Olpe/Altenhundem. GFO-Vertreter nehmen im Kreistag Stellung zur Lage der Krankenhaussituation. Dabei wurde klar: Es geht um viel mehr als die Geburtshilfe.

Das war eine Kreistagssitzung, die selbst altgedienten Kommunalpolitikern und den Zuhörern unter die Haut gegangen sein dürfte. Es gab im Prinzip nicht einmal etwas zu entscheiden, als Landrat Theo Melcher am Montagabend die Sitzung eröffnete, und doch entwickelte sich ein Schlagabtausch, der an Ernsthaftigkeit, Intensität und Tiefe nicht oft vorkommt. Aus einer Resolution der SPD-Fraktion für den Erhalt der Geburtshilfe im Altenhundemer St.-Josefs-Hospital war eine Einladung des Landrats an die Gemeinnützige Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe (GFO) erwachsen: Angesichts der Pläne des Krankenhausträgers insbesondere für den Krankenhausstandort Altenhundem sollte der Kreistag die Gelegenheit haben, unmittelbar informiert zu werden und Fragen zu stellen. Und das fand in einer derartigen Weise statt, dass der Fraktionschef der CDU, Wolfgang Hesse, mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung konstatierte, dies sei eine Sternstunde des Kreistags gewesen.

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Dabei war das Gehörte alles, nur kein Anlass zur Freude. Ingo Morell ist Geschäftsführer der Maria-Theresia-Bonzel-Stiftung Olpe (Haupteigentümerin der GFO) und Teil der Geschäftsleitung der GFO, zudem Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft, dem Interessen- und Dachverband von Spitzen- und Landesverbänden der deutschen Krankenhausträger. Ergo ein Mann, der weiß, wovon er spricht, wenn er über die Lage der Krankenhäuser referiert. Und er machte in schmerzhafter Deutlichkeit klar: Über die Geburtshilfe am Lennestädter Krankenhaus geht es längst nicht mehr. Morell fasste griffig und ohne Umwege zusammen, was in der Öffentlichkeit offenbar noch nicht oder nicht in der nötigen Deutlichkeit angekommen war, obwohl vieles davon bereits kommuniziert wurde.

„Wir sind frei und gemeinnützig und haben unsere Rücklagen aufgebraucht.“

Ingo Morell
Geschäftsleitung GFO

Der Standort im Lennestädter Zentralort Altenhundem sei schon defizitär gewesen, als die seinerzeitige Katholische Hospitalgesellschaft Südwestfalen ihn übernommen habe, und bislang sei er stets durch das Krankenhaus Olpe quersubventioniert worden. Doch nun mache auch Olpe Verluste, und Ziel der GFO sei es, im Kreis Olpe wenigstens eine Geburtshilfe zu erhalten. Die mangelnden Gelder seien aber nur ein Problem: Selbst wenn plötzlich die Finanzierung sichergestellt wäre, dann fehle Fachpersonal, und das sei schlicht nicht zu ändern. Denn es gehe dabei ja nicht nur um die reine Geburtshilfe, sondern andere Abteilungen, die ebenfalls bereitgehalten werden müssten, um eine Geburtshilfe vorhalten zu dürfen. Er machte klar: „Wir sind frei und gemeinnützig und haben unsere Rücklagen aufgebraucht. Der Orden hat noch nie Geld aus diesem Laden gezogen, wenn, dann wurde Geld ‘reingegeben.“

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In der anschließenden Fragerunde gab es überraschende Momente. So bot sich Sebastian Menn von der SPD an, der GFO gern zu erklären, wie man Personal akquiriere. Denn er halte das Argument mit fehlendem Fachpersonal für eine Ausrede. Das brachte Morell außer Fassung. „Den Satz werde ich gern mitnehmen und unserer Personalabteilung mitgeben.“ Es sei einfach so, dass ein Standort wie Lennestadt für junge Ärztinnen und Ärzte nicht attraktiv sei. Die GFO erlebe es an anderen Standorten; selbst in Bensberg, im „Speckgürtel“ von Köln, sei es schwer, Chirurgen für nächtliche Bereitschaftsdienste zu gewinnen. Auf Menns konkrete Frage nach dem Zuschussbedarf nannte er Zahlen: Der Standort Altenhundem habe die GFO im vergangenen Jahr 3,3 Millionen Euro Zuschuss gekostet, „Tendenz steigend“.

Das ist die GFO

Die Gemeinnützige Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe (GFO) ist Trägerin von Einrichtungen im Sozial- und Gesundheitswesen an rund 130 Standorten in Nordrhein-Westfalen und dem nördlichen Rheinland-Pfalz. Gegründet wurde sie im Jahr 1902 von der Ordensgründerin der Kongregation der Franziskanerinnen von der ewigen Anbetung zu Olpe, Mutter Maria Theresia Bonzel. Der Sitz der GFO befindet sich in Olpe, seit 2012 im Mutterhaus der Olper Franziskanerinnen. Die GFO beschäftigte Ende 2022 rund 12.340 Mitarbeiter. Sie unterhält mehr als 100 Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen und dem nördlichen Rheinland-Pfalz. Dazu gehören Krankenhäuser, Medizinische Versorgungszentren, Pflegeeinrichtungen, Hospize und Palliativversorgung, Kindergärten, Erziehungshilfen, die Olper St.-Franziskus-Schule mit Gymnasium und Realschule sowie Schulen für Gesundheitsberufe. Rückwirkend zum 1. Januar 2021 übernahm die GFO die Katholische Hospitalgesellschaft, zu der unter anderem die Krankenhausstandorte Olpe und Altenhundem gehören. Sie gehört zu 20 Prozent den Olper Franziskanerinnen und zu 80 Prozent der 1995 von den Schwestern gegründeten Maria-Theresia-Bonzel-Stiftung, die sicherstellen soll, dass die Arbeit der GFO im Sinne der Schwestern auch dann weitergeführt werden kann, wenn es den Orden einmal nicht mehr geben sollte.

Grünen-Fraktionschef Fred Hansen erklärte, der offenbar drohende Verlust des gesamten Krankenhausstandorts wäre eine schwere Schwächung des gesamten Ostkreises und darüber hinaus. Der öffentlich zugängliche Krankenhaussimulator zeige klar, dass der Verlust des Altenhundemer Krankenhauses für 35.500 Menschen eine schlechte Krankenhausversorgung bedeute. Morell gab Hansen recht: Es gehe längst nicht mehr nur um die Geburtshilfe, sondern „die komplette stationäre Versorgung am Standort Lennestadt.“ Doch das sei der GFO ebenso klar wie allen übrigen Beteiligten, und es werde alles Mögliche getan: „Wir wollen den medizinischen Standort erhalten, deshalb müssen wir neue Wege gehen und dabei sehen, die Geburtshilfe in Olpe zu erhalten.“

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CDU-Fraktionschef Hesse zeigte sich ob Sebastian Menns Redebeitrag regelrecht erzürnt: „Wenn ein Jung-Kreistagsabgeordneter einem Träger nassforsch erklärt, wie man Personal rekrutiert, dann ist das der Klassenstreber, der was besser weiß.“ Er wunderte sich: „Als Attendorn die Geburtshilfe geschlossen hat, habe ich nichts gehört.“ Ein gewinnorientierter Träger dürfe offenbar „machen, was er will, und wenn die GFO anfängt, in Verantwortung ihrer Einrichtungen zu beschließen, dann kommt ein Aufschrei. Ich glaube nach wie vor, dass die GFO in Verantwortung für unseren ländlichen Raum agiert“.

Am Ende der Debatte regte Hesse an, die SPD-Resolution noch nicht zu verabschieden, sondern das Thema weiter auf der Tagesordnung zu belassen und im übernächsten Sitzungsblock erneut die GFO einzuladen, um den aktuellen Stand zu hören. Das bringe allen mehr als eine Resolution.

„Das kann ich so nicht stehenlassen. “

Ingo Morell
Geschäftsführer Maria-Theresia-Bonzel-Stiftung

Doch bevor darüber abgestimmt wurde, gab es einen erneuten Zusammenstoß zwischen SPD und GFO. Fraktionschef Bernd Banschkus hatte im Bundesanzeiger nachgesehen und dort einen Überschuss von 10 Millionen Euro nach 36 Millionen Euro Abschreibungen gefunden, „das heißt: bei einer gemeinnützigen GmbH bleiben 45 Millionen in der Kasse übrig. Da kann man doch im Verbund defizitäre Bereiche ausgleichen. Da muss man doch nicht jede kleine Abteilung als Profit-Center betrachten und sagen: Wir wollen Gewinne machen.“ Morell war kurz sprachlos, fing sich dann aber: „Das kann ich so nicht stehenlassen. Den Überschuss von 10 Millionen im Jahr 2022 bestreite ich doch gar nicht“, er habe aber doch kurz zuvor erklärt, dass die Rücklagen nun aufgezehrt seien, „uns hier darzustellen, als ob wir Millionen auf der hohen Kante hätten, da schwillt mir der Kamm“.

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Nach einer von der SPD beantragten Sitzungsunterbrechung blieb die Fraktion bei ihrem Antrag hinsichtlich der Resolution. Dieser wurde aber nicht zur Abstimmung gebracht, weil Hesses Vertagungs-Vorschlag bei Enthaltung von Grünen und Linken gegen die Stimmen der SPD mit großer Mehrheit von CDU, UWG, FDP und AfD angenommen wurde. Das Schlusswort sprach Landrat Melcher: Er sei bereits in intensiven Gesprächen mit Kassenärztlicher Vereinigung, GFO und anderen Akteuren „ich halte nichts davon, irgendwelche Konzepten oder Konstrukte zu verkünden, ich bin aber zuversichtlich, bis Jahresende etwas präsentieren zu können. Alle Verantwortlichen hier sind bemüht, eine Struktur aufzubauen, die eine Versorgung dieser 35.500 Einwohner sicherstellt.“