Herdecke. „Krumm und grundsolide“ nennt die Deutsche Bahn das heimische Wahrzeichen. Der Ruhrverband und das Stadtarchiv Hagen stellen alte Bilder bereit.

Mit dem Cuno-Schornstein ist zum Jahresende ein heimisches Wahrzeichen verschwunden. Kurios: Während der abschließenden Abrissarbeiten machten sich in der Nachbarschaft von dem abgetragenen Turm zeitgleich Fachleute am beeindruckensten Symbol Herdeckes ans Werk. Dabei kann es sich nur um das oder den (laut Duden sind beide Schreibvarianten möglich) Viadukt am Harkortsee handeln.

Freischnitt im Dezember

Der wirkt nun ziemlich „entblößt“. Bekanntlich hat eine Fachfirma aus dem Sauerland im Dezember auf einer Seite das Mauerwerk entlang der Gartenstraße freigelegt und von Bäumen oder Sträuchern befreit. Die Deutsche Bahn als Eigentümerin des Viadukts hatte einen Freischnitt und die Rodung in Auftrag gegeben, um geotechnische Untersuchungen an dem alten Bauwerk angehen zu können. Wann Ergebnisse dazu vorliegen und welche Folgemaßnahmen daraus erwachsen, ist derzeit offen.

Eisenbahnviadukt Harkortsee
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Viadukt in Herdecke zwei Mal stark beschädigt, Willy Lehmacher hat dieses Bild nach 1945 angefertigt. © WP | Stadtarchiv Hagen

Auch oben auf der Eisenbahnbrücke tauchten zuletzt immer wieder Bauarbeiter mit leuchtenden Warnwesten auf. Dort haben sich Experten den Gleisen gewidmet. Dieses Projekt ist seit rund einem Monat abgeschlossen, auf einer Länge von rund 600 Metern haben die Fachleute Schwellen ausgetauscht.

Eisenbahnviadukt Harkortsee
Nach der Möhne-Bombardierung baumelte das Eisenbahngleis über dem Harkortsee. Mit Glück konnte eine Zugkatastrophe verhindert werden. © WP | Stadtarchiv Hagen

Bauarbeiten am Viadukt lösen bei alteingesessenen Herdeckerinnen und Herdeckern Erinnerungen aus. Im Zweiten Weltkrieg spülte 1943 nach der Bombardierung der Möhne-Talsperre eine gewaltige Flutwelle einen Pfeiler weg. Zwei Jahre später sprengte die Wehrmacht zwei Bögen weg, um den Vormarsch der Alliierten zu erschweren.

Eisenbahnbrücke Harkortsee
Am 5. Juni 1951 sucht die Feuerwehr am Viadukt bei Herdecke nach einer mutmaßlich ertrunkenen Person. Auf dem Foto von Willy Lehmacher ist einer der am 13. April 1945 gesprengten Pfeiler des Viadukts zu sehen. © WP | Stadtarchiv Hagen

An diese besonderen Ereignisse erinnern bis heute bemerkenswerte Fotoaufnahmen. Gelegentlich veröffentlichen der Ruhrverband und auch das Hagener Stadtarchiv (das kann auf eine große Sammlung von Willy Lehmacher zugreifen) diese Bilder auf ihren Facebookseiten. Nach Rücksprache mit den beiden Institutionen kann auch die Lokalredaktion diese Zeitzeugnisse hier veröffentlichen.

Herdecker Viadukt.
Nach den Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg wurde das Viadukt wieder aufgebaut, das Foto entstand 1952. 1957 fuhren wieder Züge darüber. © Ruhrverband, Gursch,Ross

Außerdem hat die Deutsche Bahn vor einiger Zeit einen interessanten Aufsatz zur markanten Verbindung nach Hagen veröffentlicht: „Krumm und grundsolide“ lautet die Überschrift des Textes. Gleich zu Beginn der Ausführungen geht es um weitere Vokabeln. Das „wuchtigste Wahrzeichen der Stadt Herdecke in Nordrhein-Westfalen“, ein „optisch herausragendes Bauwerk“, „markant“, „majestätisch“ – so und ähnlich wird demnach der Viadukt, eine gemauerte Eisenbahnbrücke mit zwölf Bögen, gemeinhin bezeichnet. 1887 gebaut, sei die Brücke heute noch zu 75 Prozent im Originalzustand. Und damit als grundsolide zu bezeichnen, heißt es seitens der Bahn.

Eisenbahnviadukt Harkortsee
Der Hagener Fotograf Willy Lehmacher hat das Baudenkmal aus einer luftigen Perspektive in Szene gesetzt. © WP | Stadtarchiv Hagen

Thomas Johann, als Leiter Regionalnetz Bergisch-/Märkisches Land für das Bauwerk zuständig, habe es daher auch leicht, was die Instandhaltung der Brücke angeht. „Trotz seines hohen Alters ist der Viadukt in einem sehr guten baulichen Zustand. Wir mussten in den letzten 20 Jahren keine grundlegenden Erneuerungen durchführen“, wird Johann im besagten Text zitiert.

Eisenbahnviadukt Harkortsee
Das imposante Bauwerk ist damals wie heute ein beliebtes Fotomotiv. © WP | Stadtarchiv Hagen

Zum Hintergrund schreibt die Bahn: Als die Gewölbebrücke seinerzeit über die Ruhr gespannt wurde, um den Fernverkehr zu beschleunigen, hatte man ein Mauerwerk errichtet, das im Inneren mit Stampfbeton aufgefüllt wurde. „Solche Bauwerke halten im Grund ewig“, erklärt Johann, der die Brücke zusammen mit seinen Kollegen regelmäßig inspiziert. Zum guten Allgemeinzustand trägt sicherlich auch die derzeit geringe Beanspruchung des Viadukts bei: Die Brücke wird heute nur noch eingleisig vom Nahverkehr mit einer Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h befahren.

Mit dem Zwischentitel „wunderbare Krümmung“ beginnt der letzte Absatz: Der Herdecker Viadukt überzeugt aber nicht nur aufgrund seines guten Zustands. Er beeindruckt auch durch seine ungewöhnliche Bauform. Die 30 Meter hohe und 313 Meter lange Brücke führt nämlich nicht gerade, sondern leicht gekrümmt über die Ruhr. „Der Viadukt verläuft mit einer leichten Kurve mit einem Radius von 400 Metern. Er hat eine ganz wunderbare Krümmung“, beschreibt Thomas Johann die Form des Wahrzeichens. „Auch aufgrund dieser Biegung ist der Viadukt also etwas ganz Besonderes“, heißt es abschließend.