Kreis Olpe. Eine Entscheidung des OVG Münster zum Windkraftausbau stößt die Kommunen im Kreis Olpe vor den Kopf. Was Lennestadts Bürgermeister fürchtet.

Eine aktuelle Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster zum Windkraftausbau stößt die Kommunen im Kreis Olpe vor den Kopf. Das OVG hat die aufschiebende Wirkung für beantragte Windräder, die nicht in einem sogenannten Windenergiebereich (WEB) liegen, für nichtig erklärt und damit das Tor für Windkraftunternehmen, die noch vor Verabschiedung des neuen Regionalplans einen Bauantrag stellen, weit geöffnet. Die ausgewiesenen WEBs, die eine Umzingelung verhindern sollen, sind damit praktisch wirkungslos, ebenso die Einvernehmens-Entscheidung der Städte und Gemeinden. Diesen wird durch das Urteil die letzte Einflussmöglichkeit genommen.

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Gekippt wurde die Regelung des Paragrafen 36, Absatz 3, Landesplanungsgesetz. Darin steht: Wenn sich ein Regionalplan in der Aufstellung befindet, kann man diese Entscheidungen zurückstellen und das Genehmigungsverfahren nach BimSchG (Bundesimmissionsschutzgesetz) aussetzen. Diese Möglichkeit ist vom OVG nun in einer Eilentscheidung für rechtswidrig erklärt worden. Das hat zur Folge, dass die Regelung ab sofort keine Anwendung mehr finden darf und alle Verfahren, die schon zurückgestellt wurden, ab sofort in die Bearbeitung bei den Bezirksregierungen gehen.

„Das ist eine fatale Entwicklung, denn damit wird uns eine ganz wichtige, noch vorhandene Steuerungsmöglichkeit de facto genommen.“

Tobias Puspas, Bürgermeister von Lennestadt

Lennestadts Bürgermeister Tobias Puspas: „Denkbar ist, dass nun auf Basis der aktuell gültigen Rechtslage auch Anlagen eine Genehmigung bekommen könnten, deren Standorte nicht in den Vorrangzonen liegen.“ Denn dann ziehe wieder Paragraf 35 des Baugesetzbuches, dass diese Windradprojekte privilegierte Vorhaben sind. „Das ist eine fatale Entwicklung, denn damit wird uns eine ganz wichtige, noch vorhandene Steuerungsmöglichkeit de facto genommen. Besonders für das Veischedetal wäre die Genehmigung fatal.“ Dort, auf dem Bergrücken zwischen Hohe Bracht und Einsiedelei, wollen mehrere Investoren mehr als ein Dutzend bis 250 Meter hohe Windräder errichten, von denen viele außerhalb der Windvorrangzonen liegen. Es droht eine Umzingelung der Orte im Veischedetal.

Regionalplan kommt frühenstens im Frühjahr 2025

Diese Entscheidung wird zweifelsfrei auch die Windkraft-Zukunft in der Gemeinde Finnentrop und hier vor allem im windreichen Frettertal beeinflussen. Zwar liegen der Gemeinde laut Raphael Tombergs, Amtsleiter Bauen und Planen, keine Anträge vor, die außerhalb von WEBs liegen, doch hat auch der Amtsleiter ähnlich wie Lennestadts Bürgermeister Bauchschmerzen: „In sämtlichen politischen Sitzungen haben wir immer wieder darauf hingewiesen, dass wir Windräder nur in den Windenergie-Bereichen möchten und uns der 1000-Meter-Abstand wichtig ist. Wir haben es geschafft, ein Stück weit für Toleranz und Verständnis bei unseren Bürgern zu sorgen; und genau diese Arbeit wird jetzt untergraben. Die Entscheidung wird sicherlich für Enttäuschung und Ärger sorgen.“

Lennestadts Bürgermeister war am Donnerstag selbst zur Sitzung des Regionalrates nach Arnsberg gereist. Während der Sitzung sickerte auch dort die OVG-Entscheidung durch und es kam dort die Frage auf, wie man künftig seitens der Regionalplanung noch Einfluss nehmen könne. „Die einzige Möglichkeit ist, nun möglichst schnell den Regionalplan zu beschließen.“ Allerdings sehe man keine weiteren Beschleunigungsmöglichkeiten. Demnach wird der Regionalplan wohl frühestens im März nächsten Jahres beschlossen und im Sommer rechtskräftig.

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Dies könnte zur Folge haben, dass viele Windkraftunternehmen nun die Gunst der Stunde nutzen und möglichst viele Bauanträge für ihre geplanten Anlagen einreichen. Diese Anträge sind mit zig aufwendigen Umweltgutachten etc. befrachtet, deren Erstellung nicht von heute auf morgen möglich ist. Doch an dieser Stelle will die Windkraftlobby in Berlin den Windkraftunternehmen offenbar kräftig Rückenwind geben. Das Baugesetzbuch soll novelliert werden, unter anderem der Paragraf 249. Demnach soll laut Referentenentwurf künftig die Antragstellung möglich sein, bevor die komplexen Unterlagen überhaupt vorliegen. Die könnten erst später nachgereicht werden. Puspas: „Einfach gesagt heißt das, man kann mit einem Dreizeiler den Antrag stellen und hätte sich den Standort gesichert.“

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Unterstützung für die Kommunen gibt es von der Landesregierung in Düsseldorf. NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) sprach sich laut Tobias Puspas in der Regionalratssitzung deutlich gegen diese Änderung aus - und auch der Bundesrat hat sich bereits gegen diese folgenschwere Änderung ausgesprochen. „Wir haben gedacht, jetzt käme endlich mal Ruhe in das Thema und wir wären entgegen der Verhinderungspolitik für Windräder endlich pragmatisch unterwegs. Das von uns geforderte Flächenziel würden wir in Lennestadt mit den Windenergiebereichen sogar verdoppeln, wir wären also gut unterwegs und jetzt wird das torpediert.“ Den Bürgern sei kaum zu vermitteln, dass die Windräder jetzt wieder überall gebaut werden könnten. „Da darf man sich nicht wundern, dass Vertrauen in Politik und Verwaltung verloren geht.“