Wetter/Herdecke. . Welches Material ist noch mehr von Dauer? Timothy Vincent spricht über Nachhaltigkeit und die Verantwortung fürs Klima, auch für das politische.

Stein ist ein besonderes Material. Timothy Vincent geht täglich damit um. Die Redaktion sprach mit ihm über Ewigkeit, über Nachhaltigkeit und über den Beitrag eines kleinen Betriebs zu einer besseren Klimabilanz für den ganzen Globus.

Stein steht für Tradition. Wo ist das in Wetter oder Herdecke erfahrbar?

Timothy Vincent: Ganz Wetter, ganz Herdecke, steht auf einem Sockel aus Ruhrsandstein. Dieser Stein wird regional gebrochen. Auch der von mir gestaltete Brunnen in Ende verbindet Tradition und Moderne. Wir haben zwei Steine: den Ruhrsandstein als Stele, als Verbindung zwischen Himmel und Erde, und dann den Kubus aus einem fließenden Material.

Im Bewusstsein sind Denkmale und auch Grabsteine etwas für die Ewigkeit...

Man spricht beim Stein durchaus von Ewigkeit, weil Stein in ganz anderen Zeitläuften verwittert oder vergeht als wir als Menschen. Wir entnehmen der Natur ein Material, das uns überdauert, daher dieser Ewigkeitswert.

Wo setzt der Nachhaltigkeitsgedanke bei so etwas Beständigem wie Stein an?

Zur Person

Timothy C. Vincent wurde geboren 1966 in Wakefield/UK.

Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Sein Wohnort ist Wetter, aufgewachsen und zur Schule gegangen ist er in Herdecke.

Er ist Diplom-Ingenieur für Werkstofftechnik mit dem Schwerpunkt Oberflächentechnik/Korrosion.

Fünf Jahre war er beim Ruhrsandsteinbruch Grandi in Her­decke beschäftigt.

Timothy Vincent war in verschiedenen Steinbildhauereien tätig.

2003 hat er sich als Steinmetz und Steinbildhauer selbstständig gemacht.

Im Steinbruch Grandi habe ich gelernt, dass man mit allem, was man aus dem Berg heraus holt, etwas machen kann, vom großen Block runter bis hin zu gesiebter Erde. Es wird also nichts weggeschmissen. Es entsteht kein Abfall, sondern immer ein Naturprojekt, das seinen Zweck schon hat oder noch finden wird. Wenn ich aus einem Grabmal als gestaltetem Stein wieder ein Grabmal machen will, muss ich sehen, ob die Maße noch den jetzigen Anforderungen entsprechen. Aber man könnte ja auch andere Dinge daraus machen wie – ganz profan – Vogeltränken oder Figuren.

Wie ansteckend waren diese Botschaften bisher? Gibt es bei der Kundschaft gezielte Nachfragen oder müssen die Kunden erst auf den Geschmack gebracht werden?

Solche Fragen kommen. Dann geht es beispielsweise um das alte Grabmal von der Oma, das für ein neues Grab umgearbeitet werden soll. Aus dem Nachhaltigkeitsgedanken heraus wird das weniger nachgefragt. Aber ich biete das dann an im Kundengespräch.

Fällt man als Steinbildhauer noch auf, wenn man Nachhaltigkeit so propagiert?

Es ist Standard, dass der Steinmetz in seinem Portefolio viele Industriesteine hat. Und es ist eher die Ausnahme, dass ein Steinmetz bei dem nicht mitmacht, was 85 Prozent seiner Kollegen anbieten. Es ist auch die Ausnahme, dass ich klar trenne, welche Steine ich mit gutem Gewissen anbieten kann und welche ich wegen meiner Haltung nicht anbiete. Dabei war das Recyclen von abgeräumten Grabsteinen üblich, bevor durch die Globalisierung auch Steine von weit weg auf den Markt kamen.

Gab es ein Schlüsselerlebnis zur Gründung von „Handwerk mit Verantwortung“?

2014 wurde das Bestattungsgesetz in NRW erweitert. Danach dürfen nur noch zertifizierte Steine auf NRW-Friedhöfe. Zertifiziert wird, dass Kinderarbeit bei diesen Steinen nicht stattgefunden hat. Neben diesen Steinmetzen mit Zertifikat wollte ich mich mit meiner Haltung aufstellen. Dann hat sich das erweitert, denn alle Handwerker haben das Problem, dass sie nicht wissen, woher die Produkte kommen, die sie ihren Kunden anbieten. Da gibt es kaum Transparenz, oder es wird mit Siegeln gearbeitet.

Jüngst ist aber auch für Ihren Betrieb ein Klimazertifikat dazu gekommen...

Man muss dabei fragen, wer zertifiziert hier denn wen? Meist geht es darum, dass bestimmte Arbeitsbedingungen bei der Produktion ausgeschlossen werden sollen. Nur: Das kann ich nicht nachprüfen. Bei diesem speziellen Zertifikat habe ich aber selbst die Daten für den Energieverbrauch eingegeben. Es handelt sich im Grunde mehr um eine Berechnung eines CO2-Abdruckes meines Betriebs als um ein Zertifikat. Es geht darum, wie ich Emmission durch mein eigenes Zutun kompensiere.

Hört die Übernahme von Verantwortung fürs Klima und für die Gesellschaft bei der Arbeit auf?

Ich kann mich als Unternehmerpersönlichkeit nicht zweiteilen. Es wäre ja schizophren, ein völlig grünes Unternehmen zu leiten und privat entgegengesetzt zu handeln. Entweder ist es eine Haltung, die ich überall lebe, oder ich lasse es.

Auf Ihrer Facebook-Seite gibt es viele Beiträge zu politischen Debatten. Wird aus dem Steinbildhauer mit Verantwortungsgefühl bald auch noch der Politiker Timothy Vincent?

Bestimmt nicht. Entscheidend ist für mich, dass jeder eine Stimme hat und sich eine Meinung bilden kann. Jeder Mensch sollte an einer politischen Diskussion teilnehmen. Stumm bleiben bei Dingen, die mich stören, halte ich für nicht gut. Das Maß, wie weit man sich einbringt, muss aber jeder für sich selber finden.