Herdecke. An ein Defizit in Millionenhöhe hat sich die Stadtverwaltung gewöhnt. Investieren will sie 2025 in Schulen, Bäder und in die Sanierung von Straßen.
Ein wenig lässt sich die aktuelle Haushaltsrede von Herdeckes Kämmerer mit dem legendären Wutausbruch von Rudi Völler vergleichen. Im September 2003 platzte dem damaligen Fußball-Nationaltrainer nach einem schlechten Spiel der DFB-Elf auf Island der Kragen und sprach nach kritischen TV-Nachfragen von „immer tieferen Tiefpunkten“. Bei Dennis Osberg hört sich das nun so an: „Die finanziellen Rahmenbedingungen haben sich nochmal deutlich verschlechtert“, so der 1. Beigeordnete in der jüngsten Ratssitzung.
Sach- und Personalkosten steigen
Die bekannten Krisen wirken sich demnach weiter auf den städtischen Haushalt aus. Die stagnierenden und sinkenden Steuereinnahmen belasten den Etat massiv. „Gleichzeitig steigen die Sach- und Personalkosten merklich“, berichtet Osberg. „Wir haben vor Ort geflüchtete Menschen unterzubringen und zu integrieren; wir sind verpflichtet, einen nicht gegenfinanzierten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung umzusetzen und haben die Pflicht bekommen, eine kommunale Wärmeplanung zu erstellen.“ Gleichzeitig müsse in Klimaschutz und Digitalisierung investiert werden, dazu käme noch ein massiver Investitionsstau in der kommunalen Infrastruktur.
Millionen-Loch
Sein fast 800 Seiten umfassender Entwurf für das nächste Jahr, über den die Politik nun bis zur nächsten Ratssitzung am 5. Dezember berät, weist ein Defizit von 1,01 Millionen Euro auf. In der mittelfristigen Finanzplanung hatte die Stadt Herdecke mit einem Minus von 5,5 Mio. Euro gerechnet. „Diese annähernd ausgeglichene Ergebnisplanung ist jedoch nur durch die Rückführung der TBH möglich“, erklärt Osberg. Die Technischen Betriebe Herdecke gehören ab 2025 wieder als Abteilung zur Stadtverwaltung, das bringe einen Ertrag in Höhe von 7,82 Millionen Euro mit sich (vorbehaltlich des noch zu erstellenden Jahresabschlusses für 2024). Ohne die Wiedereingliederung dieser eigenbetriebsähnlichen Einrichtung wären die Zahlen des Etats aktuell nochmal deutlich schlechter ausgefallen.
Die den Angaben zufolge ambitionierte Investitionsplanung für 2025 beinhalte nur Projekte, die dringend notwendig seien und nicht in die Kategorie „wünsch dir was“ fallen. Trotz der Sparmaßnahmen und des kritischen Blicks auf Folgekosten plant die Kämmerei Ausgaben von „sage und schreibe fast 27 Millionen Euro“. Als da wären: Sanierung des Rathauses abschließen, Frei- und Hallenbad umbauen, Anbau an der Grundschule Hugo Knauer, Ergänzungsbau im Schulzentrum Bleichstein, einige Straßen samt Kanälen sanieren.
Personalprobleme
„Wir investieren in die zukunftsgerechte Ausstattung unserer Feuerwehr und des Baubetriebshofes, in den Hochwasserschutz, den OGS-Ausbau, die Ausstattung in den Schulen und die Digitalisierung“, so Osberg. „Oder sollte ich besser weiterhin sagen: Wir möchten investieren. Denn ohne Personal wird es uns nicht gelingen, all die Projekte zusätzlich zum Tagesgeschäft abzuarbeiten. Viel zu viele Stellen – insbesondere im Bereich der Ingenieure – sind unbesetzt. Wir schreiben aus, finden jedoch kaum Resonanz darauf. Der Fachkräftemangel schlägt voll zu und macht es uns als kleine Kommune unfassbar schwierig, Mitarbeitende für uns zu gewinnen.“
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Als Gründe für Herdeckes Finanzprobleme nennt der Kämmerer für 2025 neben den fortlaufend steigenden Personalkosten (1,3 Mio. ohne TBH-Mitarbeitende) auch die Erhöhung der Kreisumlage um 1,2 Millionen Euro. Auch für die Digitalisierung brauche es im Etat 600.000 Euro. „Wir wollen und müssen mehr tun, um uns gegen die Bedrohungen im Netz abzusichern.“ Mehr Finanzmittel als zuletzt gehen nun mit 300.000 Euro zudem in die Jugendhilfe. Auf die Stadt kommen demnach weitere Sorgen zu. Folgekosten durch die Corona-Krise und den Ukraine-Krieg führen ab 2026 zu jährlichen Belastungen von 156.000 Euro.
Ausgaben: 86,2 Millionen Euro
Kurzum: Erwartbaren Erträgen in Höhe von 77,36 Millionen stehen im Jahr 2025 prognostizierte Kosten von 86,2 Millionen Euro gegenüber. Ein ausgeglichener Haushalt sei unter den vorherrschenden Rahmenbedingungen nahezu unmöglich. Dies gilt laut Osberg umso mehr, wenn die Einnahmen starken Schwankungen wie zum Beispiel durch die Gewerbesteuer unterworfen seien und die Steigerungsraten bei den übrigen Steuern geringer ausfalle als erhofft.
Hausaufgaben machen und Hilfe einfordern
Der Kämmerer trägt all dies aber in einem ruhigen Ton vor und wirkt viel gefasster als seinerzeit Rudi Völler im Fernsehstudio. Sein Vorschlag: „Zunächst Lösungen für die Probleme am Ort finden, sparsam und wirkungsorientiert haushalten, gleichzeitig aber auch in aller Deutlichkeit die Botschaft nach Düsseldorf und Berlin senden, dass die chronische Unterfinanzierung beendet werden muss. Es bedarf einer Neuausrichtung der Kommunalfinanzen.“