München/Drolshagen/Lennestadt. Der Elektrobus „SAM“ sollte im Kreis Olpe den Weg der Zukunft ebnen, doch jetzt ist er Geschichte. Warum seine „Endstation“ unvergessen bleibt.

Es war ein Projekt mit Strahlkraft: Mitte Februar 2020 fiel in Drolshagen der Startschuss für ein Mobilitätsprojekt, das ein bundesweites Medienecho hervorrief, samt kirchlichem Segen: Auf einem für den allgemeinen Verkehr gesperrten Rundkurs, aber auf öffentlichen Straßen fuhr ein kleiner Bus seine Runden. Jedermann durfte einsteigen, kostenlos durfte ausprobiert werden, wie der öffentliche Verkehr der Zukunft aussehen könnte, denn der auf den Namen SAM getaufte Kleinbus fuhr ohne Fahrer. „Südwestfalen Autonom & Mobil“ sollte zeigen, wie schon heute ein fahrerloses Fahrzeug im Verkehr mitfließen kann.

Das Projekt hatte Stolpersteine: So erwies sich ein Drolshagener Berg als zu steil für das elektrische Vehikel, wenn es vollbesetzt war. Die Linie wurde leicht verändert. Und dann kam Corona und sorgte für einen wochenlangen Aufenthalt von „SAM“ im Depot. Doch insgesamt war das Projekt ein Erfolg. Es wurde fortgesetzt – zuerst in Lennestadt, danach drehte der elektrische Kleinbus des französischen Herstellers Easymile unter anderen Namen und in anderen Dekors in Städten ganz Deutschland seine Runden. Nun ist Schluss damit: Der ehemalige „SAM“ ist das jüngste Exponat im Verkehrszentrum des Deutschen Museums in München.

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Dr. Lukas Breitwieser ist Kurator der Abteilung Land- und Straßenverkehr des Deutschen Museums. Er betont, dass der Kleinbus der französischen Firma Easymile vom Typ EZ 10 ein Beispiel dafür sei, dass ein Museum nicht von verstaubten Exponaten lebe. „Unser Anspruch ist es, die ganze Spanne von der Vergangenheit bis in die Gegenwart zu zeigen“, so Breitwieser. Die Außenstelle des Deutschen Museums verfügt über drei große Hallen, und eine ist dem Thema Stadtverkehr gewidmet. Darin geht es auch um die Zukunft der Mobilität, und hier ist der einstige „SAM“ ein wichtiges Beispiel für den Einsatz modernster Technik wie On-Board-Kameras, LIDAR und GPS-Tracking, um auch ohne Fahrer sicher im Verkehr mitfließen zu können.

Das Projekt im Kreis Olpe initiiert hatte Prof. Dr. Andreas Knie, aus dem siegerländischen Büschergrund stammender Professor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Er blickt zurück und ordnet die Bedeutung des Easymile-Fahrzeugs als Museums-Exponat ein: „Das ist nicht weniger als der Ritterschlag für das Projekt, das ist ein echtes Pfund, und jeder, der an dem Projekt beteiligt war, der kann von sich behaupten, ein Teil der Geschichte zu sein.“ Denn SAM sei nicht weniger gewesen als die Öffnung der Büchse der Pandora hin zum autonomen Fahren: „Wir haben in Drolshagen und Lennestadt Reaktionen bekommen, die wir nie so deutlich erwartet hatten: insbesondere von älteren Menschen, die uns klargemacht haben, dass es das ist, was sie wollen: von der Tür abgeholt und an ihr Ziel gebracht zu werden.“

Der selbstfahrende Bus drehte in der Corona-Krise 2020 seine Runden durch Drolshagen.
Der selbstfahrende Bus drehte in der Corona-Krise 2020 seine Runden durch Drolshagen. © WP | Josef Schmidt

Im Vergleich zum Linienbus sei SAM vergleichbar mit Schwarzweiß- und Farbfernsehen: „Wer das eine gehabt hat, will nicht wieder zurück.“ Inzwischen sei die Zeit ja nicht stehengeblieben; in den USA und China seien „Roboter-Autos“ inzwischen im fließenden Verkehr gemeinsam mit herkömmlichen Autos unterwegs: „Und das wird die Zukunft sein. Wir wollen ja das eigene Auto nicht verbieten, aber in ganz vielen Bereichen ist die Alternative zum eigenen Auto das bessere Auto, und das ist das selbstfahrende.“

Nächstes Projekt läuft schon

Für ihn ist Drolshagen weiterhin ein Thema, betreut er doch auch den Masterplan „Drei Höfe“, ein Projekt, bei dem eine neue Art zu wohnen am Rande der Stadt ausprobiert werden soll. „Und auch dafür setzen wir auf solche Lösungen wie SAM.“ Der Drolshagener Bürgermeister Uli Berghof (CDU) erinnert sich gern an das Verkehrsprojekt, das Drolshagen weithin bekanntgemacht hat, und ist ein wenig stolz, dass seine kleine Stadt einen Markstein in der Entwicklung der autonomen Mobilität setzen konnte.

Prof. Dr. Andreas Knie hat den selbstfahrenden Kleinbus „SAM“ nach Drolshagen geholt.
Prof. Dr. Andreas Knie hat den selbstfahrenden Kleinbus „SAM“ nach Drolshagen geholt. © Privat | DAVID_AUSSERHOFER

Zuletzt waren die EZ-10-Busse im bayrischen Bad Birnbach unterwegs: Seit Oktober 2019 verband eine Linie mit drei Fahrzeugen Stadtmitte und Bahnhof. Doch nun ist damit Schluss, denn Easymile hat sich aus dem Bereich der Personenbeförderung zurückgezogen. Das Unternehmen konzentriert sich künftig auf die Logistikbranche. Der EZ-10 war in Kleinserie gebaut worden. Ende Dezember 2024 war nun damit Schluss. Allerdings will Bad Birnbach das Projekt fortsetzen, wenn sie einen anderen Anbieter für das automatisierte Fahren finden. Wie in Drolshagen und Lennestadt, war hier bis zuletzt ein Operator bei jeder Fahrt mit im Bus, der notfalls eingreifen konnte, wenn die selbsttätige Steuerung versagte. Auch war die Höchstgeschwindigkeit auf 15 Kilometer pro Stunde beschränkt, obwohl der EZ-10 auch Tempo 40 schaffen würde. Die Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit und der Verzicht auf einen Operator, verbunden mit der Fahrtkontrolle aus einer Leitstelle, sollten eigentlich zeitnah stattfinden.