Menden. Prof. Dr. med. Hisham Ablak ist neuer Chefarzt der Neurologie in Menden. Zweimal täglich geht er joggen, um den Kopf freizukriegen.
„Ein Fall ist mir ein Rätsel geblieben“, sagt Prof. Dr. med. Hisham Ablak (44), wenn er auf seine bisherige Karriere als Neurologe blickt. Die Rede ist von einem Fall, über den er hin und wieder auch heute noch nachdenkt. Abends im Bett oder im Urlaub am Strand. Denn Hisham Ablak liebt Rätsel. Aber vor allem liebt er es, den Dingen auf den Grund zu gehen und Lösungen zu erarbeiten. Seine Patientin, eine 18-Jährige, sei mit Dyslexie zu ihm gekommen, einer Art Lese-Störung. „Ihrer Freundin war beim Schreiben am Handy aufgefallen, dass die Frau immer wieder die Buchstaben verwechselt hat“, erklärt er. Selbst sei das der jungen Frau nicht aufgefallen und auch sonst habe sie sich völlig normal verhalten. Das einzig von außen erkennbare Problem: Sie vertauscht die Buchstaben in Wörtern, ohne es zu merken. Das war der Beginn einer intensiven Spurensuche.
Letztlich erkennt Hisham Ablak, dass die rechte Halsschlagader der Frau verletzt ist und für die Probleme sorgt - und behandelt sie. Alles wird wieder gut. Die Entlassung folgt. Zwei Monate später kommt dann die Wendung: Die 18-Jährige hat plötzlich eine Halbseitenlähmung. Wieder beginnt die Spurensuche. Und erneut ist die Halsschlagader Schuld, dieses Mal linksseitig. Sie wird behandelt, danach ist alles in Ordnung. Doch eine Frage bleibt: Wieso ist das der jungen, ansonsten fitten und gesunden Frau innerhalb von zwei Monaten zweimal passiert - erst rechts, dann links?
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Neurologie weiter untersuchen: „Ich will das große Ganze verstehen“
„Das bleibt für mich ein Rätsel, bis heute. Man denkt oft noch darüber nach und grübelt. Es gab einfach keine ersichtliche Ursache für die Verletzungen“, sagt Prof. Dr. med. Hisham Ablak. Auch mehrere Unikliniken hätten es nicht lösen können. Ablak ist der neue Chefarzt der Neurologie im St.-Vincenz-Krankenhaus Menden. Fälle wie diesen gebe es immer wieder. Und das mache die Neurologie so spannend. „Ich mag es ,outside the box‘ zu denken. Aus meiner Sicht haben wir in der Neurologie erst einen Bruchteil verstanden.“ Und das will er ändern.
„Ich will das große Ganze verstehen. Woran liegt das Problem überhaupt? Was genau hat der Mensch?“ Ein bisschen sei das mit der Arbeit eines Detektives vergleichbar - und doch irgendwie ganz anders. „Es gehört zu meinem Charakter, immer alles zu suchen.“ Wenn ein Patient mit Kopfschmerzen zu ihm kommt, liege oft der Verdacht nahe, dass es ein (gutartiger) Tumor im Gehirn sein könnte. „Aber nein. Es kann auch etwas völlig anderes sein. Man muss die Kopfschmerzen dann ganz genau abgrenzen.“
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Chefarzt mit 44, obwohl er eigentlich Pilot werden wollte
Dass Prof. Dr. med. Hisham Ablak nun die Neurologie des heimischen Krankenhauses aufbauen und die Spezialabteilung für Schlaganfälle, die Stroke Unit, zertifizieren lassen will, all das verdanken die Mendener Ablaks Vater. „Mein Abitur in der Türkei war sehr gut. Ich wollte eigentlich Pilot werden“, sagt Hisham Ablak grinsend. In seiner Familie gebe es überwiegend Bauingenieure und auch der Maschinenbau sei weit verbreitet. „Ich habe 1000 Angehörige, aber keiner davon ist Arzt. Mein Vater meinte, dass wir einen Arzt brauchen“, ergänzt er und lacht. Hisham Ablak fügt sich.
Das ist die Neurologie
Der Bereich Neurologie verfügt über 24 Betten und acht Schlaganfall-Betten sowie
Belegungsmöglichkeit auf den interdisziplinären Stationen. In der Neurologie werden alle akuten und chronischen Erkrankungen von Gehirn und Rückenmark sowie Nerven und Muskeln diagnostiziert und behandelt. Dazu gehören unter anderem: Schlaganfall, Parkinson, Demenz, Gangstörung im höheren Lebensalter, Schwindel und Kopfschmerz, Multiple Sklerose, Polyneuropathie und Radikulopathie und Epilepsie.
Und der Vater hatte den richtigen Riecher. Schon früh entwickelt Hisham Ablak eine Faszination für die Neurologie. Damals seien viele Bereiche, viele Krankheiten noch nicht gut erforscht gewesen. Immer wieder gebe es neue Erkenntnisse, neue Methoden, neue Medikamente, die den betroffenen Menschen das Leben deutlich erleichtern können. „Wenn ich an das Gehirn und Nerven denke, dann finde ich es spannend.“ Es gebe noch so viel zu erforschen. „Wie genial wäre es, Alzheimer mit einer Pille zu heilen?“
Heute, mit gerade einmal 44 Jahren, hat Hisham Ablak seine Professur an einer Londoner Hochschule frisch in der Tasche und ist seit Anfang April Chefarzt. Darauf ist nicht nur er sehr stolz. Auch seine Frau und die gemeinsamen beiden Töchter stehen hinter dem Mediziner. Sie werden bald in ein Haus in Hagen ziehen. Denn momentan lebt die Familie noch in Mittelfranken, einer der vorherigen Stationen des Arztes. „Ich bin ein Familientyp“, sagt er und ist froh, dass er seine „drei Weiber“ bald wieder bei sich habe.
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Fremdes Land, fremde Sprache - und trotzdem eine rasante Karriere
Die medizinische Karriere in Deutschland beginnt für Hisham Ablak 2007, als er im Rahmen eines Stipendiums als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die TU Dresden kommt. Fremdes Land und die fremde Sprache können ihn nicht aufhalten. I-Tüpfelchen: In Dresden lernt er auch seine Frau kennen; ein Pluspunkt für die neue Heimat. Bis 2016 war er in Niederbayern als Assistenzarzt in der Neurologie tätig. Anschließend ging es nach Ansbach in Mittelfranken - als Oberarzt und Leiter der Elektrophysiologie in der Klinik für Neurologie.
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Bevor er sich schließlich entschieden hat, als Chefarzt in Menden einzusteigen, hat er in den vergangenen Monaten frische Luft in Stralsund geschnuppert. „Ich wollte sehen, wie es in einer großen Helios-Klinik abläuft.“ Die steife Brise und der frische Fisch seien super gewesen. Doch letzlich habe er sich auf die Stelle in Menden beworben und wurde von den Verantwortlichen überzeugt, hier zu starten. „Ich wusste: Das wird keine einfache Nummer.“ Denn - sonst eher unüblich als Chefarzt - ist Hisham Ablak seit Tag eins mittendrin. In der Notaufnahme. Auf der Station. Im Büro. Weil die Station derzeit noch unterbesetzt ist und versucht wird, mehr Personal zu gewinnen, muss Hisham Ablak trotz Chefarztposten „richtig mitarbeiten“. Doch wer sich die Arbeit wie in Serienklassiker „Greys Anatomy“ vorstellt, hat weit gefehlt. Am offenen Gehirn operiert der 44-Jährige nicht. Das machen die Neurochirurgen, sagt er. Sein Job sei es, zu erkennen, was los ist, die Diagnose zu stellen und einen Plan zu entwickeln, wie dem Patienten geholfen werden kann. Oft auch über mehrere Fachbereiche hinweg und unter Abwägen von Risiko und Nutzen.
Zweimal pro Tag joggen, um alles „wegzuschütteln“
„Wir sind aktuell zu dritt und wären gerne zu fünft. Bewerbungen sind gerne gesehen“, so Ablak über seinen neuen Verantwortungsbereich. „Ich mag Herausforderungen.“ Sein Ziel sei es auch, eine Neurologie-Ambulanz und einen Spezialbereich für Parkinson und Multiple Sklerose (MS) auf die Beine zu stellen. Das liegt ihm besonders am Herzen. Es gibt also viel zu tun.
Doch wie schafft Hisham Ablak dieses Pensum? „Ich stehe um 5 Uhr auf und gehe joggen. Das ist sehr wichtig für mich.“ Von 8 bis 16.30 Uhr arbeite er im Krankenhaus plus Überstunden. Dann gehe er noch einmal joggen, um den Tag „wegzuschütteln“. Es folgt Familienzeit. Zum Einschlafen höre er gerne Fachvorträge über die neusten Fortschritte, wie den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Neurologie oder neue Studien über bahnbrechende Forschungsergebnisse. Und wenn ihm schließlich die Augen zufallen, träumt er vielleicht schon wieder von der neuen spannenden Spurensuche...