Olpe/Attendorn. Entwurf des Regionalplans liegt vor und enthält eine faustdicke Überraschung: Am Rothen Stein soll ein besonderes Gewerbegebiet entstehen.
Für ältere Menschen im Kreisgebiet ist immer noch klar, wo das „Nato-Lager“ war. Auch wenn heute praktisch nichts mehr an die Nutzung während des Kalten Krieges erinnert: Das Gelände, auf dem schon seit vielen Jahren die Firma Hufnagel Abfälle sortiert und lagert, war für über zwei Jahrzehnte ein wichtiger Standort der belgischen Armee in Deutschland. 1991 war damit Schluss: Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gab die Armée belge/Belgisch leger ihr Tanklager auf. Das Gelände sollte eine neue Nutzung erfahren: Die Stadt Olpe kam rasch zur Überzeugung, dass durch die unmittelbar vorbeiführende Bundesstraße gut erschlossene und vorbelastete Areal ein ideales Gewerbegebiet sein würde. Jahrelang wurde diesbezüglich geplant, bis im Jahr 1997 quasi ein „Blauer Brief“ aus Arnsberg kam: Die Bezirksregierung machte der Stadt klar, dass zwar alles, was bisher Militärgelände war, genutzt werden dürfe, aber kein Quadratmeter des umliegenden Waldes zusätzlich. Mit der Folge, dass die verbleibende Fläche für ein Gewerbe- und/oder Industriegebiet viel zu klein war.
Das war das Nato-Lager
Von 1969 bis 1991 betrieb die belgische Armee ein Tanklager am Rothen Stein. Wie Heimatfreund und Militärhistoriker Haymo Wimmershof anlässlich des 25. Jahrestags der Schließung im Jahrbuch „Olpe in Geschichte und Gegenwart“ 2016 zusammenfasste, fielen 12 Hektar Wald, um eine gewaltige Tank- und Abfüllanlage zu errichten. 5 Millionen DM wurden investiert; rund 30 Mann waren ab dieser Zeit im Einsatz: neben einem Offizier und sechs bis sieben Unteroffizieren auch zehn Berufssoldaten, 15 Wehrpflichtige und zehn Zivilangestellte. Das „Kwartier Depot Olpe – Rotherstein“, so der interne Name der Belgier, war für die Treibstoffversorgung der belgischen Streitkräfte in Deutschland zuständig, in Ausnahmefällen belieferten die Belgier auch andere Nato-Partner. In zwölf Tanks wurden 50.000 Liter Benzin, in acht weiteren Tanks 50.000 Liter Diesel vorgehalten. Dazu kamen zehn Kanisterhallen, in denen je 25.000 Kanister à 20 Liter bereitstanden. Zusammen mit einem Altöllager waren in Spitzenzeiten 6,5 Millionen Liter Treib- und Schmierstoff am Rothen Stein bevorratet. Die Anlieferung erfolgte teils über die Straße, teils über den Bahnhof Olpe., von wo ein Tankwagen mit 20.000 Litern Kapazität den Brennstoff abholte. Für die Belgier gab es eine Bar, einen Sportplatz und – mit einem Tag Verzögerung – belgisches Fernsehen, das in Lüdenscheid aufgenommen und per Video nach Olpe gebracht wurde. Nach der Schließung wurde das Gelände aufwendig saniert: Die Soldaten hatten beim Kanisterbefüllen nicht immer gut gezielt, sodass der Boden großflächig verseucht war. Nach mehreren Jahren Leerstand kaufte im Jahr 2000 die Familie Hufnagel das Gelände und baute es zum Wertstoffhof um.
Die Stadt stand vor einem Trümmerhaufen und musste ihre Planungen bei Null neu beginnen. Das Ergebnis war das Gelände, das erst als „Ahlemicke“ im Gespräch war und heute als Interkommunaler Gewerbepark „Hüppcherhammer“ unmittelbar vor der Erschließung des zweiten und dritten Bauabschnitts steht. Und nun, 30 Jahre nach ersten Plänen, kommt dieselbe Behörde aus Arnsberg, die den Plan einst vereitelte, und schlägt ihrerseits vor, am Rothen Stein ein großes Gewerbegebiet anzulegen – allerdings eines, das weniger der Stadt Olpe als vielmehr der Stadt Attendorn zugeschlagen werden soll. Von den im Regionalplanentwurf anvisierten 38 Hektar werden der Hansestadt 34 Hektar zugesprochen, nur vier werden Olpe angerechnet.
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Denn Olpes Nachbarstadt hat ein großes Problem: Die Hansestadt hat mit Ausnahme des in Entstehung befindlichen Industriegebietes Fernholte schon seit etlichen Jahren keine eigenen Flächen mehr, die sie expansionswilligen Unternehmen anbieten könnte. „Deswegen ist eine interkommunale Zusammenarbeit für uns die einzige Chance, über Fernholte hinaus Gewerbeflächen zur Verfügung zu stellen“, weiß Uwe Waschke, Amtsleiter für Bauen und Planen im Attendorner Rathaus, um die schwierige Situation. Der Regionalplan schreibt der Stadt Attendorn über Fernholte, in dem sich ab 2028 die ersten Unternehmen ansiedeln können, hinaus einen zusätzlichen Bedarf von 34 Hektar aus – also genau die Größe, die am Rother Stein für Attendorn geschaffen werden sollen. In einem ersten Entwurf waren entsprechende Flächen gemeinsam mit Meinerzhagen und Kierspe in Höhe der Autobahnauffahrt Meinerzhagen vorgesehen. Bei derartigen Interkommunalen Gewerbegebieten werden Flächen bereitgestellt, deren Erschließung und im Gegenzug auch die dort erwirtschafteten Gewerbesteuern auf die beteiligten Kommunen verteilt werden, obwohl sie meist auf dem Gebiet einer einzigen der beteiligten Gemeinden liegen.
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Ob es jedoch zur Umsetzung eines solchen interkommunalen Gewerbegebietes am Rothen Stein kommt, steht auf einem anderen Papier. Nicht nur Uwe Waschke weiß um die hohe Hürde des Naturschutzes, die übersprungen werden müsste. Und auch Judith Feldner, Technische Beigeordnete der Stadt Olpe, erklärt: „Das ist ja erstmal der Einstieg in die Diskussion. Wir haben den Plan in ersten Gesprächen unterstützt, denn die Fläche wäre für uns zusätzlich.“ Und auch erst in entfernter Zukunft zu realisieren. Unverändert bleibe die Planung, zur Deckung des Olper Bedarfs an Gewerbeflächen mittelfristig gemeinsam mit der Stadt Kreuztal ein Gewerbegebiet im Bereich Altenkleusheim unter dem Arbeitstitel „Kölsches Heck“ zu erschließen. Und daran ändern die Überlegungen für den Rothen Stein nichts. Anders als vor 30 Jahren ist inzwischen allerdings eines: Dort, wo Ende der 1990er-Jahre noch grüne Fichtenwälder rauschten, hat der Borkenkäfer großzügig „Ernte gehalten“. Die Flächen sind zwar rechtlich nach wie vor Wald, doch Bäume sucht man auf großen Teilen des Areals vergeblich. In beiden Kommunen steht das Thema nun auf der Tagesordnung: in Attendorn in der Stadtverordnetenversammlung am 11. Dezember, in Olpe berät der Bauausschuss einen Tag später.