Herdecke. Im Rat stimmen die Fraktionen über eine Erklärung ab. Inhalt: Keine Partei soll eine Geschäftsstelle in der Einkaufsmeile von Herdecke einrichten.

Erst die Diskussionen um das Geschäftsverbot für einen Friseur, dann der Streit um das Parteibüro der Grünen in den Rathausarkaden: Die Auseinandersetzungen zur Ausrichtung der Fußgängerzone in Herdecke haben längst die Fraktionen erreicht. In der jüngsten Ratssitzung hat es nun erstmals eine öffentliche Aussprache und eine Abstimmung zu dem Themenkomplex gegeben. Nach teils harschen Worten lässt sich festhalten: Der Zank geht weiter.

Kritik von allen anderen Fraktionen

Schon im Ältestenrat haben Herdeckes Politikverantwortliche vor einiger Zeit über das neue und noch nicht eröffnete Parteibüro in den Arkaden gesprochen, auch danach sollen interne E-Mails weitere Hinweise zum Umgang mit Ladenlokalen und zu Geschäftsansiedlungen in der Fußgängerzone enthalten haben. Die Grünen haben vor der Sitzung am Donnerstag eine Erklärung veröffentlicht, die bei den anderen Ratsfraktionen viel Kritik hervorgerufen hat. „Populistisch“ nennt Harald Müller von der CDU diesen Text mit der Überschrift „Innenstadtentwicklung statt Ablenkungsmanöver“.

Zeiten haben sich geändert

Die Grünen betonen, dass ihnen die Belebung der Fußgängerzone und die Steigerung der Besucherfrequenz wichtig sei. Eine Absprache aus den 1980-er Jahren zwischen allen Parteien und Fraktionen könne 2024 aber nicht der „gültige Maßstab für unsere Stadtentwicklung sein“, so Ortssprecherin Kirsten Deggim. „Genau darauf berief sich aber die Bürgermeisterin gemeinsam mit ihrer Partei, der CDU, als sie uns vorwarf, mit dem Einzug in der Hauptstraße 39c gegen politische Verabredungen aus jener Zeit zu verstoßen.“ Rechtlich bestehen demnach keine Einwände gegen diese Anmietung.

Vergleich mit anderen Städten

In der Ratssitzung selbst haben Irmingard Schewe-Gerigk, Silvia Stahlberg und Jassin El Atmani weitere Argumente der Grünen vorgetragen. In Städten wie Schwelm oder Schwerte gebe es Parteibüros in Fußgängerzonen, warum also nicht auch hier? Widerspruch aus anderen Fraktionen, schließlich gehe es um Herdecke. Vor rund 40 Jahren haben laut Schewe-Gerigk andere Voraussetzungen vorgelegen, „jetzt ist hier immer wieder Leerstand an der Tagesordnung, die Rathausarkaden sind nicht attraktiv und kaum vermietbar. Warum ist ein Parteibüro im Zentrum anstößig? Es geht doch auch um Bürgernähe. Wir alle sind Dienstleister für die Demokratie und gehören in unsere Mitte.“ Zudem sollte das NRW-Landesprogramm „Zukunft Innenstädte“ als Unterstützung zur Ansiedlung von Geschäftsleuten mehr in den Fokus rücken.

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CDU-Fraktionsvorsitzender Müller entgegnet, dass ein Parteibüro nichts in einer attraktiven Fußgängerzone zu suchen habe. Dort sei Platz für Gewerbe, um Steuereinnahmen zu erzielen und Arbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten. Sein SPD-Kollege Klaus Klostermann untermauert diese Ansicht und befürchtet gar, dass die Grünen womöglich sogar Händler, Gastronomien oder auch mal Dienstleister aus der Einkaufsmeile vertreiben. Vladimir Munk von den Linken und sein Nachbar Dieter Kempka sehen in der Grünen-Geschäftsstelle an der Hauptstraße einen Vertrauensbruch, wahlkampftaktische Gründe oder Tricksereien. Wilhelm Huck von der FDP beklagt „rücksichtslosen Egoismus“ und „eine abenteuerliche Betrachtung, wenn die Grünen meinen, dass sie für eine Belebung der Fußgängerzone sorgen“. Ähnlich argumentiert Nico Fischer (Die Partei).

Jassin El Atmani von den Grünen Herdecke

„Wir wollen aus der Immobilie schnell wieder raus, wollen uns das aber nicht aufzwingen lassen. Das bräuchte anständige Gründe.“

Jassin El Atmani

Das genannte Trio von Bündnis 90/Die Grünen widerspricht erneut und beklagt ein „Grünen-Bashing“, das derzeit umhergehe. Die Drei betonen, dass die Anmietung des Ladenlokals in den Arkaden aus der Not heraus entstanden sei und es sich dabei um eine Übergangslösung handele. Auch innerhalb der Partei gebe es in dieser Hinsicht unterschiedliche Meinungen, da die Arkaden sich laut Stahlberg „in einem jämmerlichen Zustand befinden. Wir ziehen dort, sobald es geht, wieder aus. Aber wir haben auf die Schnelle nichts anderes gefunden.“ Wer diesen Standort für eine gute Ausgangslage im Kommunalwahlkampf bezeichne, leidet nach Ansicht von El Atmani an „Realitätsverlust“.

Die Rolle der Arkaden

Nach Ansicht der Grünen passen die Rathausarkaden nicht mehr in ein modernes Konzept für Handel und Dienstleistung. „Nicht zuletzt wurde aufgrund dieser Tatsache im Jahre 2017 in den zuständigen Ausschüssen einstimmig beschlossen, das von der bereits bestehenden möglichen Ausnahmeregelung für Dienstleistungen und nicht störendes Gewerbe Gebrauch gemacht werden soll“, heißt es in einer Erklärung.

Die Anmietung des Ladenlokals Hauptstraße 39c hat bei Klaus Klostermann „mehr als ein Geschmäckle ausgelöst.“ Das liege am privaten Verhältnis von einer Vertreterin der Grünen und dem vermittelnden Makler, so der SPD-Fraktionsvorsitzende in der öffentlichen Ratssitzung.

Nach diesem Schlagabtausch folgt abschließend eine Abstimmung über eine Verpflichtungserklärung, die als Tischvorlage im Ratssaal ausliegt. Auch über das Zustandekommen dieses Textes entsteht Streit, wobei die SPD und die CDU als treibende Kräfte für folgende Verabredung gelten: Um die Fußgängerzone zu beleben und die Besucherfrequenz zu erhöhen, sollen Einzelhandel, Gastronomie und auch mal kleinere Dienstleistungsbetriebe Vorrang haben. Die Parteien sollen mit gutem Beispiel vorangehen und auf Büros dort verzichten.

Klare Mehrheit freiwilligen Verzicht

Der Deklaration, die eher freiwilligen Charakter habe, stimmen alle Fraktionen zu. Nur die Grünen im Rat lehnen dies ab. Schewe-Gerigk: „Freiwilligkeit lässt sich nicht aufoktroyieren.“ Bereits im Vorfeld hat Fraktionssprecher Andreas Disselnkötter das Nein dazu so begründet: „Eine solche Verzichtserklärung hilft in keiner Weise, die Probleme unserer Fußgängerzone zu lösen, sondern lenkt von diesen ab.“