Finnentrop/Wolverhampton. Der Finnentroper hat ein Motorrad von 1927 komplett restauriert. Das Fahrzeug ist das älteste zugelassene Motorrad im Kreis Olpe.

Sie ist 98 Jahre alt, aber topfit. Derzeit ist zwar Winterpause angesagt, aber Stefan Ullrich wartet schon sehnsüchtig auf das Frühjahr, um wieder mit ihr auf Touren zu gehen: Seine A.J.S. vom Typ H8 ist ein ganz besonderes Motorrad, denn, wie eine Recherche des Kreises auf Bitten unserer Zeitung ergab, ist sie das älteste zugelassene Motorrad im gesamten Kreis Olpe.

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Das älteste Motorrad im Kreis: Stefan Ullrich ist stolz auf die Maschine, die er Bauteil für Bauteil restauriert und selbst zusammengebaut hat. © privat | Privat

Besitzer Stefan Ullrich aus Finnentrop hat die Maschine in sein Herz geschlossen. Kein Wunder, hat er sie doch, nachdem sie ursprünglich 1927 im englischen Wolverhampton vom Band gelaufen ist, zwischen 2020 und 2021 komplett neu aufgebaut. „Ich habe wirklich jedes einzelne Teil von ihr in der Hand gehabt“, berichtet er. Stefan Ullrich entstammt einer Familie, die sprichwörtlich Benzin im Blut hat: Sein Vater war Tankwart und Motorsport-Fan. Opa und Onkel nicht minder. Schon als kleines Kind war Stefan Ullrich Dauergast an Rennstrecken, in Werkstätten und auch bei den frühen Oldtimer-Treffen der 1970er-Jahre oft genug auf dem Rücksitz dabei. Und fast zwangsläufig schloss sich eine Lehre als Kraftfahrzeugmechaniker an. Zwar übt er diesen inzwischen nicht mehr aktiv aus, Ullrich arbeitet inzwischen als Kunststofftechniker, doch das Schrauben ließ ihn nie los.

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Eine A.J.S. reicht nicht: Außer der sportlichen H8 aus dem Baujahr 1927 besitzt Stefan Ullrich eine weitere Maschine des englischen Fabrikats, ein Tourer, der zwei Jahre jünger ist und wenn er nicht gefahren wird, als Schmuckstück im Wohnzimmer steht. © Jörg Winkel | Jörg Winkel

Insbesondere alte Technik fasziniert ihn – auch dies wurde ihm wohl schon in die Wiege gelegt. „Mein Vater hatte viele Jahre lang einen Adler Trumpf Junior in der Garage, der nie fertig wurde. Dann kaufte er eine DKW KS 200 von 1937, „und die habe ich dann irgendwann wieder aufgebaut“. Aber der sieben PS starke, 200 Kubikzentimeter kleine Zweitakter war nicht das, was ihm zusagte. Sein Traum sei immer eine klassische Maschine mit einem sogenannten OHV-Motor, die englische Abkürzung steht für „overhead valves“ und bedeutet, dass die Ventile oben liegen. Und dieser Ventiltrieb sollte noch offen sein, damit das technische Wunderwerk bei der Arbeit betrachtet werden kann.

A. J. Stevens & Co. Ltd.

A.J.S. war das Markenzeichen der A.J. Stevens & Co Ltd., benannt nach Firmengründer Albert John Stevens. Es ist einer der bekanntesten englischen Motorradhersteller. Zwar mehrfach in andere Hände gegangen, existiert die Marke bis heute. Wie auch drei seiner Brüder, war Stevens selbst ein ausgezeichneter Motorradfahrer, die Stevens-Brüder erzielten viele Erfolge auf Langstreckenfahrten und begannen 1909, selbst zunächst Leichtmotorräder zu bauen. Umgewandelt in eine Aktiengesellschaft, wurde A.J.S. zum zweitgrößten britischen Motorradhersteller. Im selben Jahr, in dem Stefan Ullrichs Maschine vom Band lief, begann auch der Bau von Lieferwagen, später auch Limousinen und sogar Radios. Nachdem sich das Unternehmen durch diese Vielfalt verzettelt hatte, wurde es verkauft, die Produktionsanlagen von Wolverhampton nach Plumstead gebracht und liefen fortan parallel mit den bekannten Matchless-Motorrädern vom Band. Die Marke A.J.S. blieb jedoch bestehen. Die Produktion im Werk in Plumstead endete 1968, die Namensrechte wechselten mehrfach. Inzwischen wird in China ein Motorrad unter der Marke A.J.S. produziert.

Ullrich studierte die Kleinanzeigen einer Fachzeitschrift und wurde auf eine A.J.S. aufmerksam, Baujahr 1929, komplett zerlegt und in mehrere Kartons verpackt. Er erwarb das Konvolut, restaurierte alles und baute die Maschine komplett wieder zusammen. Das Ergebnis überzeugte ihn, stellte ihn aber noch nicht ganz zufrieden: „Es ist eine Tourenmaschine, und ich wollte eigentlich was Sportliches.“ Also wurde die Suche neu gestartet und endete ähnlich: mit einer zerlegten und sehr mitgenommenen A.J.S., Modell H8, eine Sportmaschine mit Dreigangschaltung aus dem Baujahr 1927. „Da hatte ich richtig Lust drauf, die hatte ich nach einem Jahr fertig.“

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Stefan Ullrich schliff und entrostete, schnitt Gewinde nach, fertigte Bleche und Streben selbst nach. „Den Motor habe ich vom Profi überholen lassen“, weiß er seine Grenzen, aber das Lackieren hat er wiederum komplett selbst übernommen. Besonders begeistert ihn die solide Technik von damals, die Selbermachen noch möglich macht: „Für die Kupplung habe ich Korken in der Apotheke gekauft“, führt er ein Beispiel an. Und er war begeistert, denn mit dem leichten Gerät hat der Halbliter-Einzylindermotor leichtes Spiel, Tempo 100 ist kein Problem.

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Und trotz des stolzen Alters und ihres hervorragenden Zustands wird die A.J.S. nicht geschont. Touren in der näheren Umgebung oder Besuche von Oldtimertreffen gehören regelmäßig dazu, so ist Ullrich regelmäßig bei den Attendorner Oldtimertreffen mit dabei, stets auch am Freudenberger Technikmuseum und ganz besonders gern in Radevormwald, wo ein Treffen ausschließlich für Vorkriegs-Motorräder stattfindet. Und zweimal im Jahr geht es in die Steilwand: auf zwei Rundkursen, einst für Motorradrennen gebaut, inzwischen für den Radsport genutzt, zeigt Ullrich dann, wozu ein fast 100 Jahre altes Motorrad problemlos in der Lage ist. Durch die Fliehkraft hoch in der Wand, biete sich ein einmaliges Fahrerlebnis, berichtet er. Auch die zwei Jahre jüngere A.J.S. kommt regelmäßig auf die Straße – ansonsten hat sie einen Ehrenplatz gefunden: als Schmuckstück im Wohnzimmer von Stefan Ullrich, das zudem einen besonderen Couchtisch beherbergt: Er wurde aus einem V8-Zylinderblock gebaut.