Herdecke. Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge kosten viel Geld. Belastet sind auch die städtischen Haushalte. Kämmerer Osberg nennt Zahlen
Die Unterbringung von Flüchtlingen kostet Geld. Auch die Städte und damit die Bürger kommen dafür auf, dass Menschen auf der Flucht menschenwürdig untergebracht und betreut werden können. Aber wie hoch genau ist der Anteil der städtischen Mittel an den Flüchtlingskosten, was ist damit zu schaffen? Und welche Rolle kommt der ehrenamtlichen Arbeit dabei zu? Die Redaktion hat bei Dennis Osberg, dem Ersten Beigeordneten und Kämmerer der Stadt Herdecke, nachgefragt.
Wie viel Geld legt die Stadt Herdecke 2024 bei der Betreuung von Flüchtlingen zu?
Für das anstehende Jahr kalkulieren wir mit einem Defizit von 1,5 Millionen Euro. Zum Aufwandsblock zählen unsere Personalkosten. Das sind rund 403.000 Euro für die soziale Betreuung über unser eigenes Personal wie auch für die Sachbearbeitung in der Leistungsgewährung. Dann haben wir die Leistungsgewährung selbst nach Asylbewerberleistungsgesetz. Die beläuft sich in der Planung auf 1,5 Millionen Euro. Zudem zahlen wir Mieten, auch für unsere Containeranlagen, von insgesamt 695.000 Euro. Hinzu kommen viele Einzelpositionen. In Summe: 2,9 Millionen Euro Aufwendungen.
Und bei den Einnahmen?
Auf der Ertragsseite haben wir u.a. die Zuweisungen von Bund und Land. Da gibt es laufende Zuweisungen je nach Anzahl der Flüchtlinge. Darüber hinaus haben wir 2023 auch wegen der Ukraine deutlich mehr Hilfen bekommen als im Jahr davor. Für 2024 erwarte ich nicht noch mal so viel Förderung. Daher werden wir vermutlich deutlich über den Belastungen für das laufende Jahr liegen.
Wie lässt sich mehr Klarheit in die zu erwartenden Kosten bringen?
Ich würde mir wünschen, dass die Förderlandschaft endlich reduziert wird und den Kommunen das Geld – nicht nur für die Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung und Flüchtlingsbetreuung - über das normale Ausgleichsverfahren durch das Gemeindefinanzierungsgesetz überwiesen wird. Die Bearbeitung von Fördermittelanträgen mit allen dazugehörigen Formalitäten frisst besonders in kleinen Verwaltungen Ressourcen, die an anderer Stelle wesentlich besser eingesetzt werden können.
Was macht es so schwer, die genauen Kosten zu planen?
Das Problem liegt im Wesentlichen darin, dass wir gar nicht wissen, wie viele Flüchtlinge uns in den nächsten Wochen, Monaten oder das ganze Jahr 2024 über erreichen werden. Außerdem ist für eine finanzielle Prognose entscheidend, aus welchen Herkunftsländern die Menschen zu uns kommen. Denn davon ist abhängig, wie viel Belastung das für den städtischen Haushalt bringt.
Was wird neben der Unterbringung und der Versorgung für die Menschen getan?
Für alle geflohenen Menschen leisten wir als Stadt eine Menge Integration in Form von Sozialarbeit.. Ganz stark hilft die ehrenamtliche Unterstützung, die hier in Herdecke überdurchschnittlich gut ist. Und dann gibt es Kosten, die den Haushalt berühren, die aber nicht leicht zu benennen sind für Kita, Schule – also durch Inanspruchnahme der Infrastruktur, die wir zur Verfügung stellen.
Wir reden über Folgekosten…
Ja. Diese sind schwierig zu ermitteln, aber immens. Natürlich haben wir viele Kinder, die mit ihren Eltern geflohen sind, jetzt in unserem Schulsystem. Wenn Klassen dann nur etwas größer werden, ist das zumindest finanziell kein Problem. Wenn aber zusätzliche Klassenräume nötig sind, dagegen schon. In der Summe entsteht auf jeden Fall Druck auch im Schulsystem.
Erst die Menschen vom Balkan, dann vor einem knappen Jahrzehnt aus Syrien, dazu der Krieg in der Ukraine: Gibt es Zahlen, wie vielen Menschen auf der Flucht in diesen Jahren geholfen werden konnte?
Nein, keine genauen. In Summe werden es aber weit über 1000 Menschen sein.
Wo bekommt der Kämmerer Begehrlichkeiten mit für noch mehr Integrations- und Förderangebote?
In dem Fachbereich, der dafür zuständig ist, wird sehr gute Arbeit geleistet. Im Kontext der vielen ehrenamtlichen Unterstützung gibt es ein großes und vielfältiges Hilfsangebot am Ort. Wir haben viel Personal, das im Flüchtlingsbereich arbeitet, verwenden Fördermittel beispielsweise für Sprachkurse für Kinder und Eltern. Alles alleine aber auf die städtische Schulter zu geben, wäre kaum zu leisten. Deshalb unterstützen wir beispielsweise das Möbellager des VCS und sind im Gegenzug sehr dankbar für das Engagement der Herdeckerinnen und Herdecker.
Wie sehr schaut die Stadt Herdecke aufs Geld?
Wir wollen menschengerecht unterbringen, das aber gleichzeitig auch möglichst günstig. Im Vergleich zu vielen anderen Städten haben wir es in der Vergangenheit immer geschafft, nicht in Sporthallen zu gehen. Wenn ich da rein mit der Finanzbrille drauf schauen würde, wäre eine vorhandene Sporthalle eine der günstigsten Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge. Ich sage aber deutlich, das wollen wir auch in der Zukunft vermeiden durch sehr vorausschauendes Handeln. Zu Beginn der Ukraine-Krise waren wir die Schnellsten, was Container angeht. Nur deshalb haben wir Container zum Wohnen so zügig bekommen.
Viele Flüchtlinge arbeiten längst und zahlen Steuern. Lässt sich dieser Beitrag zu den Gesamteinnahmen erfassen und in eine „Gesamtrechnung“ einbringen?
Nein. Solche Zahlen haben wir nicht. Wenn ich an den Fachkräftemangel auf der einen Seite denke und die hohen Flüchtlingszahlen auf der anderen Seite, dann glaube ich, dass in Deutschland noch viel Potenzial zu heben ist, um die Menschen wirklich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Wie und wo ist die Stadt Herdecke aktiv geworden, um eine Senkung der Finanzlast durch Flüchtlinge zu erreichen?
Die auskömmliche Finanzierung auch bei den Flüchtlingen ist ein Dauerthema. Besonders die Bürgermeisterin ist hier im regelmäßigen Austausch mit Landtags- und Bundestagsabgeordneten oder Vertretern übergeordneter Behörden. Auch die Bürgermeister und Kämmerer tauschen sich entsprechend untereinander aus.
Wie und wo ist die Stadt Herdecke unterwegs, um Menschen auf der Flucht ein Heim über dem Kopf zu bieten – etwa bei der Aktion „Sicherer Hafen“ für Seenotfälle?
Da sind wir durch einen Beschluss des Rates mit dabei. Wir haben nicht ohne Grund unmittelbar nach dem Beginn des Ukraine-Krieges die große Veranstaltung im Zweibrücker Hof gemacht. Intention war es, die Bürgerschaft einzubeziehen. Wir hören als Stadt von vielen Menschen, dass sie helfen wollen. Tatsächlich hat sich aus dieser Veranstaltung ja auch ganz viel Hilfe entwickelt.