Herdecke. . Vor zwei Veranstaltungen im Onikon erinnern sich Zeitzeugen, wie sie die Flut nach der Möhne-Bombardierung am 17. Mai 1943 in Herdecke erlebten.
Sechs Zeitzeugen sitzen an einem schönen Nachmittag vor dem Onikon, um sich an ein schreckliches Ereignis im Zweiten Weltkrieg zu erinnern. Die Möhne-Katastrophe vor 75 Jahren ist den Senioren noch gut im Gedächtnis.
Nach der Bombardierung in der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 erreichte die Flutwelle am nächsten Morgen gegen 7.30 Uhr Herdecke.
Ellen Kirch (82)
Das gesamte Bachviertel stand unter Wasser, auch in unserem Haus stand es bis unter die Decke. Wir waren auf dem Balkon, als ein Tisch vorbeischwamm. Auf dem saßen ein Hund und ein Kind, das entsetzlich um Hilfe schrie. Der Junge war vier oder fünf Jahre alt. Was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht. Erst nach einer gewissen Zeit hieß es, dass der Engländer die Möhne bombadiert habe, das sprach sich dann ‘rum. Ich habe auch noch die Worte meiner Mutter im Ohr: Wer soll all den Mist wegmachen? Der Schlamm stand ja in Häusern bis unter die Decke, die Möbel mussten weggeworfen werden.
Rudolf Lenz (88)
Als ich in der Mark-Siedlung oberhalb der Wetterstraße wach wurde, hörte ich ein furchtbar lautes Rauschen. Ich ging zur Oma ins Zimmer. Vom Fenster sahen wir, wie alles unter Wasser stand. Dann entdeckte ich das Haus des Ruderclubs, das an einem Viadukt-Pfeiler zerschellte. Wir Kinder gingen dann zum Ufer, auch wenn unsere Eltern das wegen der Gefahr nicht wollten. Auf einer Wiese wimmelte es vor Fischen. Ich habe auch mitbekommen, wie oben auf dem Viadukt der Zug noch rechtzeitig vor der Lücke anhielt. Und von der Firma Habig sah ich, wie Stoffballen forttrieben, hinzu kam jede Menge Treibholz, Pferdefuhrwerke und zum Teil auch noch Pferde in dem dazugehörigen Geschirr.
Heinz Kühnholz (84)
Ich sehe noch vor mir, wie aus dem ersten Stock von manchen Häusern Möbel heraus schwimmen. Und wie der Eingang im damaligen Kino, die Tonhalle in der Bergstraße (das heutige Jugendzentrum am Bachplatz), unter Wasser stand. Überall herrschte eine große Aufregung. Es gab auch davor schon mal Hochwasser, aber bis hin zum heutigen Blumenladen in der Hauptstraße war noch keines gekommen, die Ruhrbrücke bis zum Kaisberg war kaum noch zu erkennen. Unvergessen ist, wie verzweifelt Albert Russe auf dem Dach des Pumpenhäuschens saß, nachdem er sich im Haus mittels Beseitigen von Ziegeln über ein Loch auf das Dach retten konnte. Oder zwei Jungs um die 18, die – als das Wasser zurückging – in die Löwen-Apotheke marschierten und dort reinen Alkohol klauten.
Wolfgang Kessler (79)
Der Kindergarten in der Spinngasse fiel aus, also sind wir zur Ruhr. Ich sah am Viadukt, wie ein Hund auf einer Hütte saß, die an einem der Pfeiler zerschellte. Zu meinen ersten Eindrücken zählt auch das angeschwemmte Viehzeug.
An dem Tag haben aber die wenigsten gewusst, dass die Flutwelle mit der Möhne-Bombardierung in Zusammenhang steht. Im Vergleich ist Herdecke aber noch glimpflich davon gekommen.
Helmut „Auge“ Jürgens (74)
Wir wohnten in der Bachstraße, meine Eltern hatten da seit 1936 eine Metzgerei. Meine Mutter erzählte mir, dass das Hochwasser einen massiven Hauklotz zum Fleischschlagen wegspülte, den allenfalls vier starke Männer bewegen konnten. Bei uns stand das Wasser bis zum Bettkasten, die Schäden waren vier Jahre später noch zu sehen.
Film im Onikon zu sehen
Während des Zweiten Weltkrieges plante Großbritannien die Zerstörung der Wasserversorgung für die Rüstungsindustrie sowie auch der Zivilbevölkerung des Ruhrgebiets. Von der Entwicklung von Rollbomben und der Ausführung der sogenannten „Operation Chastise“ (Züchtigung) am 16. und 17. Mai 1943 handelt der Schwarz-Weiß-Film „The Dam Busters“, den das Onikon in der Goethestraße 14 am Samstag, 19. Mai, um 19 Uhr in Deutsch synchronisierter Fassung zeigt und der zu übersetzen wäre mit dem Titel „Die Staudamm-Brecher“.
Während der 120 Minuten kann der Zuschauer in die Geschichte von dem von der Royal Air Force beauftragten Ingenieur Barnes Wallis (gespielt von Michael Redgrave) eintauchen, der die Rollbomben konstruieren sollte, um damit die Staumauer der Möhne- und der Eder-Talsperre zu sprengen.
Tiefflug-Training
Neben den Laborversuchen geht es auch um das Tiefflug-Training der Piloten im schottischen Hochland und weitere technische Vorbereitungen. Im weiteren Verlauf des Filmes aus dem Jahre 1954 wird auch die Zerstörung des Möhne-Damms durch eine Lancaster-Bomberstaffel unter der Leitung von Wing Commander Guy P. Gibson (Richard Todd) dargestellt, gleichwohl heroisierend und patriotisch gefärbt.
Die Entwicklung und der Einsatz der britischen Rollbombe gilt noch heute als militärtechnische Meisterleistung, brachte jedoch auch große Verluste mit sich.
Bevor der Film „The Dam Busters – Die Zerstörung der Talsperren“ (freigegeben ab zwölf Jahren) zu sehen ist, widmen sich am 19. Mai Uli Weishaupt und Wolfgang Kubis ab 16 Uhr der Möhne-Katastrophe 1943 mit ihren Auswirkungen in Herdecke.
Im Onikon zeigen die beiden rund zwei Stunden Fotos aus der Sammlung des 2014 verstorbenen Heimtkundlers Walter Klisch. Die Bilder und Erklärungen belegen, welche Auswirkungen die Flutwelle am Morgen des 17. Mai 1943 in Hagen-Hengstey, Herdecke und Wetter hatte.