Kreis Olpe/Finnentrop. Biberratten sind an der Lenne heimisch geworden. Ruhrverband sieht das kritisch. Die Tiere verdrängen aber einen anderen Schädling.
Eigentlich ist sie in Südamerika zu Hause. Nach Deutschland kam sie als Pelzlieferant: die Nutria, auch Biberratte genannt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden erste Tiere nach Deutschland importiert, um Pelzfarmen mit ihnen aufzubauen: Nutriapelze mit ihrer dichten, feinen Unterwolle wurden als Ersatz für Robbenfell genutzt und waren insbesondere in Deutschland stark nachgefragt. Wie die Internet-Enzyklopädie Wikipedia berichtet, gab es zwischen 1930 und 1940 über 1000 Nutria-Farmen in Deutschland. Noch 1967 verarbeitete die DDR jährlich 60.000 Nutriafelle, und auch das Fleisch der bis 65 Zentimeter Rumpflänge aufweisenden, bis zu 10 Kilogramm schweren Tiere wurde verwertet, etwa für Rouladen, Mettwurst oder Kochsalami. Doch aus Farmen entkommene Tiere breiteten sich auch in der Natur aus und sind inzwischen in ganz Deutschland zu finden. Inzwischen auch im Kreis Olpe.
Bis vor wenigen Jahren war die Nutria hier nicht zu finden. Doch die invasive Art breitet sich spürbar aus. Auf der aktuellen Jagdstrecke des Jagdjahrs 2023/2024 sind immerhin 29 Tiere aufgelistet, die von Jägern erlegt wurden. Denn die Biberratten stellen eine Gefahr dar: Ihre Bauten können Deiche und Ufer aus- oder unterhöhlen und dabei so groß ausfallen, dass regelrechte Einstürze möglich sind, bei denen auch schon Straßen abgerutscht sind. Laut Wikipedia haben sich die Nutriabestände in Deutschland von 2006 bis 2016 verdoppelt. Allerdings verdrängen die Nutrias eine andere Art, die noch mehr Schäden hervorruft: den deutlich kleineren Bisam, der ebenfalls als Pelztier nach Deutschland kam und sich inzwischen quasi flächig ausgebreitet hat. Auch dies ist in der Jagdstrecke des Kreises zu bemerken, denn hier wurden gerade einmal fünf Bisams aufgelistet.
Säckeweise Möhren
Ein Schwerpunkt des Nutria-Vorkommens im Kreis Olpe ist die Lenne in Finnentrop. Dort, so wurde dem Jagdbeirat berichtet, seien regelmäßig Menschen anzutreffen, die die friedlichen und überhaupt nicht scheuen Tiere „säckeweise mit Möhren füttern“. Dabei steht die Nutria auf der Liste invasiver gebietsfremder Arten von EU-weiter Bedeutung und wird zu den 100 der weltweit schlimmsten invasiven gebietsfremden Arten gezählt. Warum die Nutria sich ausbreitet, führt Kreisjagdberater Dr. Alfred Holthoff auf den Klimawandel zurück: Durch die zunehmende Erwärmung fühle sich die Nutria ganz offensichtlich wohler und breite sich daher aus.
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Nachbarländer sind inzwischen massiv im Kampf gegen die Nutria unterwegs, etwa die Niederlande, wo die Biberratten die lebenswichtigen Deiche gefährden. Hier haben die Wasserverbände eigens Fänger engagiert. Im Landesinneren gilt die Nutria dort inzwischen als ausgerottet. Doch an den Grenzen zu Deutschland und entlang der großen Flüsse werden noch zugewanderte Tiere gefangen.
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Im Kreis Olpe ist die Ausbreitung noch nicht so umfangreich, dass verstärkt eingegriffen werden muss. Britta Balt, Pressesprecherin des Ruhrverbands: „Die eigentliche Bekämpfung der Tiere ist nicht unsere Aufgabe. Aber wenn wir von derartigen Fütterungsaktionen hören, dann heißen wir das natürlich nicht gut. So etwas bringt die Natur aus dem Gleichgewicht, und bei einer solchen invasiven Art erst recht.“ Als ersten Schritt stellt der Ruhrverband an solchen Orten Schilder auf, die darauf hinweisen, dass das Füttern eine indirekte Gefahr für die Flussufer darstellt. Mitarbeiter des Ruhrverbands kontrollieren monatlich die Uferbereiche an Stau- und Wehranlagen wie etwa in Lenhausen. Anders als beim Bisam, liegen die Eingänge von Nutria-Bauten oberhalb der Wasserlinie und sind daher gut zu sehen. „Wenn es zu viele Löcher sind, dann beauftragen wir einen Kammerjäger, der dann mit Fallen vorgeht“, so Britta Balt. Und sollte sich der Schädling weiter ausbreiten, gibt es einen Weg, die Tiere zu verwerten: Vereinzelt bieten deutsche Metzgereien inzwischen Nutria-Fleisch an, das vergleichsweise gesund sein soll und geschmacklich als „ Mischung aus Spanferkel und Kaninchen“ beschrieben wird.