Ottfingen. Das Haus von Bernadette Raichle in Ottfingen ist unbewohnbar. Ein heftiger Schicksalsschlag für die Alleinstehende. Jetzt sucht sie ein neues Zuhause.

Es ist ein schlimmes Bild, das sich im Ortskern von Ottfingen zeigt. Ein altes Fachwerkhaus, das im Ort bekannt war für seine große, mit Efeu berankte Fassade, steht als Brandruine da. Mehr als 40 Jahre hat Bernadette Raichle in diesem 200 Quadratmeter großen Haus gelebt, gelacht und auch geweint. Doch nach dem verheerenden Brand am 17. Mai dieses Jahres, einem Freitagmorgen, hat sie fast alles verloren, was ihr in den letzten Jahren Sicherheit und ein Gefühl von Zuhause vermittelt hat.

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Die Tränen schießen ihr in die Augen. Sprachlos, wenn nicht sogar fassungslos steht sie auch nach über drei Monaten noch da und kann es einfach nicht begreifen, dass sie nie wieder in dem Haus, in dem ihre vier Kinder aufgewachsen sind und ihre zwei Enkelkinder im großen Gäste- und Spielzimmer mit der selbstgebauten Puppenwiege vom Opa gespielt haben, wohnen wird. So gut es geht, versucht sie den Ort des Geschehens zu meiden, kommt für ihre persönliche Geschichte aber erneut her, auch, um das Ganze besser verarbeiten und begreifen zu können.

Brand in Ottfingen
Der Tag des Brandes: Hier trägt das THW das Dach ab. © WP | Sarah Breunig

Erinnerungen sind zerstört

Das große, erst vor zwei Jahren erneuerte Dach existiert nicht mehr. Es wurde teilweise schon durch das Technische Hilfswerk am Morgen des Feuers abgetragen, damit die zahlreichen Feuerwehrleute die Flammen löschen konnten. Die gesamte Dachgeschossebene liegt frei und zeigt das ganze Ausmaß der Zerstörung. Viele Fensterscheiben sind zerborsten und das gesamte Grundstück ist mittlerweile mit hohen Bauzäunen abgegrenzt.

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Bernadette Raichle erinnert sich zurück, wie heimelig sie dort gewohnt hat, mit ihrem dreijährigen Goldendoodle Bruno. Das alte Fachwerkhaus war von innen ein echtes Schmuckstück. Die 68-Jährige liebte ihren eigenen Stil: Landhaus, kombiniert mit Moderne. „Ich hänge vor allem an den alten Erinnerungsstücken. Mein Urgroßvater war Schreiner und einige seiner Möbel aus Anfang des 20. Jahrhunderts sind durch den Brand völlig zerstört worden“, erzählt die Rentnerin, die genau wie ihr Hund Bruno immer wieder zusammenzuckt, wenn sie schrille Geräusche wie einen Rauchmelder oder Martinshorn hört.

„Du realisierst gar nicht, was gerade passiert. Ich bin noch zu den Nachbarn aus der anderen Haushälfte gelaufen und habe sie geweckt.“

Bernadette Raichle

In der Nacht des Unglücks wird sie morgens gegen halb fünf wach, weil sie hört, wie etwas zu Boden fällt: „Ich bin an mein Schlafzimmerfenster gegangen, habe es geöffnet und sehe nur noch eine riesige weiße Wand vor mir.“ Im nächsten Moment schlägt nicht nur der Rauchmelder Alarm, sondern auch ihr Vierbeiner Bruno. Im Schlafanzug schlüpft sie in ihre Laufschuhe, schnappt sich ihr Handy und die Hundeleine und rennt raus. Von der Wendeltreppe kommt einer ihrer Mieter, der schon die Feuerwehr verständigt hat. „Du realisierst gar nicht, was gerade passiert. Ich bin noch zu den Nachbarn aus der anderen Haushälfte gelaufen und habe sie geweckt“, erinnert sich Raichle.

Suche nach neuem Zuhause

Während ihr 23-jähriger Mieter mit schweren Verletzungen in eine Klinik muss, steht Bernadette Raichle gefühlte Stunden auf der anderen Straßenseite ihres Hauses und beobachtet die zahlreichen Einsatzkräfte, die gegen das Feuer kämpfen. Trotz Schock gibt sie den Feuerwehrleuten den wichtigen Hinweis, ihr im Carport geparktes E-Auto vom Brandort zu entfernen. Als ein Feuerwehrmann im Erdgeschoss den Schlüssel holt, bringt er Bernadette Raichle die Handtasche mit all ihren Papieren mit. „Viel ist mir nicht geblieben. Einige Fotos und Alben, die in verschlossenen Regalen standen, konnten gerettet werden“, berichtet die 68-Jährige.

Seit dem Brand ist Bernadette Raichle wohnungslos. In den ersten sechs Wochen hat sie bei ihrem Sohn gelebt und seither pendelt sie zwischen verschiedenen Ferienwohnungen, von einer 28 Quadratmeter großen Ein-Zimmer-Wohnung in Siegen in eine komfortable Kurzzeitbleibe in Oberveischede. „Ich habe 40 Jahre in Ottfingen gelebt und würde dort oder in der Nähe gerne ein neues, altersgerechtes, ebenerdiges Zuhause finden, mit Garten oder Terrasse für mich und Bruno. Ein Heim, das nicht nur zum Übergang dient, sondern mir das Gefühl gibt, wieder heimisch zu werden“, sagt die Rentnerin, die von ihren Kindern und ihrem Herzenshund Bruno großen Halt bekommt.

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„Die Brandursache ist, wie mir die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage mitteilte, nach wie vor nicht geklärt. So lange muss ich für jegliche Kosten, die mir beispielsweise für Unterkünfte oder neue Kleidung entstehen, in Vorkasse treten“, weiß sie bis heute nicht, welche Versicherung für den Schaden aufkommen wird. „Ich bin vor allem den vielen Ottfingern sehr dankbar, die mir geholfen oder Hilfe angeboten haben. Auch den Einsatzkräften der Feuerwehr, Polizei und den Rettungskräften gilt mein herzlicher Dank für ihre Hilfe und ihren empathischen Umgang. Es ist mir unverständlich, dass es Menschen gibt, die diese Einsatzkräfte beschimpfen oder sogar angreifen.“