Attendorn. Hermann Hundt erlebt in jungen Jahren in Attendorn Unglaubliches. Er wagt einen Blick zurück, in die dunkelsten Zeiten der Hansestadt.

„Recherchen“, so heißt das frisch gedruckte Heimatbuch des gebürtigen Attendorners Hermann Hundt. Das Nachschlagewerk umfasst zwölf Kapitel mit Aufsätzen zu Stadtgeschichte und Landeskunde, dazu viele Abbildungen. Insgesamt befinden sich auf 292 Seiten 112 Inhalte. Das Buch ist eine Fundgrube in Sachen Heimatgeschichte. Die Neuerscheinung ist ein Querschnitt der jetzt 50-jährigen schriftstellerischen Tätigkeit des mittlerweile 78-jährigen Autors – und vor allem eine Geschichte rund um einen Friedhof fällt ins Auge.

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Als Hermann Hundt aufwuchs, war Attendorn nach den schweren Bombenangriffen im Wiederaufbau. Dazu stellte er fest: „Das Neue, das Moderne war das angesagt Bessere, das Bestehende, das ‚Altmodische‘ das angesagt Schlechte.“ Einige Ereignisse in seinem Leben kann er nicht vergessen, so schildert der 78-Jährige unverblümt, was mit dem Hospitalfriedhof (das ist der ehemalige Friedhof an der Hospitalkirche) in den 1950er/60er-Jahren geschah, das war für ihn – derb westfälisch formuliert – eine „Sauerei“. Er schilderte, dass das „Thema bisher sauber unter den Teppich gekehrt“ wurde und niemand darüber sprach. „Da widmet doch die Stadt Attendorn unter dem damaligen Stadtdirektor Dr. Weber einen Friedhof um zu Industriegelände. Einen Friedhof, den die Katholische Pfarrgemeinde, das Vorhaben überblickend, ihr vorher übertragen hatte.“

Durch Arbeiter in der kleinen Bierstube des Café Hundt erzählt, bekam Hermann Hundt Wind von der Auflösung dieses Friedhofs und sah, als er dorthin geeilt war, schier Unglaubliches: „Ein Bagger räumte gerade eine Knochengrube in der Nordost-Ecke des alten Friedhofs mit seinem Tieflöffel aus und verlud das Gebein auf einen Lkw.“ Der Sprengmeister erzählte später, dass „beim Aushub diverse Totenköpfe aus der Baggerschaufel zur Erde fielen und umherrollten“.  Das Ganze sei auf einen Dreieinhalbtonner geladen und weggefahren worden. Der Sprengmeister habe schnell das Weite gesucht, um das Szenario nicht länger mitansehen zu müssen. Der Aushub wurde übrigens vorgenommen, um einen geräumigen Öltank dort unterzubringen. Heute gibt es in der Stadt Attendorn drei Friedhöfe (Waldfriedhof Hahnbeul sowie die Friedhöfe an der Windhauser und der St.-Ursula-Straße).  Aufgrund dieser Vorkommnisse schreibt Hermann Hundt in seinem Buch: „Es bleibt zu hoffen, dass das Auflassen des ehemaligen katholischen Friedhofs an der Windhauser Straße einmal in würdiger Form erfolgt und dass die Totenruhe unserer Eltern und Großeltern dauerhaft nicht gestört wird.“

Nach 50 Jahren schriftstellerischer Tätigkeit gibt Hermann Hundt das Buch Recherchen heraus
Die Südseite der Hospitalkirche aus heutiger Sicht. Im Vordergrund der Parkplatz und rechts das Verwaltungsgebäude.  © Meinolf Lüttecke | Meinolf Lüttecke

Angefangen hat alles mit dem Aufsatz „Gertmanns Haus in Attendorn abgerissen“, erstellt im Jahre 1974. Im Vorwort macht der Autor deutlich, dass das Schreiben besonders Freude macht, wenn „das behandelte Thema mir emotional möglichst nahe ist“. Im Haus Wasserstraße 13 aufgewachsen, bekam der junge Hermann im Café Hundt, das ab 1950 von seinen Eltern Otto und Erika Hundt in dritter Generation geführt wurde, das Attendorner Brauchtum im Jahreskreis hautnah mit. Und diese teils einmaligen Traditionen finden sich im Buch in seinen Gedanken und Worten wieder.

Weitere Themen

Für das Vorwort konnte der Autor Prof. Dr. Markus Köster, einen ebenfalls gebürtigen Attendorner und deutschen Historiker, gewinnen. Er leitet seit 2002 das LWL-Medienzentrum für Westfalen und ist Honorarprofessor am Historischen Seminar der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er schreibt zum Beispiel: „Schon ein Blick in das Themenkapitel des Inhaltsverzeichnisses zeigt, wie breit das Interesse von Hundt gelagert ist und wie souverän er sich durch die vielhundertjährige Geschichte der Stadt Attendorn bewegt.“

Nach 50 Jahren schriftstellerscher Tätigkeit gibt Hermann Hundt das Buch Recherchen heraus
Autor Hermann Hundt mit seinem soeben erschienenen Buch „Recherchen“.  © Meinolf Lüttecke | Meinolf Lüttecke

Zu den 112 Aufsätzen gehört auch das Novum, dass der Heimatverein im Jahre 1978 auf die Straße ging, um den Bebauungsplan „Schüldernhof“ zu stoppen. Der Verein für Orts- und Heimatkunde verteilte im April 1978 insgesamt 1200 gelbe Flugblätter. Hundt, der damals Vorsitzender des Heimatvereins war, stellte dann mit Genugtuung fest: „Wie wir wissen, ist der Bebauungsplan endlich zurückgezogen worden. Hoffentlich haben wir ein bisschen dazu beigetragen.“ Nicht nur Themen aus Attendorn wurden aufgegriffen: zum Beispiel aus Lenhausen/Elspe/Schönholthausen „Zwei jüdische Schuldverschreibungen von 1792/1793“ oder „Olpe ‚heiligt‘ 1776 ‚die beglückte Jahrfolge‘ des Kurfürsten Maximilian Friedrich“, und aus Biekhofens dunkelster Zeit: „Zauberer Nielies von Biekhofen“. Einen Beitrag über die reich verzierte Glocke des Dirick von Köln, die im Turm der Heldener Pfarrkirche seit 1560 läutet, bereichert das Buch. Helden hat noch zwei weitere alte Glocken von 1515 und 1531.

Steckbrief

Hermann Hundt wuchs in der Wasserstraße 13 auf. Seine Eltern führte das Café Hundt, in dem 150 Gäste bewirtet werden konnten. Im Jahre 1971 machte Hermann Hundt die Meisterprüfung als Konditor in Köln.  Im gleichen Jahr heiratete er Adelheid Hoffmann. Zur Familie gehören heute drei Kinder und sieben Enkelkinder. Hermann Hundt sattelt nachher um und begann ein Lehramtsstudium für Geschichte und Geographie an der Uni in Siegen. Von 1979 bis 1986 unterrichtete er an der Gemeinschaftshauptschule in Attendorn, anschließend acht Jahre als Lehrer an der Sonnenschule. An der Sonnenschule war er außerdem zwei Jahre Konrektor und zwölf Jahre Rektor, bevor er im Jahre 2008 in Pension ging. Mitte der 1970-er Jahre war der Attendorner fünf Jahre Vorsitzender des Vereins für Orts- und Heimatkunde und im Kulturring sowie dem Förderverein des Südsauerlandmuseums war er langjähriger Vorsitzender.  „Recherchen“ gibt es ab sofort bei den Buchhandlungen Frey und Hintermeier. Den Druck besorgte Frey Print + Media in Attendorn. Das Werk erscheint im Eigenverlag und wird gefördert von der LWL-Kulturabteilung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe.   

Bereits im Ersten Weltkrieg hatten die Heldener Glück, dass die Glocken nicht zum Einschmelzen gingen, denn Dechant Sauer konnte die Beschlagnahme mithilfe eines geräucherten Schinkens gerade noch verhindern. Doch im Zweiten Weltkrieg wurden die beiden größten Glocken am 1. Juli 1942 vom Turm geworfen und zum Bahnhof nach Attendorn gebracht. Sie kamen dann in das Materiallager „Glockenfriedhof“ nach Hamburg. Die Glocken überstanden unversehrt den Krieg und läuteten erstmals im Jahre 1947 das Fest Mariä Himmelfahrt ein.

Nach 50 Jahren schriftstellerischer Tätigkeit gibt Hermann Hundt das Buch Recherchen heraus
Das Vorwort im neuen Buch schrieb der Chef des LWL-Medienzentrums für Westfalen, Prof. Dr. Markus Köster. Unser Bild entstand in diesem Jahr beim Kreuzaufstellen am Ostersonntag bei der Waterpoote.  © Meinolf Lüttecke | Meinolf Lüttecke

Über das Leben der am 4. Mai 1880 in Attendorn geborenen Therese Klewes, die als Schwester Felicis in Südamerika wirkte und 1963 in Uruguay starb, widmet der Autor vier Seiten.  Seine Frau Adelheid beteiligte sich mit einem Bericht über „Fronleichnam in der Ennester Pote“.