Altenhundem. Nach der Mahnwache mit 350 Frauen große Ernüchterung im Rathaus: Es steht noch schlechter um das Krankenhaus in Altenhundem als erwartet.

Der Druck der Öffentlichkeit, die herbe Kritik an der geplanten Schließung der Geburtshilfe-Station in Lennestadt, hatte auch die GFO-Geschäftsführung erreicht. „Wir verstehen, dass die Emotionen hochgehen und akzeptieren, dass dies die Frauen sehr bewegt“, sagte Ingo Morell, Geschäftsführer der Maria-Theresia-Bonzel-Stiftung Olpe und langjähriger GFO-Geschäftsführer, am Mittwochabend im Lennestädter Stadtrat. Doch dann mussten die Stadtverordneten und die etwa 130 Bürgerinnen und Bürger im Ratssaal zur Kenntnis nehmen, dass es für den Standort Altenhundem offenbar noch schlechter aussieht als viele dachten. Nicht nur die Geburtshilfe in Lennestadt schreibt seit Jahren rote Zahlen und wird von Olpe mit Millionenbeträgen unterstützt, auch die Station in Olpe ist defizitär. „Wenn wir so weitermachen, werden wir beide Abteilungen verlieren. Wir versuchen, zumindest die Geburtshilfe in Olpe am Leben zu erhalten“, so Morell aus Sicht des Krankenhausträgers. Häuser der Größenordnung Lennestadt „werden nicht überleben“, sprach Morell klare Worte.

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Die Finanzlücken und der Fachkräftemangel bei Ärzten und im Pflegepersonal betrifft aber nicht nur die Geburtshilfe. Mittlerweile geht es offenbar um das große Ganze. Dr. Gereon Blum, Geschäftsführer der GFO-Kliniken Südwestfalen, sagte: „Man kann nicht an einem Standort Geburtshilfe vorhalten, wenn alle anderen Bereiche wie Chirurgie, Anästhesie und OP-Bereitschaft dort nicht mehr vorhanden sind.“ Bei den Hiobsbotschaften fragte sich so mancher im Saal, was denn am Standort Altenhundem überhaupt noch bleiben werde.

„Ich befürchte, dass wir in fünf oder zehn Jahren gar kein Krankenhaus mehr haben werden“, so Kerstin Bauer (UWG). „Die Zukunft ist unkalkulierbar“, gab Morell zu. Dr. Gereon Blum wurde konkreter. „Wir werden versuchen, Gynäkologie, Chirurgie und Innere über das MVZ abzuwickeln.“ Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) ist eine Art ambulante Arztpraxis mit mehreren Ärzten im Krankenhaus. Nur so lasse sich der Standort überhaupt erhalten. Ob das funktioniere, eventuell auch mit Ansiedlung eines Kinderarztes, das hänge wiederum von der personellen Situation ab. Für die GFO scheint die Krankenhauslandschaft im Kreis Olpe klar sein. „Ich glaube, dass der Kreis Olpe ein Krankenhaus in Olpe braucht und in Lennestadt müssen wir sehen, was wir dort gewährleisten können“, so Morell. Über Zeiträume wurde nicht gesprochen.

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Zweifel aus dem Kreis der Hebammen, dass das Martinus-Hospital in Olpe im Januar gar nicht genug Kapazitäten habe, um zusätzlich alle schwangeren Frauen aus Lennestadt aufzunehmen, wies Dr. Blum zurück. Die Geburtenzahlen gingen zurück, man sei vorbereitet.

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Die Fraktionen hatten sich auf das Thema vorbereitet. Doch fast alle Argumente der Stadtverordneten gegen die Schließung der Geburtshilfe, wie viel zu lange Anfahrtszeiten für Schwangere oder die Nichterfüllung des Versorgungsauftrags für den ländlichen Raum, prallten an den Gästen ab. Heinz Vollmer (SPD) wurde emotional: „Ich höre hier nur noch Zahlen, wo bleibt das Solidaritätsprinzip. Es geht hier um das Anliegen von zig tausend Menschen.“ Die Zuhörer applaudierten. Ingo Morell verwies auf die Krankenhausreform: „Sie prügeln hier die Falschen. Wir können nicht riskieren, dass wir im Kreis Olpe überhaupt keine Geburtshilfe mehr haben. Sie sagen, es gehe uns nur ums Geld. Aber wir können Lennestadt nicht erhalten, wenn die GFO pleite ist.“ Im gesamten Krankenhaus-Bereich habe die GFO im letzten Jahr einen Verlust von 23 Millionen Euro gemacht. Dr. Reinhard Schröder, früherer Chefarzt am St. Josefs-Hospital, konnte sich eine Spitze gegen den Krankenhausträger nicht verkneifen. „Wenn gespart werden musste, dann wurde immer das St. Josefs-Hospital vorgeschoben, nie Olpe.“ Ingo Morell dementierte. Solange die GFO in der Trägerschaft sei, habe man Olpe und Altenhundem immer als ein Krankenhaus mit zwei Standorten betrachtet. Und: Ohne die Zugehörigkeit zu Olpe hätte sich für die Geburtshilfe in Altenhundem kein Haftpflichtversicherer mehr gefunden.

Viele Frauen legten am Mittwoch auf dem Marktplatz in Altenhundem eine brennende Kerze als Symbol für die im Altenhundemer Krankenhaus geborenen Kinder nieder.
Viele Frauen legten am Mittwoch auf dem Marktplatz in Altenhundem eine brennende Kerze als Symbol für die im Altenhundemer Krankenhaus geborenen Kinder nieder. © Volker Eberts / FUNKE Foto Services | Volker Eberts

Eine Online-Petition im Internet bekam in den letzten Tagen mehr als 20.000 Unterschriften gegen die Schließung der Geburtshilfe. Am Mittwochnachmittag hatten 350 Menschen, darunter nicht nur Mütter und Frauen, für den Erhalt der Geburtshilfe auf dem Marktplatz in Altenhundem demonstriert - und das bei sengender Hitze. Einige der Initiatoren, Hebammen und Beschäftigte der Geburtshilfe-Station in Altenhundem, waren später auch ins Rathaus gekommen. Ihre Hoffnung ruht nun auf der Politik, dass diese bei den Kreisen und beim Land NRW doch noch irgendwie den Erhalt der Geburtshilfe in Altenhundem erreichen kann. Denn noch ist die Krankenhausreform nicht abgeschlossen, bis zum 11. August können die Kommunen und der Kreis ihre Stellungnahme dazu abgeben. Diese Chance will die Stadt nutzen. Der Stadtrat beschloss gestern abend einstimmig eine Resolution: Die GFO soll den Verzicht auf die Geburtshilfe in Altenhundem zurückziehen. Stadt und Kreis sollen nach Lösungen suchen. Am Montag reist Bürgermeister Puspas nach Düsseldorf, um dort beim Land zu intervenieren. Anfang Juli ist ein Krisengipfel der Bürgermeister aller betroffenen Kommunen zum Thema Versorgungssicherheit in der Region geplant. Ziel ist laut Bürgermeister Puspas: „Wir müssen dafür sorgen, dass wir die wichtigsten Funktionen hier erhalten.“