Listerscheid. Die „Nierhofer Mühle“ in Listerscheid verliert ihren Denkmalstatus. Die Eigentümer-Familie hatte sich dies gewünscht. Das sind die Hintergründe.
Die „Nierhofer Mühle“ in Listerscheid ist das letzte technische Denkmal der Hansestadt Attendorn. Nach einem einstimmigen Ratsbeschluss wird das Fachwerkhaus samt des Mühlengrabens, der Teichanlage und des mittlerweile ausgebauten Mühlrads aus der Denkmalliste gestrichen. Die Mühle, schreibt die Stadtverwaltung, habe „in den vergangenen Jahren erheblich an Zeugniswert verloren“ und das Denkmal, ein Dokument der Arbeits- und Produktionsverhältnisse in Listerscheid, „ist faktisch nicht mehr vorhanden.“ Technisch genutzt wird sie schon seit etlicher Zeit nicht mehr.
„Ich war immer stolz darauf, in einem denkmalgeschützten Haus zu wohnen“, sagt Eigentümer Uwe Kollmann (54). Doch jetzt fällt der Familie – neben Uwe sind das Ehefrau Yvonne (44) und die beiden Söhne – ein großer Stein vom Herzen. „Denn heute sind wir nur noch froh, dass unser Haus den Schutzstatus verliert.“ Die strengen Auflagen des Denkmalschutzes und eine unklare Förder-Perspektive trieben die Kollmanns an den Rand der Verzweiflung, Existenzängste raubten ihnen den Schlaf.
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Das Unheil nimmt im Herbst 2014 seinen Lauf. Vor zehn Jahren bricht die Achse des Mühlrads. Zwecks Reparatur stellen die Eigentümer einen Förderantrag und müssen den ersten Rückschlag hinnehmen: Einen Zuschuss bekommen sie nicht. Dann ziehen Jahre ins Land, ehe Uwe Kollmann im vergangenen Jahr den CDU-Stadtverordneten Wolfang Teipel, der in der benachbarten Wamge wohnte, anspricht und ihn fragt, was man tun könne. „Ich hatte den Gedanken, dass wir eine neue Metall-Achse besorgen, denn das wäre deutlich günstiger“, erklärt der 54-Jährige. Doch die Denkmalvorgaben sehen einen solchen Austausch nicht vor. Die Familie schluckt die Kröte und lädt einen Mühlenbau-Ingenieur ein, der sich ein Schadensbild – nicht nur von der Mühle, sondern auch von den dazugehörenden Wasseranlagen – macht und der Familie den nächsten großen Schrecken einjagt: „Er hat uns gesagt, dass wir mit Kosten in Höhe von einer halben Million Euro rechnen müssten.“
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Nicht nur die kaputte Achse treibt die Kollmanns laut eigener Aussage in den Wahnsinn. Die Fische, die in dem Teich leben, werden umgesiedelt, die Familie lässt das Wasser ab und holt sich ein Angebot zwecks Ausbaggerns der Teichanlage herein. Und wieder läuft ihnen ein kalter Schauer über den Rücken: Die Summen liegen laut Kollmann zwischen 750.000 und 1 Million Euro. „Dann kam der Moment, in dem wir resignierten und nicht mehr wollten“, erklärt er. Die Angst, dass sie auf einem Großteil der Renovierungskosten sitzenbleiben, weil sie keine Fördergarantie erhalten, ist ein ständiger Begleiter der Familie. Hinzu kommt: Durch die strengen Auflagen, die an die Sanierung/Erneuerung denkmalgeschützter Objekte gestellt werden, sind speziell ausgebildete Handwerker Mangelware.
Deswegen stellen die Kollmanns trotz diverser Gespräche mit der Stadt als Untere Denkmalbehörde, mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und Ortsheimatspflegerin Birgit Haberhauer-Kuschel schließlich den Antrag auf Löschung aus der Denkmalliste. Die Stadt kommt diesem Wunsch am Ende nach. Carolin Glasbrenner, im Attendorner Rathaus für das Thema Denkmalschutz zuständig, erklärt: „Die Beibehaltung der Eintragung trotz mangelndem Zeugniswert und die damit verbundenen Eigentumsbeschränkungen würden den Eigentümer unverhältnismäßig belasten, ohne dass im Gegenzug das besondere öffentliche Interesse an der Eintragung in die Denkmalliste überwiegt. Im vorliegenden Fall wäre es in einer Gesamtabwägung unverhältnismäßig, dem Eigentümer aufgrund eines ganz allgemeinen historischen Interesses am Mühlenstandort (ohne Funktionsfähigkeit, ohne historische Bausubstanz etc.) weiterhin aufzuerlegen, denkmalrechtliche Beschränkungen hinnehmen zu müssen.“ Der Stadtrat folgt dieser Argumentation.
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Allerdings muss sich die Familie Kollmann aus dem politischen Raum den latenten Vorwurf gefallen lassen, sie habe ihr Denkmal verkommen und die Löschung aus der Denkmalliste ein Stück weit provozieren wollen. Das sei mitnichten der Fall gewesen, beteuern sie. „Wir haben den Giebel neu gemacht, haben die Fenster ausgetauscht, eine kleine Brücke komplett erneuert, die Bimsmauer repariert und unser Haus seit 2005 zwei Mal gestrichen“, wehrt sich Uwe Kollmann. Dass „sogar die Farbe durch den Denkmalschutz vorgegeben wird“, habe er nicht gewusst. Und die Familie, ergänzt der 54-Jährige, werde auch in Zukunft ihr Zuhause nicht verkommen lassen. Sie werden weiter handwerkeln – ohne den Denkmalschutz im Nacken zu haben. Darüber sind sie einfach nur froh. Heute können die Kollmanns wieder beruhigt schlafen.