Herdecke. Beauftragte Firmen haben einige Baustellen für schnelle Internetleitungen eingerichtet. In den Fokus rücken die Zustände dort und „Drückerkolonnen“.

Nach ihrem Rückzug und der Konzentration auf den gesamten Stadtteil Ende hat die Deutsche GigaNetz quasi der Telekom den Ausbau von Glasfaserleitungen im zentralen Teil Herdeckes überlassen. Der große Konzern wiederum hat Firmen mit der Umsetzung beauftragt, in diesen Tagen befinden sich daher einige Baustellen beispielsweise am Herrentisch oder am Sonnenstein. Doch im Zuge dieser Arbeiten für schnellere Internetverbindungen kommt Kritik auf. Die Lokalredaktion hat eine Beschwerde von einer Anwohnerin erhalten und im Fachausschuss einen verärgerten Ratsherren erlebt.

Dauerhafter Lärm ohne Schutz

Auch in der Zunftstraße etwa entstehe durch das Asphalt-Auffräsen „erheblicher Lärm. Keiner der Arbeiter trug einen Gehörschutz, als ich neulich vor Ort war. Auf Ansprache konnten sie aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht reagieren“, schreibt eine Herdeckerin (Name der Redaktion bekannt). Angesichts einer Belastung von 102 Dezibel, diese Messung entstand demnach einige Meter von der Lärmquelle entfernt, fragt die Anwohnerin nach Schutzmaßnahmen und drohenden Gesundheitsschäden. „Warum guckt die zuständige Behörde nicht hin?“

Telekom nimmt Hinweis ernst

Maik Exner von der Deutschen Telekom teilt auf Anfrage mit, dass sein Unternehmen Hinweise bezüglich des Themas Arbeitssicherheit an den Baustellen in Herdecke sehr ernst nehme. „Wir sind uns unserer Verantwortung in Bezug auf die Arbeitsbedingungen in der Baubranche bewusst“, so der Konzernsprecher. „Wenn es Missstände gibt, die mit unseren Geschäftsaktivitäten zusammenhängen, werden wir sofort aktiv und tun alles, um diese zu beseitigen. Das betrifft direkte Zulieferer ebenso wie deren Subunternehmer.“ Mit Hinweisen zum Verhaltenskodex auch für Vertragspartner könne demnach als letzte Konsequenz die vertragliche Geschäftsbeziehung enden.

Überprüfung angekündigt

Aktuell arbeite die Telekom zudem daran, umfangreichere Stichproben bei allen Bauleistungen in Deutschland vor Ort einzuführen. „Dabei prüfen wir, ob die Beschäftigten Lohn ausgezahlt bekommen haben, ihren Arbeitsvertrag lesen können und die Möglichkeiten kennen, wo sie Missstände adressieren können. Als weitere Maßnahme pilotieren wir momentan eine Visitenkarte für Baustellenmitarbeitende in den jeweiligen Landessprachen, damit sie mögliche Missstände über den abgebildeten QR-Code direkt in unserem Melde-Portal adressieren können“, so Exner. Er sagte zu, dass es Überprüfungen der Arbeitsumstände und der Verfügbarkeit von Arbeitsschutzmitteln in Herdecke geben soll.

Gustav Müller

„Ich rate zu Vorsicht.“

Gustav Müller (SPD)

Unterdessen hat Gustav Müller im Ausschuss für Wirtschaftsförderung von einer „unangenehmen“ Begegnung erzählt. Das SPD-Ratsmitglied zeigt sich verwundert, dass immer noch „Drückerkolonnen“ im Auftrag von GlasfaserPlus/Telekom unterwegs seien. „Die lügen, dass sich die Balken biegen“, sagte er kürzlich in der öffentlichen Sitzung. Vor der Haustür habe ein Vertreter mit einem Telekom/Magenta-Button ihn mit seinen Angaben und „Drohungen“ in die Irre führen wollen. „Ich rate zu Vorsicht, die wollen einen unter Druck setzen.“ Andererseits habe er Post von dem Konzern bekommen, worin alle Angaben ordentlich und vereinbarungsgemäß standen. Auch die Tiefbau-Mitarbeiter seien sehr freundlich gewesen. Irmingard Schewe-Gerigk von den Grünen ergänzte, dass bei Haustürgeschäften offenbar gezielt ältere Menschen im Fokus stehen.

GigaNetz im Raum Ende

Im Wirtschaftsförderungs-Ausschuss fragte André Moldenhauer (CDU) nach der Resonanz für das veränderte GigaNetz-Vorhaben und den Kontrollen, wenn für Glasfaser-Leitungen Straßen aufgerissen werden. Laut Beigeordnetem Dennis Osberg gebe es bei der Baustellen-Endabnahme mit der Stadt Protokolle und eine Gewährleistung über fünf Jahre, in denen die Firma festgestellte Mängel beseitigen muss.

Katharina Biermann als zuständige Amtsleiterin berichtete, dass GigaNetz Glasfaser in Ende, am Ahlenberg, Schraberg, Semberg, Schnee und an der Schanze legen will, sofern 35 Prozent Abschlüsse erzielt werden. Die Zahl der Zusagen sei derzeit „ein mittlerer Wert“. Somit sei offen, ob eines Tages eine Umsetzung erfolge. Die Telekom bzw. die beauftragten Firmen GlasfaserPlus und Ellin Line wiederum habe 15 Prozent der angekündigten Tiefbauarbeiten erledigt.

Auch zu diesen Vorwürfen hat der Unternehmenssprecher schriftlich Stellung bezogen. Demnach sei die Direktvermarktung für den Glasfaserausbau ein sehr wichtiger Kanal, der Kundinnen und Kunden eine umfassende Beratung sowie einen Service bei ihnen zu Hause biete und daher sehr geschätzt werde. Eine Marktforschungsstudie der Telekom habe ergeben, dass die meisten Kunden nur deshalb nicht Glasfaserleitungen beantragen, weil sie gar nicht wissen, dass ein solcher Anschluss bei ihnen zur Verfügung stehe.

Regeln definiert

Die Telekom setze auf den Direktvertrieb in Zusammenarbeit mit erfahrenen Partnern und nach ganz klaren Regeln: „Alle unsere Vertriebspartner müssen mindestens zehn Pflichtschulungen erfolgreich durchlaufen. Alle haben sich unserem „Code of Contact“ vertraglich verpflichtet“, so Maik Exner. Darin sei festgelegt, wie die Kundenkontakte im Auftrag des Konzerns ablaufen sollen. Dazu gehören zum Beispiel Telekom-Kleidung, ein Ausweis mit Lichtbild in Sichthöhe sowie ein Autorisierungsschreiben der Telekom. Darüber hinaus haben die Direktvermarkter eine Rückrufnummer dabei, über die man per Telefon den Mitarbeitenden identifizieren lassen kann. Diese Nummer lautet bundesweit 0800/3309765.

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Die Beratungsgespräche finden grundsätzlich an der Haustür statt, heißt es weiter. Die Wohnung dürfen die Beraterinnen und Berater nur betreten, wenn sie dazu eingeladen werden. Wenn der Kunde im Beratungsgespräch einen Auftrag erteilt, erhalte er einen „nachgelagerten Qualitäts-Call und eine E-Mail mit den Informationen zum beauftragten Produkt.“ In dem Telefonat gebe es weitere Erläuterungen, auch zur Stornierung und zum 14-tägigen Widerrufsrecht. Erst wenn der Kunde in diesem Gespräch alle Punkte bestätigt, gehe der Auftrag an die Telekom. „Sollten sich die Mitarbeitenden nicht an unsere Vorgaben zur Kontaktaufnahme und zum Verhalten halten, wird dies mit entsprechenden Konsequenzen verfolgt“, schreibt der Sprecher.

Direktvertrieb von Bedeutung

Der Direktvertrieb sei wichtig, ohne diesen seien die Ziele der Bundesregierung beim Glasfaserausbau nicht zu erreichen. Der Vorwurf aus Herdecke, dass explizit ältere Bürger angesprochen werden sollen, „ist falsch. Hier existiert eine so genannte „Ü80-Regelung“, um sicherzustellen, dass ältere Menschen nicht übervorteilt werden“, teilt Exner mit. Kunden dieses Alters werden demnach an den nächsten Shop oder eine Hotline verwiesen. „Im Direktvertrieb gestatten wir keine Vermarktung an Ü80-Interessenten.“