Silberg. Die Dynamik in Silberg, ein Dorf am Rande der Gemeinde Kirchhundem, ist unglaublich. Doch was läuft hier anders? Wir haben nachgefragt.
Es ist eine kühne These, die Thomas Hille am Donnerstagabend in den Raum stellte: „Silberg tickt völlig anders als andere Orte.“ Widersprechen wollte keiner der etwa 25 Bürgerinnen und Bürger, die zur Aktion „WP-Mobil“ auf dem Schrabben Hof gekommen. Warum auch? Mit der Aussage meint Hille, der seit 25 Jahren in Silberg wohnt, die unglaubliche Dynamik, die der 420-Seelen-Ort seit Jahren an den Tag legt. Das wurde auch den Reportern der WESTFALENPOST schnell klar. Eine eingeschworene Dorfgemeinschaft mit selbstbewussten Menschen, die gewohnt, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Welcher Ort dieser Größe kann ein überregional bekanntes Kulturzentrum wie den „Schrabben Hof“, eine „Kulturkirche“ mit sehenswerten Ausstellungen und großartigen Konzerten, vorweisen, wo gibt es eine „Prinzenbeerdigung“ direkt zum Beginn der närrischen Session und wo nimmt jeder Vierte im Dorf an der Dorfreinigung teil?
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Donnerstags ist Jugendtreff auf dem Schrabben Hof, so hatten sich auch ein paar Jugendliche unter die Bürger gemischt. Sie sprechen eines der größten Mankos an. „Die Busverbindungen sind sehr schlecht, wir müssen nach der Schule eine Stunde auf den Bus warten“, kritisiert Lukas Schlechtinger (13), der in Hilchenbach zur Schule geht. „Unsere Azubis, die morgens um 6 Uhr starten, haben keine Chance, mit dem Bus hierherzukommen“, sagt auch Dagmara Fester, die im Seniorenheim „Bremmsche Stiftung“ arbeitet. Regelmäßiger ÖPNV findet hier, im Grenzgebiet zum Siegerland, nicht statt. „Darüber regt sich kaum noch jemand auf, ohne Auto geht es hier nicht“, so Thomas Fox. Im neuen Nahverkehrsplan soll die Verbindung Altenhundem-Hilchenbach durch ein Anruf-Linien-Taxi ersetzt werden. Dabei hatte die Gemeinde erst vor zwei Jahren mit Lennestadt und Hilchenbach die Leader-Region Sauer-Siegerland gegründet. „Wenn dann kein verbindender Bus mehr fährt, ist das schon schlecht“, so Ulrike Wesely.
In ihrer exponierten Randlage – zu den nächsten größeren Orten Kirchhundem, Welschen Ennest und Hilchenbach sind es jeweils 10 Kilometer – haben die Silberger gelernt, die Dinge autark zu regeln. „Wir sind ein gutes Dorf und der Zusammenhalt ist einmalig“, ist Ortsvorsteher Mike Knigge überzeugt und nennt exemplarisch den Bau und reibungslosen Betrieb der Turn- und Sporthalle. Die Vereinsliste ist lang: Turn- und Sportverein, Karnevalsverein, Wasserbeschaffungsverband, Arge Varste, Feuerwehr, MuT, der Trägerverein des Schrabben Guts, gibt es im Silberger Tal, demnächst kommt noch ein Reitverein dazu. Die Gründung sei in Planung, so Cathia Wieczorek, Betreiberin des Reiterhofs Silberg, der unter anderem Reitstunden für Kinder- und Jugendliche anbietet.
Die Vereinsstruktur ist besonders, historisch bedingt, denn bis in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts war Silberg Grubendorf. Aus vielen Regionen und Ländern kamen Bergleute hierher und hinterließen ihre Spuren. Wer in der Geschichte gräbt und an den Familienstammbäumen kratzt, stößt bald auf die Bergbauzeit. Auch die Anfänge der beiden größten Vereine gehen auf diese Zeit zurück. Ein Bergbauunternehmen stellte damals ein Gelände für den Bau der ersten Turnhalle zur Verfügung, die Basis für den TuS Silberg 09 und auch der 1911 gegründete Karnevalsverein soll von Bergleuten, die aus dem Rheinland stammten, angestoßen worden sein. Karneval gefeiert wurde hier schon früher. Thomas Fox: „Wir sind älter als die Kattfiller in Attendorn.“ Deren älteste Prinzengarde wurde erst 1913 gegründet. Der Straßenname „Zur Weinspitze“ in Silberg hat ebenfalls mit der Grubenzeit zu tun. Damals sollen Bergleute aus Italien versucht haben, dort Wein anzubauen. Mit dem Themenwanderweg „Goldbergweg“ soll die Bergbauzeit im Rahmen eines Leader-Projektes demnächst wieder präsenter gemacht werden.
Im Silberger Tal, heute vorwiegend landwirtschaftlich und als Wohnort geprägt, lebt es sich gut, da sind sich die Einwohner einig, aber nicht alles ist perfekt. Auch in Silberg fehlt Bauland. „Der Bedarf ist größer als das Angebot“, so Thomas Fox. Die Vergrößerung des Feuerwehrhauses ist lange überfällig. Das jetzige Haus bricht angesichts 30 Aktiven und der größten Jugendfeuerwehr in der Gemeinde mit 15 Mitgliedern aus allen Nähten. Mike Knigge: „Die Aktiven müssen sich in der Gerätehalle umziehen.“
Großes Unbehagen bereitet den Silbergen der Ausbau der Windkraft, sie befürchten nicht nur eine Umzingelung ihres Tals mit Mega-Windrädern, sondern auch Verkehr und Lärm. Aktuell soll im Hohen Wald, auf Kreuztaler Stadtgebiet, aber in Nähe des Ortes, ein neuer Windpark mit sechs Anlagen entstehen. „Es gibt eine große Unsicherheit im Ort, wir wissen nicht, was da auf uns zukommt“, so Thomas Fox. „Unsere Häuser werden an Wert verlieren“, ist Thomas Hille überzeugt. Er fordert vom Bürgermeister mehr aktive Einflussnahme, auch wenn die Gemeinde keine Planungshoheit mehr habe. Die Gemeinde müsse aktiver auf die Unternehmen zugehen, Transparenz schaffen und die Interessen der Bürger vertreten. Auch Hartmut Kögler ist überzeugt: „Wir werden die Geräuschkulisse sicher hören.“
Geräusche und viel Parkverkehr verursacht auch der rege Betrieb auf Schrabben Hof mitten im Ort, vor allem bei der Vermietung der Räumlichkeiten für Privatfeiern etc., wird es laut. Direkter Nachbar Josef Hartmann: „Wenn es zu wild wird, wird kommuniziert und dann wird das abgestellt“. Ulrike Wesely, künstlerische Leiterin des Schrabben Hofs und selbst Silbergerin: „Wir haben die Veranstaltungen schon reduziert. Wir treffen uns einmal im Jahr mit allen Vereinen zur Aussprache und versuchen es dann besser zu machen.“ Es scheint zu funktionieren. Im Kulturbetrieb des Schrabben Hofs sind mittlerweile Ehrenamtliche aus der gesamten Region aktiv, die Helferliste umfasst 90 Personen. Wesely: „Das Dorf allein kann das nicht leisten“, aber wenn Not am Mann ist, dann könne man sich auf die Menschen vor Ort verlassen. „Das ist das Tolle an Silberg.“
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