Olpe. Genossenschaft für preiswertes Wohnen ist gescheitert. Kann Investor Gerhard das Projekt nun retten? Pyramis übt heftige Kritik an Rats-Entscheidung.

Er wird oft zitiert, der berühmte Paukenschlag, doch kein anderer Begriff passt besser zu dem, was sich am Mittwochabend in nichtöffentlicher Sitzung des Olper Stadtrats zugetragen hat. Schon dass die Stadt selbst per Pressemitteilung aus dieser vertraulichen Sitzung informiert, lässt ahnen, welche Bedeutung dies hat, was einstimmig bei sechs Enthaltungen, so die Mitteilung, beschlossen wurde. Denn damit beerdigt die Stadt ein ambitioniertes, aber von Anfang an umstrittenes Projekt: die Genossenschaft „Olper Hütte“, gegründet, um kostensparenden Wohnraum zu schaffen. Damit verbunden ist der Verlust von mindestens 2 Millionen Euro. Kosten, die entstanden sind, unter anderem durch die hohen Abriss- und Sanierungskosten, die den Grundstückswert überschreiten, und durch Planungskosten, die die Genossenschaft entrichten muss, auch wenn diese Planungen nun nicht mehr umgesetzt werden. Die Genossenschaft „Olper Hütte“, gegründet von Stadt, Sparkasse und der Projektentwicklungsgesellschaft Pyramis aus Telgte, ist faktisch tot – das für das Bauprojekt zur Schaffung von kostensparendem Wohnen vorgesehene Grundstück wird verkauft. Immerhin gibt es einen positiven Aspekt, denn der Käufer sagt der Stadt zu, seinerseits geförderten Wohnraum auf der Fläche zu schaffen.

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Künftig gehört das komplette Areal der Familie Gerhard, die schon auf den Nachbargrundstücken der Olper Hütte eine komplette Umnutzung des einstigen Industriegeländes vollzogen hat, von modernen Wohnhäusern in Holzbauweise bis zu IT-Firmen, die dem einstigen Imhäuser-Gelände den Spitznamen „Olper Silicon Valley“ verliehen haben. Ursache für das Scheitern des Projekts sind zwei Ursachen. Zum einen die Tatsache, dass bei allen Planungen ein auf dem derzeit noch genossenschaftlichen Grundstück ein Leitungsrecht zugunsten des Nachbargrundstücks von Gerhard liegt, das die Bebauung gegenüber den ursprünglichen Planungen extrem einengt. Zum anderen war nach langem Warten und einem Aufschub, der das Projekt bereits einmal ins Wanken gebracht hatte, zwar vor einigen Wochen endlich die Förderzusage aus Düsseldorf eingegangen – von den Projektbeteiligten vollkommen unerwartet allerdings mit der Auflage verbunden, dass die Stadt das Projekt mit einer Bürgschaft absichern müsse. Dies hat dem Projekt letztlich das Rückgrat gebrochen.

Seinerzeit in Düsseldorf zum Abstimmungsgespräch in Sachen Förderung (von links): Bürgermeister Peter Weber, Projektsteuerer Frank Beckehoff, Ministerin Ina Scharrenbach, Unternehmer Michael Kirchner sowie Ratsmitglied und Landtagsabgeordneter Jochen Ritter (alle CDU).
Seinerzeit in Düsseldorf zum Abstimmungsgespräch in Sachen Förderung (von links): Bürgermeister Peter Weber, Projektsteuerer Frank Beckehoff, Ministerin Ina Scharrenbach, Unternehmer Michael Kirchner sowie Ratsmitglied und Landtagsabgeordneter Jochen Ritter (alle CDU). © Stadt Olpe | Stadt Olpe

Die Stadt begründet in ihrer Mitteilung den Schritt damit, dass der für Planungen und Bau nötige Zuschuss der Stadt „deutlich über dem Betrag läge, der bei einer Grundstücksübernahme durch den Investor und die Abwicklung der Genossenschaft zu leisten ist“. Das Ziel der Schaffung von 2000 Quadratmetern öffentlich gefördertem Wohnraum werde nun vom Käufer umgesetzt.  „Die Umsetzung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus und die Vermeidung weiterer finanzieller Risiken waren für die Stadtverordnetenversammlung wesentliche Entscheidungsgründe.“

Die Stellungnahme von Pyramis

In einer Pressemitteilung hat am Freitagmittag die Pyramis Immobilienentwicklung Stellung zum Schritt der Stadt Olpe bezogen. „Mit viel Enthusiasmus, Mut und Innovationskraft haben wir auf allen Ebenen und im wahrsten Sinne des Wortes genossenschaftlich in den letzten Monaten das Projekt ‚Olper Hütte‘ vorangetrieben. Jetzt – wo Bau- und Förderanträge bewilligt worden sind – wird der bisherige gemeinsame Weg durch die gestrigen Beschlüsse des Rates der Stadt Olpe verlassen“, stellen die beiden Gesellschafter der Pyramis Immobilien Entwicklungsgesellschaft, Michael Hoppenberg und Michael Kirchner, bedauernd fest. „Die Stadtverordneten der Stadt Olpe waren – anders als in anderen Kommunen des Landes – nicht bereit, die übliche und erfahrungsgemäß risikolose Ausfallbürgschaft der Kommune als Mitglied der Genossenschaft zu übernehmen“, erklärt Michael Hoppenberg, der auch gewähltes Aufsichtsratsmitglied der Genossenschaft ist. „Was manche politischen Akteure in Olpe unter ‚politischer Kultur‘ und ‚fairem Geschäftsgebaren‘ verstehen, verwundert uns schon. Anstatt sich mit allen Beteiligten in einer solchen Situation gemeinsam an einen Tisch zu setzen, redet man lieber öffentlich über nicht öffentliche Tagesordnungspunkte.“ Hoppenberg und Kirchnerbetonen aber ausdrücklich, dass sie von dieser Kritik Bürgermeister Peter Weber, die Mandatsträger der CDU-Fraktion und die Verantwortlichen im Rathaus ausdrücklich ausnehmen: „In den Genossenschaftsgremien herrschte immer eine vertrauensvolle und lösungsorientierte Atmosphäre, in der es um die Sache und nicht um Meinungsmache ging.“

Auch in Kenntnis der jüngsten Beschlüsse des Rates bleibe die Pyramis bei ihrem Angebot, die Genossenschaft ohne kommunale Beteiligung fortzusetzen. „Die Stadt wäre in diesem Fall von jeglichen Verpflichtungen entbunden, mit der einzigen Auflage, 900.000 Euro – die im städtischen Haushalt ohnehin für Abriss- und Sanierungsarbeiten auf dem Grundstück vorgesehen waren – zweckgebunden zur Verfügung zu stellen“, heißt es in der Mitteilung weiter. „Dieser Weg ist aber politisch offensichtlich nicht gewollt“, fassen die Pyramis-Verantwortlichen die Situation aus ihrem Blickwinkel zusammen.

Dennoch wolle Pyramis der künftigen Entwicklung nicht im Weg stehen. „Das Genossenschaftsmodell beruht im Kern auf dem breiten Konsens in den Partnerkommunen. Ist dieser nicht vorhanden, ist es besser, sich zu trennen, als eine ineffiziente Zusammenarbeit fortzusetzen“, betonen sie unisono.

Kaum hatte die Stadt ihre Mitteilung versandt, folgte eine Stellungnahme von Pyramis, aus der deutlich wird, wie zerrüttet das Verhältnis der einstigen Partner inzwischen ist. Wie berichtet, hatte die Stadt als Mehrheitseigner der Genossenschaft im Juli dafür gesorgt, dass der Projektsteuerungsvertrag zwischen der Genossenschaft und der Pyramis gekündigt wurde. Daraufhin hatte Pyramis-Chef Michael Kirchner den Vorsitz des Genossenschaftsvorstands niedergelegt. Der Bitte der Stadt, auch als Genossin aus der „Olper Hütte“ auszuscheiden, war Pyramis indes nicht nachgekommen und hatte betont, weiterhin an das Projekt zu glauben. „Die Stadtverordneten der Stadt Olpe waren – anders als in anderen Kommunen des Landes – nicht bereit, die übliche und erfahrungsgemäß risikolose Ausfallbürgschaft der Kommune als Mitglied der Genossenschaft zu übernehmen“, wird Pyramis-Chef Michael Hoppenberg in der jüngsten Mitteilung zitiert. Immerhin: Pyramis will der weiteren von der Stadt nun beschlossenen Entwicklung nicht im Weg stehen. „Das Genossenschaftsmodell beruht im Kern auf dem breiten Konsens in den Partnerkommunen. Ist dieser nicht vorhanden, ist es besser, sich zu trennen, als eine ineffiziente Zusammenarbeit fortzusetzen“, so Kirchner und Hoppenberg in ihrer Mitteilung.

Olper Hütte
Das Abbruchgrundstück an der Olper Hütte in einem verblichenen Verkehrsspiegel: Das genossenschaftliche Projekt ist wohl gescheitert. © Jörg Winkel | Jörg Winkel

Dem ganzen zuvorgekommen war ein einmaliger Vorgang: Die Verabschiedung des Haushalts in der letzten Ratssitzung des Jahres war zum Randthema verkommen, weil die Fraktionsvorsitzenden sämtlich die Gelegenheit nutzten, auf das Geschehen im bevorstehenden nichtöffentlichen Sitzungsteil vorzubereiten. CDU-Chef Frank Clemens etwa sprach von „Fehlern“ und „Fehleinschätzungen“, die das Projekt begleitet hätten. Grünen-Fraktionsvorsitzende Zaklina Marjanovic hatte erklärt, „der Partner Pyramis war uns von Beginn an suspekt. Der Partner hat sich als Gegner erwiesen und wir stehen vor einem Scherbenhaufen.“

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Christian Ratte von der UCW ergänzte: Hinsichtlich der Leitungsrechte habe die Genossenschaft sich stets auf eine mündliche Zusage verlassen, nie sei etwas beurkundet worden. „Pyramis hat als einziger Genosse damit Geld verdient. Mal sehen, wie viel Geld die Stadt dort am Ende im Boden versenkt haben wird.“ Volker Reichel von der SPD zog für sich das Fazit, der genossenschaftliche Weg sei nach wie vor richtig, aber „wir sind an die falschen Leute geraten. Da ist viel Vertrauen auf der Strecke geblieben, Vertrauen in Politik und in Verwaltung“. Andreas Stenzel (FDP) beließ es bei einem Satz, der aber letztlich am meisten sagte: „Wir haben es probiert und sind gescheitert.“ Nur Andreas Molter (OLO) zeigte sich als einziger regelrecht erschüttert über die gezeigte Offenheit: „Ich werde mich in Sachen ,Olper Hütte‘ nicht zu Aussagen in nichtöffentlicher Sitzung äußern und habe auch große Bedenken über das hier Gesagte.“