Wenden. Im Technischen Museum haben Mühlenbauer alle Hände voll zu tun. Warum sie den Stamm ein halbes Jahr lang in den Regen legten.
Kenner der plattdeutschen Dialekte behaupten gern, dass das Wendsche Platt dem Niederländischen sehr ähnlich klingt. In der Tat können sich Wendsche mit Holländern leidlich unterhalten. Wer dies testen will, hat gerade an der Wendener Hütte Gelegenheit dazu: Denn hier ist derzeit die Arbeitssprache Niederländisch. Ein schwerer Lkw mit schwarz-gelbem Nummernschild steht vor dem Hochofen, ein Transporter daneben: Die Männer von Vaags Meester Molenmakers haben alle Hände voll zu tun. Das Spezialunternehmen aus Aalten nahe der deutschen Grenze ist nicht zum ersten Mal an der Wendener Hütte im Einsatz, denn die Mühlenbauspezialisten sind genau die Fachleute, die Museumsleiterin Monika Löcken braucht, wenn es um die Antriebstechnik der Hochofen- und Schmiedeanlage geht. Eigentlich arbeiten Gerben Vaags und seine Männer an Wind- und Wassermühlen, da aber die Wasserräder der Hütte genauso funktionieren, haben sie den Auftrag bekommen, die gewaltige Welle des Hochofen-Wasserrads zu erneuern.
Alexander Schneider und Stefan Funke sind die Hausmeister der Hütte und arbeiten derzeit Hand in Hand mit den Niederländern zusammen. Denn die alte Welle wird nicht weggeworfen; vielmehr wird sie zum neuen Ausstellungsstück, ist die eingebaute Welle doch nicht zugänglich und kaum sichtbar. Schneider und Funke haben aus Kanthölzern außen vor dem Hochofen den Aufbau geschaffen, um die tonnenschwere alte Welle abzusetzen. Gerben Vaags rangiert sie mit dem Lkw-Kran zentimetergenau an Ort und Stelle.
Das Bauteil ist rund siebeneinhalb Meter lang und wiegt fast zwei Tonnen. Seit 2014 war die alte Welle an Ort und Stelle und sorgte dafür, dass das riesige Wasserrad sich drehen konnte, wenn der Zulauf, mit Biggewasser gespeist, aufgeschiebert wurde. Wenn es sich dreht, betätigt es zwei gewaltige Blasebälge, die abwechselnd Luft in den Hochofen blasen und damit die brennende Holzkohle so heiß machen, dass das Eisenerz schmilzt. Doch ein fast unsichtbarer Feind hatte zugeschlagen: ein Pilz, der die Welle an einem ihrer beiden Lager zersetzte und den Austausch nötig machte.
Gerben Vaags hat diesmal alles getan, um den nächsten Tausch so lange hinauszuzögern wie möglich. Zum einen ist die Welle diesmal imprägniert. „Wir nehmen ausschließlich Eichenholz, das eignet sich am besten, aber wenn sich da ein Pilz bildet, dann hält auch Eichenholz nicht ewig“, so der niederländische Mühlenbauer. Er habe eine über 100 Jahre alte deutsche Eiche gekauft und sie mehr als ein halbes Jahr lang vor seiner Firma im Regen liegenlassen. „Und als sich in dieser Zeit kein Pilz gebildet hatte, da konnte ich sicher sein, dass die Imprägnierung funktioniert und das Holz gut ist.“ Nach dem Anpassen des Stammes und der Anlieferung nach Wendenerhütte bauten die Niederländer die alte Welle aus. Dazu hoben sie das schwere Rundholz mit Kettenzügen aus seinen Lagern und beförderten es langsam vor den Hochofen, wo es seiner metallenen Lagerzapfen beraubt wurde. „Die haben wir an der neuen Welle verbaut“, erklärt Gerben Vaags. Die beiden Stahllagerzapfen sind zentrisch auf der Welle befestigt, die dann auf umgekehrtem Weg mit Kettenzügen hoch unters Dach und dann zurück in ihre Lager gehoben wird. Diese sind aus Bronze: „Entweder das oder ein spezieller Stein aus Belgien, daraus macht man die besten Lager“, erklärt Vaags sein jahrhundertealtes Handwerk. Die Wälzlager müssen regelmäßig gefettet werden, damit das schwere Wasserrad „wie geschmiert“ läuft. Das eine Lager ist vom Hochofenraum aus zugänglich, für das andere wurde ein enger Gang geschaffen, der in die Schmierkammer führt.
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Der Transport der Welle mit den Kettenzügen, rein mit Muskelkraft über Untersetzungsgetriebe laufend, geht nur zentimeterweise voran. Dann liegt die Welle in ihren Lagern. Danach verkeilen die Mühlenbauer sie mit dem Rad, wobei die Welle genau in der Mitte des Wasserrads sitzen muss. Bis Ende der Woche, so hofft Gerben Vaags, sind die Arbeiten abgeschlossen. Dann geht das Museum in seine Winterpause, um im nächsten Frühjahr wieder zu öffnen – dann wieder mit einem funktionsfähigen Hochofen samt Wasserrad. Damit die Besucher einen Eindruck davon bekommen, wie mühsam es einst war, das Eisen zu gewinnen, das im benachbarten Hammer weiterverarbeitet wurde oder gleich im Hochofen in Formen gegossen wurde, die es zu begehrten Handelsprodukten machte. Ofenplatten oder Kanonenkugeln zum Beispiel, deren originale Gussformen in der Hütte gefunden wurden und ausgestellt sind.