Grevenbrück/Regina. Rainer Bäcker (70) lebt seit über 44 Jahren in Kanada. Was er am Sauerland am meisten vermisst und warum er drei Tage im Flughafen-Gefängnis einsaß.
„Ich konnte kein Wort Englisch sprechen und wollte eigentlich nur meinen Bruder besuchen, der bereits in Kanada lebte und plötzlich klickten die Handschellen und ich wurde festgenommen“, berichtet Rainer Bäcker. Der 70-jährige Grevenbrücker hat seine Heimat hinter sich gelassen und lebt seit über 44 Jahren in der 275.000-Einwohner-Stadt Regina in Kanada mit seiner Frau, seinen zwei Kindern und vier Enkelkindern. In unserer Serie „Die Auswanderer“ berichtet er als einer der ältesten Auswanderer im Kreis Olpe, warum er im Gefängnis saß, was ihn für seinen 70. Geburtstag im letzten Jahr zurück nach Deutschland zog und was er am meisten vermisst.
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Bis zu 40 Grad heiß wird es in Kanada und im Winter erlebt Rainer Bäcker dann das Gegenteil. „Große Mengen an Schnee und sogar Polarlichter – bei bis minus 52 Grad. Das Klima ist mit dem im Sauerland nicht zu vergleichen“, erzählt der 70-Jährige. Im vergangenen Jahr war er nach langer Zeit mal wieder zu Besuch in Deutschland. Seine Cousine in Sondern und sein bester Freund Hubert Koch in Oberveischede zählen noch zu den Menschen, zu denen er Kontakt hat. „Das war eine tolle Zeit, an die ich gerne zurückdenke. Kanada ist schon ein besonderes Fleckchen auf der Erde, aber das Sauerland ist die schönste Ecke auf der ganzen Welt“, blickt Rainer Bäcker zurück und ergänzt, dass das Heimweh an die alte Heimat niemals weggehen würde.
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Drei Tage im Flughafen-Gefängnis
Als gelernter Werkzeugmechaniker bei der Firma Muhr und Bender folgt er Anfang der achtziger Jahre seinem Bruder Udo Bäcker nach Kanada. Dieser war sozusagen beruflich bedingt vorangegangen und arbeitete als Mercedes-Mechaniker. Schon beim ersten Besuch zur Hochzeit seines Bruders verliebte sich auch Rainer Bäcker in das Land. Bei seiner zweiten Reise nach Kanada war am Flughafen von Toronto die Reise für Rainer Bäcker dann erstmal beendet. Als „illegaler Einwanderer“ steckte ihn die Polizei ins Flughafen-Gefängnis, in dem er sich mit zwei weiteren Männern aus Spanien und Südafrika eine Zelle teilen musste.
„Kanada ist schon ein besonderes Fleckchen auf der Erde, aber das Sauerland ist die schönste Ecke auf der ganzen Welt.“
„Wir konnten uns nicht einmal verständigen, weil niemand auch nur ein Wort Englisch sprechen konnte“, lacht Bäcker zurückblickend. Er hatte nur ein Ticket für den Hinflug gebucht, weil Rückflüge günstiger waren, wenn sie von Kanada aus gebucht wurden. Außerdem trug er für die damalige Zeit viel Geld mit sich. „Ich habe aus der Zelle meinen Bruder anrufen dürfen und vor dem Richter mussten wir erklären, dass das Geld für seine schwangere Frau sei“, erzählt der 70-Jährige. Nach drei Tagen kam er frei, mit einem Visum, das ihm drei Monate Aufenthalt gewährte.
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Nach seiner Rückkehr in Deutschland wird ihm klar, dass Kanada auch für ihn das Land sein soll, in dem er eine Familie gründen möchte und seine Zukunft verbringen könnte. „Mama und Papa waren damals schon sehr traurig, dass beide Söhne weg waren“, so Bäcker, der in Bonn an der Botschaft Kanadas sein Visum beantragte. Und dann war Rainer Bäcker angekommen – in Kanada, einem für ihn fremden Land mit einer anderen Sprache. Nach seinem Lkw-Führerschein fuhr er viele Jahre mit großen Lkws durch das ganze Land, ehe er für „Greyhound Canada“ mehr als 28 Jahre als Busfahrer arbeitete.
Als Rentner mit der Harley durchs Land
Seine Frau Brenda, mit der er seit fast 40 Jahren glücklich verheiratet ist, lernte er auf einer Schifffahrt nach Mexiko kennen. In Erinnerung an seine Heimat in Deutschland erhalten seine beiden Kinder Nico (34) und Nina (33) typisch deutsche Vornamen. Mittlerweile hat Rainer Bäcker auch vier Enkelkinder, die er sehr häufig sieht. Seit fünf Jahren genießt er seine Rente und fährt mit seiner Frau Brenda und seiner Harley-Davidson durch das Land bis nach Amerika. „Kanada ist zu 100 Prozent meine Heimat geworden. Diese unendliche Weite, bei der du kilometerlang nicht eine Menschenseele triffst, machen das Leben hier besonders“, erzählt der 70-Jährige.
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Nach zwei Stunden Fahrtzeit überquert Rainer Bäcker die Grenze nach Amerika. Auch die Route 66 ist er bereits mit seinem Motorrad gefahren und gönnt sich am Ende eines Tages immer wieder gerne ein kühles Bier: „Krombacher ist das beste Bier der Welt und das trinke ich auch in Kanada ab und zu, auch wenn es etwas teurer ist“. Seine Heimat in Deutschland wird er niemals vergessen und nach seinem Besuch zum 70. Geburtstag, schließt er es nicht aus, noch einmal den achtstündigen Flug auf sich zu nehmen: „So lange ich gut reisen kann, möchte ich gerne noch mal zu Eva und Hubert Koch nach Oberveischede kommen und meine Cousine besuchen.“ Und in Deutschland will er dann auch seine heißgeliebte Currywurst, ein leckeres Schnitzel oder eine Frikadelle essen. „Das vermisse ich in Kanada am meisten.“