startlöchern. Lavdim Shalas Schwager – der Bruder seiner Frau – lernt im Kosovo gerade fleißig Deutsch: Er möchte hier ebenfalls mal als Krankenpfleger arbeiten.
„In der Neurologie bin ich mit Herz und Kopf dabei. Ich habe hier einfach alles, was ich brauche.“
Auch wenn er seine Familie, seine Eltern, vermisst, will Lavdim Shala in Menden bleiben: „In der Neurologie bin ich mit Herz und Kopf dabei. Ich habe hier einfach alles, was ich brauche.“ In Menden fühlen er und seine Frau sich wohl. Und sein nächstes berufliches Ziel hat der 29-Jährige sich bereits gesetzt: Im November beginnt er seine Weiterbildung zum Praxisanleiter, darf dann selbst künftige Auszubildende anleiten.