Olpe/Wenden. Kritik: Dr. Martin Junker sieht in der Verblisterung von Medikamenten eine Gefahr für Senioren in Pflegeheimen. Das sagt die Olper Kreisverwaltung.
Es war Dr. Martin Junker, der in der vorausgegangenen Sitzung der Kommunalen Konferenz für Gesundheit, Alter und Pflege im Kreis Olpe ein Thema aufs Tapet holte, das vielen im Saal bislang neu war: die „Verblisterung von Medikamenten für Bewohner in stationären Pflegeheimen“. Hinter dem Begriff „Verblistern“ verbirgt sich eigentlich nur das Verpacken von Tabletten in die bekannten Durchdrück-Verpackungen. Doch das, was Junker ansprach, ist etwas anderes: das Wiederverpacken der für einen bestimmten Patienten individuell zusammengestellten Tabletten, sodass das Personal in Pflegeheimen fertig konfektionierte Medikamenten-Blister bekommt und diese nur noch zu den vorgegebenen Zeiten an die Patienten verabreichen muss. Doch Hausarzt Junker, der in der Konferenz als Vertreter der Ärzteschaft sitzt, sieht darin eine regelrechte Gesundheitsgefahr.
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In der Konferenz berichtete er, ein Pflegeheim in Olpe und eines in Wenden seien zu diesem System übergegangen. Eine Apotheke aus Neunkirchen übernehme die Medikamentenverteilung und erstelle die auf die jeweiligen Patienten zugeschnittenen Blister-Verpackungen. „Das Problem, was wir seit über einem Jahr begleitend geschildert haben: Das Pflegepersonal hat keinen Einblick mehr, was die Menschen nehmen. Das sind dann nur noch gelbe, grüne oder weiße Pillen, es gibt keine Packung, für das Personal sind die Medikamente nicht zu identifizieren.“
Und das führe zu Problemen: „Wenn ich als Hausarzt an einem Freitagmittag sage ,Geben Sie mal übers Wochenende eine halbe Entwässerungstablette mehr‘, dann geht das nicht. Da müsste dann ein neuer Medikationsplan her, der muss übermittelt werden, aber eine Verordnung von Freitag wird erst montags übernommen.“ Er sei überzeugt, so Junker, dass eine generelle Verblisterung nicht statthaft sei, „nur in besonderen und begründeten Einzelfällen, zum Beispiel wenn es Angehörige nicht anders schaffen.“ Die Entlastung von Pflegepersonal indes sei keine ausreichende Begründung.
„Das ist eine Verschlechterung der Patientenversorgung.“
In einer gemeinsamen Sitzung mit Heimaufsicht und dem Amtsapotheker hätten die niedergelassenen Ärzte unisono erklärt, „dass wir das nicht akzeptieren. Es ist aber weiter da. Das ist eine Verschlechterung der Patientenversorgung“. Michael Färber, zuständiger Fachbereichsleiter der Kreisverwaltung, widersprach Junker: „Wir haben das zum Anlass genommen, zu prüfen, wie es abläuft. Die Bewohner haben ein Wahlrecht, und sechs Personen haben sich darauf eingelassen, bei diesen funktioniert es, wir sehen keine Notwendigkeit, als Heimaufsicht steuernd einzugreifen.“ Junker drohte: „Dann bereiten Sie sich auf die möglichen Konsequenzen vor.“ Christoph Becker, Chef des Caritasverbands im Kreis Olpe, der mehrere Altenheime betreibt, zeigte sich überrascht, insbesondere, weil Junkers Ausführungen „viele Untertöne enthalten“, die geklärt werden sollten. Er forderte eine „ausgewogenere Beurteilung“. Und auch Hiltrud Ochel von den Grünen, ausgebildete Krankenschwester, fand: „Das hätte ich schon mal gern behandelt.“
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Und daher stand das Thema ausführlich auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung der Kommunalen Gesundheitskonferenz. In einer ausführlichen Informationsvorlage wies die Kreisverwaltung als zuständige Heimaufsicht die Vorwürfe Junkers aus der vorangegangenen Sitzung deutlich zurück. Unter anderem heißt es in dem Papier: „Aktuell wird seit dem 1. 3. 2024 bzw. 1. 4. 2024 in zwei Pflegeeinrichtungen innerhalb des Kreises Olpe das Verfahren der Verblistung als Pilotprojekt angewandt.“ Die Medikamentenbehälter seien sorgfältig mit allen relevanten Daten beschriftet. „Derzeit werden alle Blister noch vom Fachpersonal der Pflegeeinrichtung gegengeprüft. Dem Fachpersonal liegt hierfür zu jedem Bewohner ein Datenblatt vor, wonach auch über einen Fotoabgleich die Korrektheit der verblisterten Medikamente überprüft werden kann und wird. Darüber hinaus stehen die Beipackzettel zu jedem Arzneimittel digital zur Verfügung.“
„Auf notwendige kurzfristige Änderungen bei der Medikation kann adäquat reagiert werden.“
Beide Einrichtungen seien kürzlich sowohl durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen als auch durch die WTG-Behörde des Kreises Olpe (WTG=Wohn- und Teilhabegesetz, früher: Heimaufsicht) mängelfrei überprüft worden. „Auf notwendige kurzfristige Änderungen bei der Medikation kann, wie bisher auch, durch den Bezug des Arzneimittels bei einer ortsansässigen Apotheke adäquat reagiert werden.“ Ein großer Vorteil der Verblistung von Medikamenten sei, dass das manuelle Stellen der Medikamente durch das Pflegepersonal in der Einrichtung entfalle und die hierdurch gewonnene Zeit den Bewohnern unmittelbar zugute komme. „Alle befragten Mitarbeiter der am Pilotprojekt beteiligten Einrichtungen bestätigen diese Entlastung.“
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Eine Studie komme darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass bei der patientenindividuellen Verblisterung eine hochsignifikante Verringerung der Fehlerhäufigkeit bei den Stellvorgängen außerhalb der Pflegeeinrichtung bestehe. „Zusammengefasst ist die Verblisterung von Medikamenten unter Einhaltung aller gesetzlichen sowie organisatorischen Vorgaben geeignet, das Wohlbefinden der Bewohner in Pflegeeinrichtungen durch den Mehrgewinn an Zeit für die Pflege, zu steigern. Auch sind keine Gefährdungen oder Risiken für die Gesundheit der Bewohner, bei korrekter Anwendung des Verfahrens der Verblisterung, erkennbar“, weist die Kreisverwaltung alle Vorwürfe aus der vergangenen Sitzung energisch zurück. In der jüngsten Sitzung der Konferenz, in der die Informationsvorlage auf der Tagesordnung stand, war das Thema in Minutenschnelle abgehakt; offensichtlich gab der Kreis erschöpfend genug Auskunft. Michael Färber erklärte ergänzend, dass der Kreis als WTG-Behörde das Thema und insbesondere die Betroffenen im Blick halten werde.