Olpe/Siegen/Bad Berleburg. Die Industrie- und Handelskammer Siegen stellt in Olpe die Ergebnisse einer Umfrage vor und findet das Resultat „erschütternd“.

„Der Befund ist erschütternd.“ Dieser Satz fasst das Urteil zusammen, das die IHK Siegen über eine Umfrage fällt, die auf Antworten von 270 Ausbildungsbetrieben in den Kreisen Olpe und Siegen-Wittgenstein begründet ist. Am Mittwoch stellte IHK-Geschäftsführerin Sabine Bechheim gemeinsam mit dem stellv. Vorsitzenden des Berufsbildungsausschusses, Dirk Pöppel (Firma Regupol, Bad Berleburg), sowie André Arenz, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Olpe sowie DGB-Kreisvorsitzender im Kreis Olpe und Mitglied des Ausschusses, in der IHK-Geschäftsstelle Olpe diese Untersuchung vor und bezogen Stellung. Fazit: Der großen Mehrzahl der antwortenden Unternehmen fällt es immer schwerer, Auszubildende zu finden. Das liegt zum einen daran, dass sich immer weniger junge Menschen um eine Ausbildung bewerben, zum anderen jedoch daran, dass diejenigen, die sich bewerben, nach Ansicht der Betriebe oft weniger geeignet sind als früher, und eine bedenklich große Zahl von Firmen sieht die Lage schon so schlecht, dass sie Ausbildungsplätze unbesetzt lässt. So berichtet mehr als die Hälfte der antwortenden 270 Ausbildungsbetriebe, dass sowohl im gewerblich-technischen wie im kaufmännischen Bereich zum Teil deutlich weniger Bewerbungen eingehen als in früheren Jahren. Und durch die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium und dem damit verbundenen Wegfall eines ganzen Abschlussjahrgangs werde dies bald noch dramatischer.

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Hinzu komme, dass es immer öfter schon an grundlegenden Voraussetzungen fehle, um eine Ausbildung abzuschließen. Über 70 Prozent der antwortenden Betriebe klagen über schlechte Mathematikkenntnisse der Bewerber, 67 Prozent berichten, dass die sprachliche Fähigkeiten immer schlechter würden. Und rund ein Drittel der Betriebe moniert schlechtere Fremdsprachenkenntnisse, obwohl, so Sabine Bechheim, die meisten der aktuellen Auszubildenden schon ab der ersten Klasse Englisch-Unterricht erhalten hätten.

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Viele Ursachen führen die drei auf das Schulsystem zurück. Dirk Pöppel sehnt sich das alte Modell des dreigliedrigen Schulsystems zurück, bei dem Haupt- und Realschule sowie Gymnasium eine differenzierte Schulbildung mit guter Anbindung an die berufliche Orientierung ermöglicht hätten. Dabei ergebe die Umfrage das klare Bild, dass in Sachen Ausbildung das Streben nach dem Abitur keineswegs der richtige Weg sein müsse: „Mehr als drei Viertel aller Betriebe bevorzugen Schulabgänger mit dem Mittleren Schulabschluss. Die Schulpolitik, getrieben von Eltern- und Schülerwünschen, setzt immer stärker und mancherorts ausschließlich auf Gesamtschulen und Gymnasien. Oft genug wählen die Jugendlichen selbst bei eher schlechtem Notenschnitt aus Prestigegründen den längeren Schulbesuch“, der bringe ihnen aber außer einer zusätzlichen „Warteschleife“ wenig ein. „Die Ausbildungsunternehmen haben deutlich gesagt: Hier in der Region macht man Karriere mit Lehre, gegebenenfalls plus Fortbildung. Das Studium ist in weniger als 3 Prozent für ein Fortkommen in den befragten Unternehmen erforderlich“, macht Sabine Bechheim die Chancen für Fachkräfte mit Berufsausbildung deutlich. „Das Ungleichgewicht von betrieblicher Realität und dem Bild in den Köpfen ist offenkundig durch noch so viele Appelle nicht aus der Welt zu schaffen.“ Noch immer heiße es beispielsweise unter Abiturienten, ein Mitschüler mache „nur“ eine Ausbildung: „Das muss aufhören.“

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Die insbesondere an den Hauptschulen früher gut etablierte Berufsorientierung müsse nach Meinung der Betriebe auch an anderen Schulen intensiviert werden. „Insbesondere an Gymnasien sollte die berufliche Bildung mit dualer Ausbildung und höherer Berufsbildung gleichgewichtiger Bestandteil neben der Studienorientierung werden“, wirbt Dirk Pöppel für mehr Gleichberechtigung der verschiedenen Wege in den Beruf. André Arenz weiß: „Es gibt auch Gymnasien, welche eine sehr gute und neutrale Berufsorientierung für alle Wege ins Berufsleben machen. Dies sollte Beispiel für alle Schulen sein, nicht schwerpunktmäßig in Richtung Studium zu orientieren.“

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Ein wichtiger Schritt, um Ausbildungen attraktiver zu machen, wäre es, die Berufsschul-Anbindung attraktiver zu machen. Hier seien alle Beteiligten aktiv, so Pöppel, schließlich sei es für einen 16-jährigen schlicht nicht zumutbar, aus dem IHK-Bezirk Siegen heraus eine Berufsschulklasse in Hagen oder Dortmund zu erreichen. Mit Spannung erwartet sie den zweiten Teil der Befragung: Dann will die IHK die Ausbildungsbewerber fragen, um zu erfahren, was diese von Betrieben erwarten, um eine Ausbildung zu beginnen.