Wetter. Dörfliche Brunnen haben Timothy Vincent die Idee für eine besondere Begräbnisstätte geliefert. Hinterbliebene profitieren gleich mehrfach.
Mannshoch steht der verfugte Brunnenrand auf einer Palette und wartet auf den Transport nach Mürzenich in der Eifel. Es ist der mittlerweile dritte „Ewigkeitsbrunnen“, den Timothy Vincent aufstellen wird. Der Steinmetz aus Wetter hat schon viele Preise gewonnen für seinen nachhaltigen Umgang mit dem Rohstoff Stein. Nun soll auch der besondere Brunnen bei einem bundesweiten Wettbewerb überzeugen. Wieso? Das verrät Vincent im Gespräch.
Wie hat sich die Idee entwickelt?
Normal ist es so, dass die Gräber abgeräumt werden, wenn die Nutzungszeit abläuft. Erinnern, Gedenken endet für mich aber nicht mit der Nutzungsfrist. Das geht über Generationen hinaus. Ich finde es wichtig, wenn Menschen auch ihre Urgroßväter am Grab besuchen können und wissen, wo die Familienangehörigen liegen. Ein Friedhof sollte verlässlich darüber Auskunft geben. Totengedenken, Ahnengedenken, sich an die Vorfahren erinnern – das ist ein Grundstock unserer Gesellschaft. Das versichert uns, dass wir leben, dass wir endlich sind, und dass wir nur dieses eine, unsagbar schöne Leben haben.
Was muss man sich unter einem Ewigkeitsbrunnen vorstellen?
Der sichtbare Teil ist aus Natursandstein. Das Material ist sehr stabil, dazu frost- und tausicher. Es lässt sich phantastisch verarbeiten und sieht gut aus. Oben ist der Brunnen abgeschlossen mit einer Metallplatte, die einen runden Einlass für die Urnen lässt. Im Erdreich gibt es eine Kaverne, die für mehrere hundert Urnen Platz haben kann. Die Urnen sind aus einem Material, das sich mit der Zeit zersetzt. Ist die Kaverne gefüllt, kann der Brunnen verrückt werden.
Wieso „Brunnen“, wenn doch gar kein Wasser fließt?
Der Brunnen-Gedanke soll zunächst einmal an das Archaische, an die dörfliche Situation erinnern. Letztlich wurde beim Wasserholen das dörfliche Geschehen verhandelt. Beim Ewigkeitsbrunnen nun geht es darum, in den Erinnerungen zu schöpfen, die man angesichts der Toten hat, wenn man zu deren Grabstelle zurückkehrt.
Welche Vorteile bringt das?
Wenn wie sonst jeder seine eigene Grabstelle hat, ist auch der Hinterbliebene vereinzelt. Dann ins Gespräch zu kommen und miteinander zu trauern, ist schwieriger als an einem gemeinsamen Ort. Durch den Ewigkeitsbrunnen soll eine Gemeinschaft der Trauernden geschaffen werden. In deren Gespräch ist die Trauer vielleicht schneller oder besser zu bewältigen. Man ist in der Trauer nicht alleine.
Bei der Dauer klingt der Begriff „ewig“ sehr hoch aufgehängt...
Schon klar: Nach der rechtlichen Maßgabe währt die Ewigkeit maximal 99 Jahre. Der Ewigkeitsbegriff soll aber darauf verweisen, dass es eine Erinnerung und ein Darüberhinaus gibt auf dem Friedhof. Ich möchte signalisieren: Die Asche, das Grab ist nicht einfach weg, wenn die Nutzungszeit abläuft.
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Wie passt so ein Konzept in die heutige Zeit?
Gerade in unserer schnelllebigen Zeit brauchen wir Ankerpunkte. Wir brauchen Ruheorte für die Fragen: Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Und wer ist vor mir schon gegangen? Außerdem: Friedhöfe werden für die Betreiber immer teurer, weil die nicht genutzten Flächen immer größer werden. Durch die Konzentration beispielsweise auf einen Ewigkeitsbrunnen entfällt die Pflege an der Begräbnisstelle, und der Rest des Friedhofs könnte in eine parkähnliche Anlage umgewandelt werden.
Der Ewigkeitsbrunnen ist also auch ein Sparmodell?
Im Großen und Ganzen: Ja. Die Brunnenanlage spart Platz und Pflegeaufwand, für die Angehörigen wie für die Friedhofsbetreiber.
Wenn ich die Begräbnisform Ewigkeitsbrunnen für mich wünsche, was muss ich tun?
Man muss einfach Bedarf anmelden. Und je mehr Menschen das tun, desto eher wird so etwas auch umgesetzt. Es gilt das Gesetz von Angebot und Nachfrage. So ist es ja auch bei den pflegeentpflichteten Urnen- und Rasengräbern gewesen. Das hat auch mit Abgucken funktioniert.
Müssen dafür Friedhofsordnungen umgeschrieben werden?
Es bleibt ja eine Beisetzung in der Erde und ein Gemeinschaftsgrab. Das gibt es ja auf jedem Friedhof.
In Hagen gab‘s 2019 den ersten Ewigkeitsbrunnen, Bad Soden-Allendorf hat einen seit dem Frühjahr diesen Jahres, Merzenich bekommt gerade einen. Ist solche ein Radius üblich für einen Steinmetzbetrieb?
Eher nicht. Meistens sind Steinmetze regional unterwegs in einem Radius von vielleicht 30 oder 40 Kilometern. Besprechungen des Ewigkeitsbrunnens in überregionalen Fachzeitschriften und die Nominierungen für Preise haben allerdings für Aufmerksamkeit gesorgt. Ich habe aber auch schon im Saarland, in Schleswig-Holstein oder in Bayern Steine aufgestellt. Wer nachhaltig gewonnene oder recycelte Grabsteine sucht, kommt dank des Internets schnell auf mich.
Gibt es Überlegungen für einen Ewigkeitsbrunnen auch für Wetter oder Herdecke?
Im Moment läuft da überhaupt nichts.