Attendorn. Lukas Sprung leitet den Martin-Luther-Kindergarten in Attendorn. Im Interview spricht er über seinen Beruf und formuliert einen Zukunftswunsch.
Warum gibt es im Kindergarten so wenig männliche Erzieher? Mit welchen Herausforderungen hat man als Leiter eines Kindergartens zu kämpfen? Und wie reagiert das Umfeld auf die Berufswahl? Lukas Sprung leitet seit diesem Jahr den Martin-Luther-Kindergarten der evangelischen Kirchengemeinde Attendorn-Lennestadt in der Hansestadt. Im Interview mit unserer Redaktion erzählt der 30-jährige Attendorner über seinen Arbeitsalltag und was ihn bewegt.
Herr Sprung, sie sind seit März 2024 der neue Leiter des Martin-Luther-Kindergartens. Wie haben sie sich eingelebt?
In diesem Kindergarten bin ich jetzt schon seit 2015 aktiv. Durch den krankheitsbedingten Ausfall meiner Vorgängerin habe ich eigentlich schon im Oktober 2023 die Leitung übernommen, offiziell im Amt bin ich jetzt seit März. Es war am Anfang eine große Umstellung. Vor allem von dem Kollegialen eine Stufe höher zu gehen. Normalerweise bespricht man alles im Team und ich schätze den Rat meiner Kolleginnen wirklich sehr. Man muss sich als Kindergartenleiter aber an manchen Stellen davon lösen und eigenständige Entscheidungen treffen. Das ist mir am Anfang nicht so leicht gefallen. Aber mittlerweile finde ich das ganz nett.
Wie verlief ihr Werdegang?
Ich habe erst meinen Realschulabschluss gemacht und dann, weil ich gar nicht so genau wusste, was ich machen will, auf dem Berufskolleg in Olpe mein Fachabitur im sozialen Bereich begonnen. Als ich damit fertig war, habe ich dann die Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher angefangen, die ich dann 2015 auch erfolgreich beendet habe. Danach habe ich erstmal im Kindergarten in Attendorn gearbeitet, bis ich mir 2020 dachte, ich könnte noch studieren gehen. Von 2020 bis zum letzten Jahr habe ich soziale Arbeit studiert und mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Zu dem Zeitpunkt als ich meine Bachelorarbeit geschrieben habe, bot sich dann die freigewordene Stelle als Leitung an und ich dachte, ich versuche einfach mal mein Glück.
Wann fiel für sie die Entscheidung, dass sie als Erzieher in den Kindergarten wollen?
Ich habe von Anfang an einen sehr starken Bezug zu dem Kindergarten hier gehabt. Als Kind war ich zwar selbst nicht hier. Innerhalb der Ausbildung habe ich aber in Attendorn mein Praktikum gemacht und mir hat gerade das familiäre Umfeld total gefallen. In meinem Anerkennungsjahr in der Ausbildung habe ich im Kinderhort in Grevenbrück mit etwas älteren Kinder gearbeitet. Das hat mir auch Spaß gemacht, aber ich wollte erstmal als Erzieher in den Kindergarten. Das hat sich auch innerhalb des Studiums bestätigt. Wenn ich ehrlich bin, wäre eine Erzieherstelle nach meinem Studium aber nicht dauerhaft für mich infrage gekommen. Da hat sich die Leitungsstelle dann zufälligerweise angeboten.
Was erfüllt sie am meisten an dem Job?
Die Leitungsposition unterscheidet sich nochmal deutlich von der Tätigkeit als Erzieher. Es ist das Gesamtpaket, was mich erfüllt. Einerseits der Umgang mit den Kollegen, das Team mit einzubeziehen und gemeinsam Lösungswege zu entwickeln. Ich habe das Gefühl, dass mir das sehr gut liegt. Andererseits natürlich auch die Arbeit mit den Kindern. 27 Stunden in der Woche bin ich als Leitung eingestellt, die restlichen 12 absolviere ich als Erzieher. Das finde ich auch gut so, weil ich dann aus der Arbeit mit den Kindern nicht total raus bin. Das heißt, ich kann auch einfach mal rausgehen, mit den Kindern Spaß haben, rutschen gehen, Fußball spielen und ganz ungezwungen sein. Ich kenne das von früher so, dass die Leitung in ihrem Büro sitzt und für die Kinder unerreichbar ist. Das ist nach meinem Empfinden bei uns nicht so.
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Was waren in den ersten sechs Wochen die größten Herausforderungen, auf die sie gestoßen sind?
Zum einen war der Start mit einem massiven Personalmangel verbunden. Der Fachkräftemangel ist allgemein eine sehr große Herausforderung. Es war klar, dass dieses Loch kommt. Es wurde aber nie etwas gegen dieses Loch unternommen und jetzt ist der Fachkräftemangel da. Jetzt müssen wir Lösungen finden. Bei uns im Kindergarten haben wir den Personalmangel jetzt Gott sei Dank gut im Griff. Eine weitere Herausforderung ist auch der Mensaanbau an unserer Einrichtung. Das war planungstechnisch sehr aufwendig, aber da befinden wir uns gerade in der Bauphase. Dadurch ist aktuell auch echt laut. Ich freue mich aber richtig auf das Ergebnis.
Gab es ein besonderes Highlight, auf das sie besonders stolz sind?
Im letzten halben Jahr hatten wir bei uns ein Projekt mit Hühnern. Vier Wochen lang waren im Kindergarten Leihhühner zu Gast, die ein eigenes Gehege bekommen haben. Mit den Kindern haben wir damit extrem viel pädagogisch gearbeitet. Die Kinder haben auch Namen für die Hühner ausgewählt. Alles in allem war das so ein tolles und rundes Projekt. Das war mein persönliches Highlight. Was mich auch noch sehr gefreut hat ist, dass wir zertifiziert wurden. Im Endeffekt, heißt das, dass wir gute pädagogische Arbeit und auch wirtschaftliche Arbeit leisten. Das wurde im April dann auch nochmal rezertifiziert.
Kindergärtner sind unter den vielen Kolleginnen eine Ausnahme. Wie beobachten Sie die Entwicklung in den letzten Jahren?
Ich habe das Gefühl an den Fachschulen sind mittlerweile zumindest mehr männliche Erzieher als damals. Im Kindergarten hatte ich im letzten Jahr aber maximal zwei Bewerbungen von männlichen Kollegen. Das Interesse ist grundsätzlich da, aber viele zieht es dann in die Arbeit mit Jugendlichen, in Richtung Heimbetreuung oder Jugendarbeit.
Es ist natürlich auch eine Besonderheit, dass auf der Position der Leitung ein Mann sitzt. Bekommen sie manchmal einen schrägen Blick zugeworfen, wenn sie davon erzählen, was sie machen?
Es kommt darauf an, wem ich das erzähle. Hier bei den Eltern der Kinder auf keinen Fall, die finden das sogar eher cool. In der generellen Gesellschaft unter Freunden oder Bekannten kommt manchmal schon die verdutzte Frage: Wie, du arbeitest im Kindergarten? Denen sage ich dann, dass ich im Kindergarten arbeite, weil mir der Job total gut gefällt und ich ihn total gerne mache. Die gesellschaftliche Rückmeldung ist daher noch ein bisschen anpassungsfähig, würde ich sagen.
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Fällt es ihnen manchmal schwer ihre administrative Aufgaben und die direkte Arbeit mit den Kindern unter einen Hut zu kriegen?
Ja, das fällt mir sogar sehr schwer. Die administrativen Aufgaben fressen viel Zeit und ich würde gerne mehr Zeit mit den Kindern verbringen. Häufig bekomme ich es sogar nicht mal hin, die eingeplanten 12 Stunden mit den Kindern zu erfüllen. Die Balance ist immer ein bisschen schwierig, gerade, wenn man dann in der Kinderbetreuung angekommen ist und eine Kollegin oder Eltern mal eben was wissen möchten. Stellen Sie sich vor, ich lese gerade ein Bilderbuch mit drei Kindern und auf einmal kommt ein Elternteil hereingerannt und es geht um ein eher prekäres Thema. Dann muss ich für den Moment die Situation mit den Kindern abbrechen und mich darum kümmern. Das kann für Kinder unangenehm sein.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft ihres Kindergartens und für die Kinder, die aktuell bei ihnen betreut werden?
Für die Kinder wünsche ich mir, dass sie hier bei uns einfach Kind sein dürfen und noch nicht so viel von ihnen erwartet wird. Kindergarten soll einfach Kindergarten bleiben. Wenn ich mir für die Zukunft was wünschen dürfte, dann, dass sich allgemein mehr männliche Kollegen für den Beruf des Erziehers im Kindergarten interessieren und sich gerne bewerben. Männer sind in bei uns und auch in anderen Kindergärten immer gerne gesehen.