Bonzel. Mit 44 Jahren erblindet Oliver Schelle aus Bonzel vollständig. Wie Blindenführhund Lennon ihm im Alltag hilft und welche Rolle sein Job spielt.
„Lennon vom Schelle“ steht auf dem Namensschild vor dem Verwaltungsbüro der Straßenmeisterei Lennestadt. Dass sich dahinter kein Mitarbeiter verbirgt, lässt das kleine Foto auf dem Schild gleich erahnen. Und da sitzt er auch schon – mit seinem treuen Blick – neben seinem Herrchen: der niedliche, schokobraune Labrador Retriever mit seinen großen Kulleraugen. Lennon ist kein gewöhnlicher Hund. Er ist ein Blindenführhund und begleitet Oliver Schelle in seinem Alltag – auch zur Arbeit.
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„Lennon ist mein Auge. Ohne ihn wäre eine schnelle Fortbewegung für mich gar nicht möglich“, erklärt der 55-jährige Bonzeler, warum sein Blindenführhund seinen Alltag erleichtert. Schelle arbeitet seit seiner Ausbildung zum Straßenwärter beim Landesbetrieb Straßen NRW, in der Straßenmeisterei Lennestadt, in seinem Wohnort Bonzel. „Im kommenden Jahr feiere ich mein 40-jähriges Dienstjubiläum. Ich bin sehr dankbar dafür, was mir mein Arbeitgeber nach meiner Erkrankung alles ermöglicht hat“, weiß es Oliver Schelle zu schätzen.
Blindengerechter Arbeitsplatz
Dass er seinem Job trotz seiner Erblindung weiterhin nachgehen darf, verdankt er einer persönlichen Entscheidung, die er Anfang der Neunziger getroffen hat. Nach einer dreijährigen Weiterbildung als Verwaltungsangestellter, wechselte er in den Innendienst, wo er bis heute tätig ist. „Viele Berufe im Handwerk oder auch den des Straßenwärters, kannst du als Blinder gar nicht ausüben. Mein Arbeitgeber hat mir meinen Arbeitsplatz blindengerecht eingerichtet hat und unterstützt mich sehr.“
Erblindet ist der verheiratete Familienvater von drei erwachsenen Kindern erst vor elf Jahren. „Das war ein schleichender Prozess und ein Ärztemarathon, bis mir der Landesblindenarzt dann mitteilte, dass ich vollständig erblinden würde“, erinnert sich Oliver Schelle, wie sein Sehnerv zur damaligen Zeit seine Funktion immer mehr einstellte, bis er nur noch die Tageszeiten und somit Hell und Dunkel wahrnehmen konnte. Eine Ursache für diese Erkrankung wurde bis heute nicht gefunden, nur eine Vermutung, die der 55-Jährige selbst annimmt.
Hirnstammentzündung kostet Oliver Schelle fast das Leben
„Im Jahr 2008 bin ich dem Tod von der Schippe gesprungen und lag über drei Monate im künstlichen Koma“, berichtet Oliver Schelle rückblickend von einem anfangs angenommenen Magen-Darm-Infekt. „Wir waren mit der Familie in Bayern im Urlaub, wie fast jedes Jahr. Danach hat sich durch einen bakteriellen Infekt eine Hirnstammentzündung entwickelt, die mir fast das Leben gekostet hätte“, erzählt der 55-Jährige. Mit nur 60 Kilo musste er unter anderem das Laufen wieder neu erlernen und lag über neun Monate in verschiedenen Kliniken. „Vielleicht waren es die Campylobacter-Bakterien, die meinen Sehnerv haben absterben lassen.“
„Aufgeben? Das war für mich nie eine Option. Mein Motto lautet: jetzt erst recht. Meine Familie hatte schließlich neun Monate während der Klinikaufenthalte auf mich gewartet, da wollte ich ihnen etwas zurückgeben. Zu dem Zeitpunkt habe ich noch nicht damit gerechnet, dass ich nur drei Jahre später erblinde“, erzählt der Bonzeler. Im Ort kennt den 55-Jährigen jeder. Er ist gebürtig aus Bonzel, dort aufgewachsen, hat 2006 ein Haus gebaut, war mehrere Jahre Geschäftsführer vom Sportverein DJK Bonzel und ist Mitglied im Kegelclub und Stammtisch. 2009 war er sogar Karnevalsprinz beim Karnevalsclub Grevenbrück.
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„Auf den Touren sind die Kegelbrüder meine Führhunde. Das wäre für Lennon zu anstrengend. Im Hotel bekomme ich eine genaue Einweisung, wo sich im Zimmer alles befindet. Und ansonsten docke ich mich bei meinen Kumpels an“, lacht Oliver Schelle, der seinen Lebensmut nie verloren hat. Und mit Lennon – seinem neuen Blindenführhund – hat er seit Frühjahr einen weiteren tollen Lebensbegleiter gefunden, der ihn im Alltag unterstützt. „Nach Hause“, sagt das Herrchen zu Lennon, während Oliver Schelle ihm am Führgeschirr folgt. Dass die beiden ein Dreamteam sind, haben sie einer langen Trainings- und Einarbeitungsphase, die Blindenhunde durchlaufen müssen, zu verdanken. Erst nach der bestandenen Gespann-Prüfung wurde Oliver Schelle der neue Besitzer von Lennon, für den die Krankenkasse die Kosten in Höhe von rund 40.000 übernommen hat.
Lennon ist der zweite Blindenführhund für Oliver Schelle. In der Regel sind Blindenführhunde etwa acht bis zehn Jahre im Dienst, bevor sie in den Ruhestand gehen. „Dann gehe ich gemeinsam mit Lennon in Rente und meine Frau bekommt dann ihren lange ersehnten Grauhaardackel“, grinst Oliver Schelle.