Fahlenscheid. Landtagsabgeordnete der Grünen beim Kreisverband des WLV: Bemühen um gemeinsame Lösungen für eine nachhaltige Agrarzukunft.
Die Rückkehr des Wolfs und der Umgang damit war das konfliktreichste, aber bei weitem nicht einzige Thema, als am Donnerstagabend Grünen-Landtagspolitiker und Landwirte aus dem Kreis Olpe in der Skihütte Fahlenscheid zum Austausch zusammentrafen (wir berichteten aktuell). Michael Richard, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbands, räumte gleich zu Beginn ein, dass die Grünen von vielen Landwirten als „Projektionsfläche“ genutzt würden, was bei weitem nicht in allen Fällen gerechtfertigt sei. Zudem zollte er dem heimischen Landtagsabgeordneten Dr. Gregor Kaiser seinen Respekt für dessen Mut, bei den Bauern-Demonstrationen Präsenz gezeigt zu haben und sich zu stellen: „Davor habe ich wirklich meinen Hut gezogen“, so der Landwirt aus der Petmecke. Und er stimmte den einführenden Worten Kaisers zu: „Wenn man im Gespräch bleibt, ist vieles einfacher.“
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Er wandte sich an den agrarpolitischen Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Norwich Rüße, um grob die bäuerliche Struktur des Kreises Olpe vorzustellen: Längst stehe hier nicht mehr die Lebensmittelproduktion im Vordergrund; von Pensionspferden bis „Urlaub auf dem Bauernhof“ oder Golf reiche der Tätigkeitsbereich, viele Landwirte hätten ein weiteres Standbein als Wald- oder Energiebauern mit Wind- oder Solarkraftwerken. In seinem Eröffnungs-Statement erklärte Norwich Rüße, allein die Tatsache, dass Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir noch keine zwei Jahre im Amt sei, spreche dafür, dass bei den gewaltigen Bauernprotesten weit mehr zusammengekommen sei als das, was der grüne Minister je verantworten könnte. Kritikpunkte wie der immer noch ausstehende Borchert-Plan hätten schon zu Zeiten von CDU-Ministerin Julia Klöckner dieselben Proteste begründen können. „Es geht ja nicht allein um den Agrardiesel. Es liegt tiefer.“
Er nannte viele Ansätze, um der bäuerlichen Arbeit wieder mehr Wertschätzung entgegenzubringen. So könne die vor einem enormen Ausbau stehende Ganztagsbetreuung in Schulen und Kindergärten dafür sorgen, dass der Nachwuchs eine gesunde, frische Mahlzeit erhalte und kein nach dem Prinzip „Cook and chill“ aufbereitetes vorgekochtes Fertiggericht. „Wir können die Welt nicht zurückdrehen“, betonte er, umso wichtiger sei, das zu erhalten, was noch an bäuerlichen Strukturen vorhanden sei. „Und auch solche Dinge wie Weideschlachtung müssen ermöglicht werden.“ Er wisse von Gegenden wie dem Sauerland, die „das ausbaden müssen, was andere Regionen verursacht haben“. Angesprochen von Moderator Georg Jung, Geschäftsführer der Landwirtschaftlichen Kreisverbände Olpe und Siegen-Wittgenstein, auf seine Vorstellungen von der Zukunft der Landwirtschaft, erklärte Rüße, er werde für eine sozial gerechtere Verteilung der sogenannten GAP-Mittel (Gemeinsame Agrarpolitik der EU) arbeiten, „nicht stur nach Hektar“. Und für öffentliche Leistungen der Landwirte müssten auch öffentliche Gelder fließen. Er sprach sich dafür aus, anstatt ständig neue Systeme an den Start zu bringen, lieber bestehende weiterzuentwickeln, um Verlässlichkeit zu garantieren. Dies stieß bei den anwesenden Landwirten auf ausdrückliche Zustimmung. Auch müsse dringend über Auflagen gesprochen werden: „Ich will keine Absenkung von Umweltstandards. Aber es gibt Auflagen, die bringen nichts außer noch mehr Arbeit, und die müssen weg.“ Michael Richard erklärte, seiner Meinung nach seien die Proteste, die von den Bauern ausgingen, aber rasch auf große Teile des Mittelstands übergegriffen waren, Ausdruck einer zunehmenden Entfernung der Politik von der Basis. Und sein Stellvertreter Bernd Eichert warb dafür, das „Korsett der Landwirtschaft aufzuschneiden und uns ein Stück weit unsere unternehmerische Freiheit zurückzugeben“.
Landfrauen erhalten Besuch
Bei der Diskussion auf Augenhöhe – Rüße ist studierter Lehrer, bewirtschaftet aber im Nebenerwerb in sechster Generation einen Bauernhof, Kaiser ist Waldbauer, Schafzüchter und Weihnachtsbaumerzeuger – tauschten sich beide Seiten intensiv aus. Mehrfach erklärte Rüße, die aufgeführten Probleme seien ihm so noch nicht unter die Augen gekommen, er werde sie mitnehmen nach Düsseldorf und gemeinsam mit seinem CDU-Kollegen besprechen. Hildegard Hansmann-Machula, die für die Landfrauen in Schulen für gesunde Ernährung wirbt, klagte, ihre Probleme seien in Düsseldorf noch nie erhört worden. Rüße kündigte an, sich bald mit ihr zu treffen und einen solchen Schulbesuch mitzumachen, um im direkten Kontakt zu klären, was verbessert werden müsse.
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Nach fast vier Stunden stellenweise harter, aber stets fairer Diskussion erklärten beide Seiten zufrieden, der Abend habe sie vorangebracht. Das Format soll wiederholt werden, dann mit einer kürzeren und konkreteren Tagesordnung, um gezielt einzelne Themenfelder zu besprechen.