Heid/Trömbach/Wendenerhütte. Viadukt in Wendenerhütte bereits abgebrochen. Die beiden letzten Bauwerke sollen folgen. Kreisheimatbund schreibt Brandbrief.
Die Bahnhöfe in Gerlingen und Rothemühle sind abgebrochen. Nichts erinnert hier mehr an die Geschichte der Bahnstrecke, die einst die Kreisstadt Olpe mit Freudenberg im Siegerland verband. Die Haltepunkte Wendenerhütte und Brün: verschwunden. Die Unterführungen in Wendenerhütte nahe der Firma EMG, in Brün und Rothemühle fielen ebenfalls dem Bagger zum Opfer, obwohl die Gemeinde einst erklärt hatte, vier Unterführungen erhalten zu wollen.
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Nun geht es den letzten drei Bauwerken an den Kragen, die von der gesamten Bahnstrecke noch erhalten sind. Für die Unterführung in Wendenerhütte ist die Messe schon gelesen: Der Bagger ist gerade dabei, das über 100 Jahre alte Viadukt abzubrechen. Bei einem Ortstermin mit Roswitha Kirsch-Stracke am Tag vor dem Arbeitsbeginn, der Bagger steht schon bereit, entfährt der Wendener Heimatfreundin ein spontanes „So schade“. Denn entgegen aller Behauptungen der Gemeindeverwaltung, in denen zum Teil von Einsturzgefahr die Rede ist, ist das Viadukt weder gesperrt noch augenscheinlich ruinös. Dennoch hat der Bau- und Planungsausschuss einer Empfehlung der Verwaltung Folge geleistet und den Abbruch der letzten drei Eisenbahn-Bauwerke in der Gemeinde Wenden zugestimmt.
Ein Beschluss, an dem zumindest laut der Beschlussvorlage kein Denkmalschützer und kein Heimatfreund mitgewirkt hat. Während beispielsweise in der Kreisstadt Olpe der dortige Ausschuss Umwelt, Planen, Bauen nicht nur aus gewählten Kommunalpolitikern der Ratsfraktionen, sondern auch aus Vertreterinnen und Vertretern des Heimatvereins besteht, die zwar nicht mitstimmen, aber sprechen dürfen und regelrecht aufgefordert sind, ihre Expertise nach Denkmalschutzgesetz einzubringen, gehören dem Planungs- und Bauausschuss in Wenden ausschließlich Ratsvertreter an.
Diese haben sich im Juni im Rahmen eines Ortstermins mit dem Abbruch der Viadukte befasst – dieser allerdings war so terminiert, dass er zeitgleich mit einer Sitzung des Umweltausschusses stattfand, in dessen Rahmen es unter anderem um das jüngste Starkregenereignis und den hochgiftigen Riesenbärenklau auf der Gemeindegrenze bei Huppen ging. Die Folge: Die gesamte Presse als Vertreterin der Öffentlichkeit entschied sich aufgrund des akuten öffentlichen Interesses für den Umweltausschuss, der Bauausschuss blieb unter sich. Und so bleibt nur dessen öffentlich abrufbares Protokoll.
Darin heißt es: „Ratsherr Martin Solbach sieht keine Alternative zum Abriss. Ratsherr Robert Dornseifer schließt sich dem an, auch vor dem Hintergrund, dass ein Unternehmer im Falle einer Instandsetzung keine Gewähr übernehme. Hier sei das Risiko für die Gemeinde einfach zu hoch. Er regt an, gerade im Fall Heid auf eine angemessene lichte Breite zu achten. Ratsherr Michael Bieker und Ratsfrau Hiltrud Ochel könnten sich vorstellen, zumindest das Bahnviadukt Wendenerhütte mit Bezug zum Museum zu erhalten. Markus Hohmann (inzwischen nach Attendorn gewechselter Baudezernent der Gemeinde, die Red.) entgegnet, dass die Wendenerhütte längst nicht mehr in Betrieb gewesen sei, als die Bahntrasse angelegt worden sei. Insofern gebe es weder einen räumlichen noch eine funktionalen/historischen Bezug.“
Nun ist zwar genau diese Bahnlinie bzw. ihr später Bau genau der Grund, warum die Wendener Hütte mangels Konkurrenzfähigkeit ihren Betrieb einstellen musste und die Bahnlinie, die unter anderem das Erz der Grube Vahlberg abfuhr, liefert so durchaus einen historischen Bezug, zumal die Eisenbahn für das Wendener Land gerade nach dem Ende der Wendener Hütte einen wirtschaftlichen Aufschwung ermöglichte, durch den etwa Firmen wie der Apparatebau Rothemühle mit eigenem Gleisanschluss Weltruf erlangten.
So versucht in sprichwörtlich letzter Minute eine Heimatfreundin, doch noch etwas zu retten. Dr.-Ing. Roswitha Kirsch-Stracke pendelt zwischen Wenden und Hannover, ihrer Heimat und ihrer langjährigen Wirkungsstätte an der Leibniz-Universität. Als Vorstandsmitglied und ehemalige Vorsitzende des Kreisheimatbundes und amtierende Vorsitzende der Bewertungskommission „Unser Dorf hat Zukunft“ im Kreis Olpe ist die Landschaft ihrer Heimat für sie auch ihre Leidenschaft. Als sie vom bevorstehenden Abriss der Viadukte erfuhr, nutzte sie eine kurze Pause in ihrer langen Aufgabenliste für eine Ortsbesichtigung. Und die wirft jede Menge Fragen auf.
So stellt sich die Frage, wie ein von der Gemeinde auf 229.000 Euro kalkulierter Sanierungsstau am Viadukt Wendenerhütte überhaupt entstehen konnte, zumal außer einigen Abbrüchen zumindest optisch alles in Ordnung schien. In Heid ist der Handlungsbedarf zumindest offenkundig; hier haben sich Büsche und Bäume in den Fugen breitgemacht und drücken das Gemäuer auseinander. 163.000 Euro würde die Sanierung hier kosten. Der Abbruch indes wird bei Heid und Trömbach mit gerade 24.000 Euro, in Wendenerhütte auf 36.000 Euro geschätzt und mit dem Satz abgetan „Die Zahlen verdeutlichen, dass es am wirtschaftlichsten ist, die Viadukte niederzulegen, zumal dann künftig gar keine Unterhaltungsaufwendungen mehr anfallen. Inzwischen stellen sie vielmehr Verkehrshindernisse dar, derer man sich entledigen sollte.“ Dass es sich hier um Zeugnisse der Bau- und Verkehrsgeschichte handelt und insbesondere die allerletzten Relikte der Eisenbahn im Wendener Land, findet in der gesamten Beschlussvorlage keine Erwähnung.
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Nach der Besichtigung der drei Viadukte kommt Roswitha Kirsch-Stracke zu folgendem Fazit: „Das ist alles kein Wunder, wenn man ein Bruchsteinmauerwerk über Jahre einfach nicht pflegt, und das sieht man besonders in Heid ganz deutlich. Eigentlich muss man nichts machen als regelmäßig junge Büsche und Bäume aus den Fugen zu entfernen, weil die Wurzeln sonst von Jahr zu Jahr dicker werden und irgendwann das Gemäuer sprengen. Moos, Blumen und Gräser machen gar nichts.“ Im Vergleich dazu ist das Bauwerk bei Trömbach in einem weit besseren Zustand, was auch die gemeindliche Kostenschätzung für eine Renovierung deutlich macht: 87.000 Euro. Roswitha Kirsch-Stracke wird nach Rücksprache mit dem Vorstand des Kreisheimatbundes nun in dessen Namen einen Brandbrief an Bürgermeister Bernd Clemens schicken, der die dringende Bitte wiedergeben soll, wenigstens die Trömbacher Unterführung zu erhalten als wichtiges Beispiel für einen Teil der Wendener Geschichte.