Kruberg. Auf einer Weide in Kruberg werden zwei Rinder erschossen. Keiner will es gewesen sein, alle Zeugen schweigen. Jetzt kommt Bewegung in den Fall.

Wie konnte dieser besondere „Jagdunfall“ überhaupt passieren und wird der Schütze jemals zur Rechenschaft gezogen? Diese Fragen treiben auch fünf Monate nach tödlichen Schüssen auf zwei tragende Rinder in Kruberg viele Bürger und vor allem die Jägerschaft im Kreis Olpe um. Ein Mann hatte die beiden Rindviecher angeblich für Wildschweine gehalten und abgedrückt. Viele Fragen sind bis heute offen. Lange sah es so aus, als ob die ganze Sache im Sande verlaufen würde und sich niemand für die Tötung der Tiere verantworten muss. Doch jetzt gibt es einen Tatverdächtigen. Das teilte Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss auf Anfrage unserer Zeitung mit.

In der Nacht zu Sonntag, 26. Mai, wird der Kruberger Landwirt Joachim Keseberg nachts um 4 Uhr aus dem Schlaf geklingelt. Zwei Männer stehen vor der Tür, der Jagdpächter der Kruberger Jagd, wohnhaft am Niederrhein, und sein in Rahrbach wohnender Jagdaufseher. Sie beichten dem Landwirt, dass gegen 3 Uhr im Kruberger Weidekamp versehentlich zwei seiner Rinder erschossen wurden. Der Schütze sei „völlig fertig“, er habe die Tiere in der Dunkelheit mit Wildschweinen verwechselt. Der Jagdpächter habe erklärt, dass er natürlich für den Schaden aufkommen werde, so der Landwirt. Keseberg fuhr mit seiner Tochter und den beiden Jägern in den Weidekamp zu den toten Tieren. „Die Rinder waren beide 20 Monate alt und beide tragend, eins war von zwei Kugeln, das zweite Rind von einer Kugel im Schulterbereich getroffen worden“, erklärt der Landwirt im Gespräch mit unserer Zeitung.

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Keseberg transportierte die toten Tiere auf seinen Hof. Um 8 Uhr in der Früh tauchte der Jagdpächter, der vor zwei Jahren die Kirchenjagd in Rahrbach/Kruberg und ab 1. April dieses Jahres zusätzlich die Jagd, zu dem der Kruberger Weidekamp gehört, gepachtet hatte, zusammen mit dem Jagdaufseher ein zweites Mal auf Kesebergs Hof auf. Er fragte den Landwirt, ob man die Sache nicht anders regeln könne. „Ich sollte die Rinder einfach abmelden und verschwinden lassen“, so der 61-Jährige. Er lehnte diese illegale Vertuschung ab und fragte die Jäger nach dem Namen des Schützen. Diesen wollten die Jäger aber nicht preisgeben.

Der geschädigte Landwirt kann über den gesamten Vorfall auch heute nur den Kopf schütteln. „Man schießt nicht in eine umzäunte Weide, man muss doch damit rechnen, dass dort Tiere sind“, sagt er. Außerdem sei die Sicht in besagter Nacht gut gewesen. „Das war Fleckvieh mit weißen Köpfen“, sagt er.  Dass die Tiere erst in der Nacht um 3 Uhr getötet wurden, zweifelt der Kruberger ebenfalls an: „Die Kadaver waren schon aufgebläht und kalt, die waren schon länger tot, das hat der Veterinär mir bestätigt.“

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Keseberg schaltete noch am gleichen Tag die Polizei ein, die schnell vor Ort war. Ob der Fall jemals aufgeklärt wird und es zu einer Anklage kommt, hängt davon ab, ob der Schütze zweifelsfrei ermittelt werden kann. Die Ermittlungen verliefen bisher sehr zäh. Laut Staatsanwaltschaft weigerten sich die Hauptzeugen, der Jagdpächter und der Jagdaufseher, den Namen des Schützen zu nennen – ohne Täter kein Richter.  Weitere Beweismittel wurden nach Informationen unserer Zeitung nicht gesichert. So verzichtete die Polizei offenbar darauf, die Projektile zu sichern. Damit hätte man möglicherweise über einen sogenannten Verfeuerungsnachweis die Waffe, aus der die Schüsse abgeben wurden, ermitteln können. „Ich habe mehrmals darauf hingewiesen“, so der Landwirt. Die Kreispolizeibehörde in Olpe teilte mit, dass sie zu diesem Sachverhalt derzeit keine Auskunft geben könne, weil es sich um ein laufendes Verfahren handele.

Nun hat die Staatsanwaltschaft offenbar einen Tatverdächtigen im Visier. Wer diese Person ist und warum der Verdacht auf ihn fiel, ist noch nicht bekannt. Man warte auf die Einlassung des Beschuldigten, „die Ermittlungen dauern an“, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Der Jagdpächter wollte sich auf telefonische Anfrage unserer Zeitung zu dem Sachverhalt derzeit nicht äußern.

Sollte der Schütze ermittelt werden, kommt eine Straftat nach dem Tierschutz- oder nach dem Waffengesetz in Frage. „Wenn es ein Jäger war, ist zu prüfen, ob er einen Verstoß gegen das Jagdrecht begangen hat. Eine Kuh ist kein jagdbares Wild.“ Hat der Schütze die Rinder für ein Wildschwein gehalten, sei die Frage zu klären, ob er möglicherweise Schüsse auf Ziele abgegeben hat, die er nicht eindeutig identifizieren konnte. „Das ist so mit das Schlimmste, was ein Jäger tun kann. Dann wäre über einen Entzug des Jagdscheins ebenfalls nachzudenken“, so Oberstaatsanwalt von Grotthuss, der selbst den Jagdschein besitzt. Sollte der Schütze nicht ermittelt werden, kann Landwirt Joachim Keseberg nur hoffen, dass ihm zumindest der wirtschaftliche Schaden, mehr als 7000 Euro, durch den Jagdpächter ersetzt wird. Dieser habe sich nach dem zweiten Besuch auf seinem Hof bisher nicht mehr gemeldet. Der Frust und der Ärger über diesen besonderen „Jagdunfall“ werden bleiben.