Bürberg. Mutterkuhhalter stellen ihre besondere Art der Landwirtschaft vor: nachhaltige Weidebewirtschaftung mit Höchstmaß an Tierwohl.

Wenn Interessengruppen Politiker einladen, dann tun sie dies üblicherweise, um für ihre Anliegen zu werben. Am Freitag war der kleine Ort Bürberg bei Attendorn stellenweise zugeparkt, so viele waren gekommen, um die Werbetrommel für eine besondere Art der Landwirtschaft zu rühren, die im Kreis Olpe und ganz Südwestfalen verbreitet ist, bislang aber kaum im Mittelpunkt steht. Während viele von der Schweinezucht in Sange oder der Milchviehhaltung im Raum Drolshagen gehört haben, ist die Mutterkuhhaltung zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung eine Nische. Vollkommen zu Unrecht, so die Interessengemeinschaft der Mutterkuhhalter, und daher hatten sie die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Dr. Ophelia Nick, eingeladen, um ihre Anliegen vorzubringen.

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Beim Ortstermin auf dem Hof Klement stellte sich aber rasch heraus, dass die Mutterkuhhalter bei der grünen Tierärztin und Landwirtin sprichwörtlich offene Türen einrannten, denn sie machte rasch klar, dass sie wie die Mutterkuhhalter selbst davon überzeugt ist, dass diese Art der Landbewirtschaftung sprichwörtlich beispielhaft ist.

Eine steile Weide, die ohne Beweidung landwirtschaftlich schlicht nutzlos wäre, zeigte der Parlamentarischen Staatssekretärin beispielhaft den Nutzen der Mutterkuhhaltung im Sauerland.
Eine steile Weide, die ohne Beweidung landwirtschaftlich schlicht nutzlos wäre, zeigte der Parlamentarischen Staatssekretärin beispielhaft den Nutzen der Mutterkuhhaltung im Sauerland. © Jörg Winkel | Jörg Winkel

Der Hof Klement war ausgesucht worden, weil er so typisch für die Mutterkuhhaltung im Sauerland ist. Ulrike Klement führt hier gemeinsam mit Sohn Hendrik das fort, was ihr verstorbener Mann initiiert hat: einen Nebenerwerbshof mit rund 45 Tieren. Die Kühe, eine Kreuzung aus Charolais und Piemontesern, robuste Allwetter-Fleischrinder, leben den größten Teil des Jahres auf Weiden. Die hier geborenen Kälber wachsen an der Seite ihrer Mütter auf und trinken deren Milch – mit anderen Worten: Sie leben weitgehend so, wie die Natur es vorgesehen hat. Anders als bei der inzwischen meist praktizierten Fleischproduktion im Stall, hier werden die jungen Kälber sehr früh von der Mutter getrennt und statt mit der Milch aus dem Euter mit Milchaustauschern großgezogen.

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Als Bettina Hörstmeier das Wort ergreift, ist zu spüren, dass hier eine Mutterkuhhalterin aus Leidenschaft spricht. Zusammen mit Matthias Stuff aus dem Hohl bei Rhode und Michael Stinn aus dem Repetal vertritt die Landwirtin aus Schmallenberg-Altenilpe den Landesverband der Mutterkuhhalter in Nordrhein-Westfalen. Und Michael Stinn betont, die rund 6000 Mutterkuhbetriebe in Nordrhein-Westfalen, im Schnitt zehn Tiere pro Betrieb groß, fast immer im Nebenerwerb betrieben, seien eine der nachhaltigsten Formen von Landwirtschaft: Sie bewirtschaften Flächen, die mit dem Traktor nicht zu mähen sind und sonst verkrauten würden, und wandeln Gras und Kräuter in ein wertvolles Lebensmittel um. Dabei, so betonen die Landwirte, sorge die Mutterkuhhaltung wie alle anderen Formen der Weidetierhaltung für ein Plus an Biodiversität, für eine Vielfalt von Pflanzen und Insekten, denn „jeder Kuhfladen ist ein Mikrokosmos“, so Bettina Hörstmeier. „Wir schützen nicht unsere Kulturlandschaft, wir schaffen sie.“

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Dr. Ophelia Nick stimmt in allem zu und macht klar, dass sie die Probleme der Mutterkuhhalter kennt. Insbesondere der schlechte Ruf der Rinderhaltung sei hier aber vollkommen unangebracht, denn Weiderinder seien keine Klimakiller, sondern Klimaschützer. Bettina Hörstmeier nickt: Gesundes Weideland speichere mehr Kohlendioxid als ein Wald. Ophelia Nick verspricht, sich weiterhin dafür einzusetzen, dass diese Art der Tierhaltung mehr Wertschätzung von der Politik erfahre. Am Ende aber müsse es auch beim Verbraucher ankommen, denn dieser entscheide beim Kauf an der Fleischtheke, ob ihm tiergerechte Haltung etwas wert sei.

„Die Tiere sollen ganz zufrieden da hingehen, wo sie hingehen müssen.“

Familie Klement hat dies noch weitergedacht, denn der kleine Hof verfügt über ein eigenes Schlachthaus. „Die Tiere sollen ganz zufrieden da hingehen, wo sie hingehen müssen“, fasst Ulrike Klement die Vision ihres verstorbenen Mannes zusammen, dem es wichtig war, dass die schlachtreifen Tiere ihr Leben ohne Transportstress beenden. Denn das Ziel der Mutterkuhhaltung ist die Fleischproduktion, und dazu gehört die Schlachtung. Hier greifen die Landwirte ein weiteres Problemthema auf. Rüdiger Maag aus Hülschotten erklärt, was für ein bürokratischer Aufwand hinter der wohl tiergerechtesten Schlachtung gehört, dem Weideschuss. Allein die polizeilichen Gebühren treiben den einzelnen Schuss auf Kosten von 150 Euro, der Amtsveterinär muss zu jedem Weideschuss anreisen und das Tier vor, während und nach der Schlachtung begutachten, bevor es in einem speziellen Anhänger zur Weiterverarbeitung in ein Schlachthaus gebracht werden kann. Hier sei ein deutlicher Abbau der Bürokratie wünschenswert, so übereinstimmend der Wunsch der Landwirte, die den Tieren den Transportstress auf dem Weg zur Schlachtung gern ersparen würden. Auch hier sagt die Politikerin aus vollem Herzen ihre Unterstützung zu.

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Am Ende wird es noch emotional, als das Thema Wolf, bereits beim Besuch an der Weide thematisiert, vom Vorsitzenden der NRW-Mutterkuhhalter, Thomas Wiese aus Sögtrop im Schmallenberger Land, nochmal aufs Tapet gebracht wird. Am Ende wird betont: In NRW sind auch die Grünen keine „Wolfsstreichler“, die die Wiederansiedlung des Beutegreifers unkritisch sehen und Ophelia Nick wie der landwirtschaftliche Sprecher in der Landtagsfraktion, Norwich Rüße, stehen einem Wolfsmanagement einschließlich dem Abschuss von Wölfen, die Nutztiere angreifen, offen gegenüber. Die Parlamentarische Staatssekretärin macht klar, dass die Politik hier in NRW parteiübergreifend weitgehend einig sei, dass aber Gerichte dafür sorgten, dass bereits genehmigte Abschüsse oft zurückgenommen werden müssten. Hier gelte es, bei Naturschutzverbänden verstärkte Aufklärungsarbeit zu leisten.