Olpe. Ein 55-Jähriger stand in Olpe wegen zweifachen sexuellen Missbrauchs vor Gericht. Warum der Fall erst nach über 30 Jahren vor Gericht landete.
Ein 55-jähriger Mann aus Attendorn musste sich vor dem Amtsgericht in Olpe verantworten. Dem Angeklagten wurde der sexuelle Missbrauch seiner eigenen Nichte in zwei Fällen vorgeworfen. Eine Besonderheit: Der erste Tatzeitpunkt liegt bereits mehr als 30 Jahre zurück. Der Übergriff soll im Zeitraum zwischen den Jahren 1988 und 1991 stattgefunden haben – das Mädchen war dort gerade einmal drei bis vier Jahre alt. Ein paar Jahre später, als sie etwa sechs Jahre alt war, soll der Mann nach Ansicht der Staatsanwaltschaft einen weiteren Missbrauch an der Geschädigten begangen haben. Weil die Verjährungsfrist allerdings erst mit Anbruch des 30. Lebensjahrs des Opfers beginnt, konnte das Gericht auch so spät noch ein Urteil fällen.
Warum der Fall erst nach 30 Jahren zur Anzeige gebracht wurde und schließlich vor Gericht landete, hat einen traurigen Hintergrund. Im Jahr 2022 verging sich der Angeklagte an der Tochter seines Neffen, der der Bruder der Geschädigten ist. Die Rede war von Berührungen des Intimbereichs, während der Attendorner bei der Familie des Mädchens zu Gast war. Das Gericht hatte den Attendorner hinsichtlich dieser Tat bereits vor zwei Jahren zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und 150 Sozialstunden verurteilt.
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Als ihr Bruder ihr am Tag nach dem Vorfall von der Tat ihres Onkels erzählte, fasste das Opfer den Entschluss, den weit in der Vergangenheit liegenden Missbrauch an ihr selber ebenfalls anzuzeigen. Nach Angaben der Geschädigten habe ihr Onkel damals öfter auf sie und ihre Geschwister aufgepasst. Im Badezimmer ihres Elternhauses soll der Angeklagte seinen Unterleib entblößt haben und das kleine Mädchen dazu aufgefordert haben, ihn im Intimbereich mit ihren Händen anzufassen. Die zweite Tat soll sich dann ein paar Jahre später ereignet haben. Wieder passte der Mann auf das Mädchen und ihre Brüder auf, während die Eltern außer Haus waren. Unter dem Vorwand, mit ihr für den Sexualkundeunterricht lernen zu wollen, habe er die Sechsjährige dazu genötigt, sich im Kinderzimmer vor ihm auszuziehen und sie unsittlich berührt.
Während der Verhandlung sagte die Geschädigte unter Tränen aus, dass ihr zum Zeitpunkt der beiden Vorfälle das Ausmaß der Handlungen aufgrund ihres jungen Alters überhaupt nicht bewusst gewesen seien. Erst Jahre später habe sie sich nach eigenen Angaben an Personen im direkten Familienumfeld anvertraut. Diese waren vor Gericht als Zeugen geladen, gaben jedoch an, sich nicht mehr an ein derartiges Gespräch erinnern zu können. Als ihre mittlerweile verstorbene Mutter damals von den Missbrauchsvorwürfen hörte, habe sie dem Mädchen keinen Glauben geschenkt, ihr im Gegenteil sogar eine Ohrfeige verpasst und sie dazu aufgefordert, sich bei ihrem Onkel für die Vorwürfe zu entschuldigen. Über die Jahre hinweg habe das Opfer die Vorkommnisse also einfach in sich hineingefressen und sich niemandem so recht anvertraut. Erst gegenüber ihrem Lebensgefährten habe sie sich zu einem weitaus späteren Zeitpunkt ein wenig geöffnet und einen etwaigen Missbrauch durch ihren Onkel angedeutet, jedoch ohne ins Detail zu gehen. Aufforderungen, sich professionelle Hilfe zu holen und den Missbrauch anzuzeigen, habe sie damals abgelehnt. Der sexuelle Übergriff auf die Tochter ihres Bruders durch den Angeklagten habe das Fass schließlich zum Überlaufen gebracht.
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Angeklagter bestreitet Vorwürfe
Der Angeklagte selbst wollte sich zu den in dieser Verhandlung gestellten Vorwürfe äußern. Er gab an, dass es nie zu dem vorgeworfenen sexuellen Missbrauch an seiner Nichte gekommen sei und sie ihn aufgrund von Erbstreitigkeiten belaste. Die Staatsanwaltschaft sprach sich nach Vernehmung aller Zeugen für eine Freiheitstrafe von zwei Jahren und acht Monaten aus. Dem Angeklagten zur Last gelegt werden müsse, dass ein Erbstreit klar widerlegt werden konnte, er das familiäre Vertrauensverhältnis zu seiner Nichte ausgenutzt habe und diese zu den Tatzeitpunkten sehr jung gewesen sein. Die Verteidigung hingegen forderte einen Freispruch für den Angeklagten, weil Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Geschädigten bestanden. Man könne dem Angeklagten die Taten nicht zweifelsfrei nachweisen und die Aussage des Opfers vor Gericht sei zu keiner Zeit konstant gewesen.
Das Jugendschöffengericht zog sich zur Urteilsfindung zurück und stimmte dabei mit dem gestellten Strafantrag der Staatsanwaltschaft überein. Zu klären war zunächst noch, ob der Attendorner nach Jugendstrafrecht verurteilt wird, weil er zum Zeitpunkt der ersten Tat mit 19 Jahren noch als Heranwachsender galt. Das Gericht entschied sich allerdings dagegen, weil er während des späteren Übergriffs bereits über 21 und damit erwachsen war. Der Attendorner wurde schließlich wegen des sexuellen Missbrauchs in zwei Fällen zu einer Freiheitsstraße von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt, die dementsprechend nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wird.
Der Angeklagte hat eine Woche Zeit, das Urteil des Jugendschöffengerichts anzufechten.