Hülschotten. Rüdiger Maag setzt auf Weideschuss statt Transportstress. Doch der Aufwand ist groß: Für jeden Schuss muss der Kreisveterinär anreisen.

Wenn Rüdiger Maag von Pluto erzählt, hat man passagenweise den Eindruck, ein Hundebesitzer spreche über seinen treuen Begleiter. Doch Pluto war ein Bulle, und zwar ein so mächtiges Exemplar, dass seine Größe, sein Gewicht und seine Maße sein Ende bedeuteten. „Er war fünf Jahre alt und hätte noch einige Jahre in der Zucht etwas bringen können“, so Rüdiger Maag, Nebenerwerbs-Landwirt aus Hülschotten und zusammen mit Ehefrau Nicole neuer Vorsitzender des Ausschusses für Öffentlichkeitsarbeit des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes.

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Auf dem Hof Maag war für Pluto kein Platz, der Betrieb hält zurzeit zwölf Mutterkühe und zwei Bullen, zusätzlich zehn Mastrinder, aber ein Verkauf des 1,2 Tonnen schweren Kolosses scheiterte: „Mehrere Interessenten hatten ihn sich angesehen, aber er war so gewaltig, dass sie Angst um die Gesundheit ihrer Kühe hatten“, so Maag. Und so blieb nur der Ausweg, das Tier zu schlachten. Doch war Pluto so gewaltig, dass er im Schlachthof in Olpe kaum durchs Zugangsgatter gepasst hätte. Und damit war die Entscheidung klar: Pluto würde das erste eigene Tier, das Rüdiger Maag erschießt.

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Denn der passionierte Jäger hatte sich schon lange zu einem Lehrgang angemeldet, um den sogenannten Weideschuss praktizieren zu dürfen. Die „Erfinder“ dieser Methode haben sich überlegt, warum Weidetiere nicht auf dieselbe Weise getötet werden können wie Wild: mit seinem sauberen Schuss, dort, wo sie bis eben noch geweidet haben, ohne Transportstress und Schlachthof-Gerüche. Das Fleisch, das die Maags in der Direktvermarktung anbieten, stammt von eigenen Tieren, doch bisher ist dies mit einem Transport im Viehanhänger nach Friedrichsthal zum Schlachthof Olpe verbunden. Nach der Schlachtung – Rüdiger Maag bringt jedes Tier selbst dorthin – holt er das Tier zwei Tage später nach Hülschotten zurück und zerlegt es im eigenen entsprechend ausgestatteten Schlachthaus im Keller des Hofgebäudes. „Wir sind ein echter Familienbetrieb, und hier ziehen alle mit am Strang. Mein Bruder Stephan ist Metzger, und daher haben wir die nötige Sachkunde“, ist Rüdiger Maag stolz auf den Zusammenhalt, der in der Erntezeit dazu führt, dass auch Neffen und Nichten, die ansonsten nichts mit Landwirtschaft zu tun haben, wie selbstverständlich zum Hof kommen und beim Einbringen der Ernte helfen.

Schlachten am Fließband im Großschlachthof (Symbolbild): Familie Maag will mit dem Weideschuss ein anderes System praktizieren.
Schlachten am Fließband im Großschlachthof (Symbolbild): Familie Maag will mit dem Weideschuss ein anderes System praktizieren. © dpa | Mohssen Assanimoghaddam

Doch so einfach die Idee des Weideschusses klingt, so kompliziert ist es in Wahrheit. Und das, obwohl Rüdiger Maag als Jäger die nötige Sachkunde im Umgang mit der Waffe garantieren kann und auch die entsprechenden Waffen besitzt. Dass er zunächst in einem Lehrgang die nötigen Voraussetzungen erlernen muss, das ist für ihn selbstverständlich. Dass er aber sowohl die Kreispolizeibehörde als auch das Veterinäramt des Kreises über Zeit und Ort des Schusses informieren muss, hält er für übertrieben. „Wobei ich sagen muss, dass der Umgang mit dem Veterinäramt wirklich klasse ist.“ Auch beim ersten Weideschuss, der quasi als Prüfung für ihn galt, sei das Amt äußerst hilfsbereit gewesen. Dabei hatte Maag auch den Veterinär des Märkischen Kreises dazugebeten, denn sein Hof liegt nur wenige hundert Meter von der Kreisgrenze entfernt, und einige der von ihm gepachteten Flächen liegen nicht mehr im Kreis Olpe. „Es wäre also möglich, dass ich einen Weideschuss auf dem Gebiet des Märkischen Kreises ausführe, und da ist dann Olpe nicht mehr zuständig.“ Auch sind die Kosten beträchtlich, unter anderem dadurch, dass für jeden Schuss der Kreisveterinär persönlich anreisen und das Prozedere überwachen muss. Hier, da sind die Maags sicher, wäre weniger Aufwand ausreichend.

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„Es ist unsere Philosophie, die Tiere zu begleiten, von der Geburt hier auf dem Hof bis zum Ende“, erklärt Nicole Maag. Und auch der Vorstand des Landwirtschaftlichen Kreisverbands, Vorsitzender Michael Richard und sein Stellvertreter Bernd Eichert, halten den Weideschuss für eine sinnvolle Möglichkeit, die regionale Vermarktung zu erleichtern. „Es gibt immer weniger Schlachthöfe“, erklärt Richard, was für die Landwirte weitere Fahrten und für die Tiere mehr Stress bedeute. Außerdem sei der Weideschuss nicht unbedingt mit einem Gewehr auszuüben: „Wenn die Weide es zulässt, dann kann man auch mit dem Bolzenschussgerät auf der Weide arbeiten“, so Rüdiger Maag. Eine andere Möglichkeit ist der Schuss im Stall, was bei Familie Maag möglich ist, weil die Tiere fast immer auf Weiden in fußläufiger Entfernung vom Hof stehen und ihnen der Weg zum Stall bekannt ist.

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Trotz aller Hürden möchte Rüdiger Maag das stressfreie Schlachten ausbauen, das nach seiner Überzeugung auch der Fleischqualität sehr zuträglich ist, vor allem aber dem Tierwohl dient. Die Familie prüft derzeit, in ein EU-konformes eigenes Schlachthaus zu investieren, möglicherweise mit befreundeten Landwirten, die ebenfalls für die stressarme Schlachtung plädieren. Dagegen spricht derzeit nur eins: das derzeitige Preishoch der Baubranche.