Kreis Olpe. Nils Lüke ist Suchtberater bei Caritas-Aufwind im Kreis Olpe und hilft nicht nur abhängigen Menschen. Das rät er Betroffenen und Angehörigen.
Auch im Kreis Olpe leiden immer mehr Menschen an einer Suchterkrankung. In den meisten Fällen handelt es sich bei den Betroffenen um eine Abhängigkeit von Alkohol. Obwohl es mit der Suchtberatung bei Caritas-Aufwind eine von vielen Anlaufstellen gibt, scheuen immer noch viele Menschen, sich ihre Abhängigkeit einzugestehen und Hilfe zu holen. Im Gespräch erklärt Nils Lüke, der seit 14 Jahren in der Suchtberatung im Kreis Olpe tätig ist, wie wichtig eine Unterstützung von Betroffenen ist.
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Herr Lüke, welche Menschen kommen überhaupt zu Ihnen in die Suchtberatung?
Menschen, die im Kreis Olpe leben, im Alter von etwa 15 bis über 70 Jahren und das bunt gemischt von der beruflichen Qualifikation her. Von alleinstehenden Menschen, über Familien, bis hin zu Schülern.
Wann bin ich abhängig?
Es gibt sechs Leitsymptome, innerhalb der letzten 12 Monate und wenn davon drei zutreffend sind, dann würde ein Mediziner eine Abhängigkeit diagnostizieren. Dazu gehören: der Kontrollverlust (wann trinke ich, wie viel trinke ich und wann höre ich auf), Vernachlässigung anderer Interessen (wie Hobbys) zugunsten des Substanzkonsums (Beispielsweise immer Vorräte dazuhaben oder möglichst häufig in die Spielothek zu gehen), anhaltender Konsum trotz des Nachweises eindeutiger Folgen (z.B. Führerschein- oder Jobverlust und psychische oder körperliche Folgen), Toleranzentwicklung (man muss den Konsum immer mehr steigern, bis beispielsweise ein gewünschtes Gefühl einsetzt), körperliche Entzugssymptome (bei Alkohol sind das zum Beispiel Zittern, Nervosität, Schlafstörungen), starker Konsumdrang (wenn die Menschen ständig daran denken, wie beispielsweise: gleich ist Feierabend und dann gibt es ein paar Flaschen Bier).
Bei drei dieser Leitsymptome ist bei vielen Menschen im Kreis Olpe dann aber recht schnell Alarmstufe Rot erreicht?
Die Diagnose Abhängigkeit kann sich eigentlich nur der Betroffene selbst stellen. Wir sind ja auch auf die Ehrlichkeit angewiesen und viele Menschen gestehen sich eine gewisse Abhängigkeit erst gar nicht ein.
Wie erklären Sie sich das?
Das können individuelle Gründe sein, wie ein Schamgefühl oder der Druck, etwas ändern zu müssen. Viele Betroffene wissen über ihr Problem Bescheid, haben aber Angst etwas zu ändern, weil der Konsum den Menschen in der Regel ja erstmal etwas Gutes getan hat. Das Feierabendbier nach einem stressigen Arbeitstag wird dann als Belohnung zur Entspannung gesehen. Viele nutzen das Konsummittel auch als Vehikel, ihre Bedürfnisse zu erfüllen und würden ein Problem damit haben, wenn sie es weglassen, weil sie es nutzen um ihre Gefühle zu betäuben.
An welchen Suchterkrankungen leiden die Menschen, die Sie aufsuchen?
Nicht alle leiden direkt an einer Suchterkrankung, sondern viele Menschen suchen uns auf und fragen, ob sie ein Suchtproblem haben, wie es sich mit ihrem Alkoholkonsum verhält oder ein Familienmitglied meint, dass man sich Unterstützung holen solle. Wir betreuen viele Menschen, bei denen die Diagnose ‚Abhängigkeit‘ schon stehen würde, aber es gibt auch viele Menschen, bei denen der Konsum im missbräuchlichen Bereich liegt.
Welches ist die Nummer-1-Droge im Kreis Olpe?
Der Alkohol ist seit Jahrzehnten oben in der Statistik der Suchtberatung, gefolgt von Opioiden und Cannabis auf Platz 3. Wer natürlich nicht zu uns kommt, sind die Nikotinabhängigen im Kreis Olpe.
Wie viele Menschen betreuen Sie aufs Jahr gesehen in der Aufwind-Suchtberatung im Kreis Olpe?
Im vergangenen Jahr haben wir 420 Betroffene betreut, mit verschiedenen Abhängigkeiten, wie Alkohol, Drogen oder Spielsucht. Wir betreuen aber auch die Angehörigen im Rahmen von telefonischen Sprechstunden und einem Gruppenangebot.
Kommen Betroffene von sich aus oder spielen andere Faktoren eine Rolle?
Es kommen welche, die sich selbst bei uns melden, aber ebenso viele, die einen Anstoß bekommen haben, beispielsweise aus dem familiären Bereich. Aber auch seitens des Arbeitgebers. Dann steht häufig ein gewisser Druck dahinter, weil dieser oftmals eine Terminbestätigung anfordert. Einige kommen auch mit einer gerichtlichen Auflage, wenn Straftaten mit einem Drogendelikt oder einer Alkoholthematik verknüpft sind oder zur Bewährungsauflage gehört.
Was passiert in der Suchtberatung, wenn Menschen den ersten Schritt wagen und zu Ihnen in die Beratungsstelle kommen?
Als Erstes sollten sie einen Termin vereinbaren und dann kommen sie zu einem vertraulichen Gespräch in eines unserer Büros. Wir arbeiten ziel offen mit den Betroffenen. Der Mensch, der uns gegenübersitzt, gibt uns vor, was möchte er. Und je nach Person ist zum Beispiel auch ein kontrollierter Umgang mit Alkohol möglich. Das öffnet vielen Menschen die Türe, eben nicht zu hören, dass man komplett verzichten muss. Es gibt dafür auch eine Gruppe „Weniger Alkohol trinken“, die sich an Betroffene richtet, die nicht verzichten, aber ihren Konsum deutlich herunterschrauben wollen.
Kontakt für Hilfesuchende
Kontaktaufnahme für Hilfesuchende über die Homepage mit den Mitarbeitern der Suchtberatung der Caritas, Aufwind unter: www.caritas-olpe.de/hilfe-beratung/suchtberatung
Wie sehen Sie der Legalisierung von Cannabis seitens der Suchtberatung entgegen?
Ich bin Pro Legalisierung und Pro Entkriminalisierung eingestellt, weil man damit einen guten Konsumentenschutz erreichen kann. Auch die Justiz und Polizei würde das entlasten. Ich sehe viele Vorteile für unsere Klienten.
Keine Sorgen, dass die Legalisierung nicht auch anderen Menschen die Türen öffnet, die sonst nicht damit in Kontakt gekommen wären?
Natürlich gab es Menschen, die durch die Illegalität abgeschreckt waren, diesen Effekt kann es haben und man sollte den Konsum auch nicht verharmlosen. Cannabis ist keine risikofreie Droge und hat Auswirkungen auf die Psyche. Ich hätte mir ein höheres Einstiegsalter gewünscht, weil sich der Reifeprozess des menschlichen Gehirns bis Anfang 20 entwickelt. Und eine psychoaktive Substanz wie Cannabis greift dort natürlich ein. Auch hier gibt es die zwei Medaillenseiten: die Menschen, die einen kontrollierten Umgang neben Familie und Beruf finden und eben die anderen, die davon abhängig werden und psychische Erkrankungen vom Cannabis-Konsum bekommen.
Wird durch die einfachere Verfügbarkeit, auch durch den Eigenanbau, nicht der Konsum gerade bei jüngeren Menschen gefördert und sollte nicht mehr Augenmerk auf eine gute Prävention im Kreis gerichtet werden?
Für Jugendliche unter 18 Jahre ist der Konsum von Cannabis weiterhin verboten. Natürlich kann durch häufigen Konsum zum Beispiel bei jungen Erwachsenen auch bei Cannabis eine schnelle Abhängigkeit entwickelt werden. Wir würden uns seitens des Kreises Olpe mehr Unterstützung wünschen, im Bereich Prävention wünschen. Aber dafür sind die Mittel anscheinend nicht da.
Wird die Suchtberatung von vielen Menschen auch als Tabuthema angesehen?
Allein der Name ‚Suchtberatung‘ ist für die meisten irreführend. Man muss gar nicht süchtig oder abhängig sein, um sich bei uns Unterstützung zu holen. Bei vielen Menschen würde es viel verhindern können, wenn sie die Chance bekommen würden, ihr eigenes Konsumverhalten zu reflektieren und eben nicht zehn Bier, sondern am Wochenende nur drei Bier trinken würden. Und auch die Akzeptanz – gerade jungen Erwachsenen gegenüber, die einfach nichts trinken möchten, sollte viel mehr in den Fokus gestellt werden. Oftmals besteht ein Zwang und wenn jemand nichts trinken möchte, sollte das jeder in Ordnung finden.
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Was empfehlen Sie Menschen, die im Freundeskreis mitbekommen, dass dort jemand ständig über die Stränge schlägt und ein offensichtliches Problem mit Alkohol hat?
Ich empfehle, die Person anzusprechen und die eigenen Beobachtungen und Gefühle zu schildern. Der Hinweis, dass man sich sorgt und die Möglichkeit anzubieten beim Aufsuchen von Suchtberatungsstellen im Kreis Olpe mitzugehen, können der betroffenen Person durchaus helfen. Und selbst, wenn die Person in dem Moment sagt, du spinnst, da ist doch gar nichts, ist es ein Hinweis, der im Kopf bleibt. Wie meine Kollegin Frau Stamm gerne schildert: Es ist wie ein Krug, der sich durch jede Rückmeldung langsam füllt, bis er überläuft und irgendwann läppert es sich und die Person holt sich dann doch Unterstützung.
Steckbrief Nils Lüke
Steckbrief: Nils Lüke ist 50 Jahre alt und kommt aus Gerlingen. Er ist verheiratet, hat einen 16-jährigen Sohn und ist gelernter Sozialarbeiter. In der Suchtberatung von Caritas-Aufwind ist er seit 14 Jahren tätig, mit Bürositz in Attendorn.
Kurz & Knapp
Kurz & Knapp:
Kaffee oder Tee? Kaffee
Berge oder Meer? Berge
Buch oder Kindle? Buch
Schalke oder Dortmund? Bochum