Wetter. Die Geschäftsleute in der Friedrichstraße müssen mit den Folgen der Baustelle in Wetter leben. Die erneute Verzögerung ist „eine Katastrophe“.
Die Durchfahrt von Wetter nach Vorhalle ist dicht. Seit Ende 2022 ist dieser Verkehrsarm durch die Bauarbeiten an Wetters zentralem Kreisel komplett abgeschnitten. Und anders als ursprünglich geplant, wird das auch noch die nächsten Wochen so bleiben. Im Juni sollte der Kreisverkehr provisorisch hergerichtet sein, mittlerweile ist von Ende August bzw. Anfang September die Rede (wir berichteten). Für die Inhaber der anliegenden Geschäfte in der Friedrichstraße ist die erneute Verzögerung eine Hiobsbotschaft.
Kein Durchgangsverkehr, kaum Kunden
„Das ist eine Katastrophe“, sagt Nuran Kücük. Sie schüttelt langsam den Kopf. Vor fast einem Jahr, im August 2023, hat sie die Bäckerei mit der Hausnummer 28 übernommen. Sie hofft darauf, dass der Verkehr durch den Kreisel wieder rollt. Darauf, dass Kunden auf dem Weg zur Arbeit problemlos einen Zwischenstopp an ihrem Laden einlegen können, um Brötchen, Kaffee oder Gebäck zu kaufen. Doch bisher: nichts. Die Straße, die vor ihrem Geschäft herführt, wird kaum befahren, den Durchgangsverkehr aus und nach Hagen gibt es nicht mehr. Und das Datum, zu dem der Kreisel zumindest wieder provisorisch genutzt werden kann, rückt weiter nach hinten.
Nuran Kücük ist besorgt, frustriert. Sie haben viel in die Bäckerei investiert, in der ihre Tochter Zeynep Kaya als Konditorin arbeitet. Mittlerweile haben sie sich einen ersten Kundenstamm aufgebaut. Viele kommen aus der direkten Nachbarschaft oder zu Fuß über die kleine Brücke, die vom Amtsgericht über die Eisenbahngleise zur Bäckerei führt. Einige würden öfter kommen, wenn sie ihr Auto nicht erst dort parken und dann laufen müssten, vermutet sie. Doch die Einnahmen reichen nicht. Miete, Gas und allein Strom „für 890 Euro“ nennt die Inhaberin Zahlen. Die Kosten laufen weiter, summieren sich. „Hinzu kommen monatliche Warenbestellungen im dreistelligen Bereich“, erklärt Nuran Kücuk.
Die frühere Buchhalterin steckt einen Großteil ihres Ersparten in das kleine Familienunternehmen. „Das reicht vielleicht noch für zwei bis drei Monate“, schätzt sie. Auch vom Jobcenter bekomme sie Unterstützung, erzählt Kücük, die nach einer großen Operation nicht mehr in ihren alten Beruf zurückkonnte. Doch auch die finanzielle Hilfe sei auf ein Jahr begrenzt und laufe im August/September aus. „Wenn das so ist: Wovon soll ich dann leben?“, fragt sie leise. Bleibt der Kreisel geschlossen, bleibt es irgendwann wohl auch die Tür der Daisy Bakery.
„Die Baustellen haben Wetter kaputt gemacht.“
Jehad Omar kennt dieses Gefühl der Ohnmacht. Ihm gehören der Kiosk und die Pizzeria Modena in der Friedrichstraße. Er erinnert sich noch ganz genau an den Tag, an dem die Baustelle vor den Eingangstüren seiner Läden eingerichtet wurde. „Das war der 22. Oktober 2022“, blickt er zurück. „Das Datum habe ich im Kopf.“ Fast zwei Jahre ist das nun schon her. Der 39-Jährige geht ins Innere des Kioskes, das vielen als „Rappelkiste“ bekannt sei, wie er sagt. Die Getränkekühlschränke sind gut bestückt, auf dem Zeitschriftenregal liegen Magazine und Zeitungen, die Auslage vor der Kasse ist gefüllt mit Süßigkeiten, an der Wand dahinter gibt es Tabak und Zigaretten. Die Regale sind voll – doch der Laden bleibt oft leer.
Auf einen Blick
Seit Ende 2022 ist die Kreuzung im Bereich Friedrichstraße/Kaiserstraße eine Großbaustelle. Eine Ausfahrt aus oder nach Vorhalle ist seitdem nicht mehr möglich.
Das Projekt kam ins Stocken. Anfang Januar 2023 wurden nach Sondierungsarbeiten, die auf Spuren von Metall im Boden gestoßen waren, ergänzende Bohrungen notwendig.
Zudem wurden die für die Arbeiten oberhalb der Gleise notwendigen und Jahre im Voraus beantragten Sperrpausen - Zeiten, in denen keine Züge auf der Strecke fahren - größtenteils gestrichen. Grund dafür waren personelle Probleme bei der Bahn. Das wirkt sich auf den Zeitplan und die Arbeiten vom Landesbetrieb Straßen NRW aus.
Für den Bau des provisorischen Kreisels fehlen zudem noch Fertigbauteile. Diese sind bestellt, Mitte Juli soll mit den Arbeiten begonnen werden. Für die Arbeiten werden 1,5 Monate Bauzeit eingeplant. Ende August/Anfang September soll der Kreisel dann nach Schätzungen von Straßen NRW wieder freigegeben werden können. Solange, bis die Bahn neue Sperrpausen genehmigt. Dann können die restlichen Bauphasen abgeschlossen werden. Dafür werden der Kreisel abgerissen und die Straße wieder gesperrt.
„Manchmal kommt hier in zwei Stunden kein Mensch vorbei“, erzählt Jehad Omar. „Und das im Sommer.“ In den Wintermonaten, bei Regen und Wind, seien es pro Tag höchstens mal zehn Kunden. Auch in der Pizzeria nebenan ist nicht viel los. Meistens läuft der Ofen für Lieferando-Bestellungen. „Heute bleibt der Laden aber zu“, sagt Jehad Omar und zeigt auf das Schild mit den Öffnungszeiten. Mittwoch ist Ruhetag. „Aber es gibt ja eh keine Arbeit“, fügt er noch hinzu.
Es klingt lapidar, fast resigniert, doch der Unmut ist zu spüren. Sechs, sieben Monate sei die Pizzeria gut gelaufen. „Und dann kam die Baustelle“, so Omar. Seitdem macht der Wittener ein Minusgeschäft. In Bochum betreibt er einen weiteren Kiosk. Was er dort verdiene, stecke er in den Laden in Wetter. „Bis jetzt trage ich alle Kosten. Ich habe viele Waren gekauft, muss Miete, Strom und Steuern zahlen“, macht der Kioskbetreiber deutlich, der drei Mitarbeitende beschäftigt, und fragt: „Wer zahlt mir diesen Verlust?“ Eine Antwort auf die Frage bekommt er nicht. Er hat mit der Stadt Wetter telefoniert, mit der Deutschen Bahn. Auch mit einem Anwalt.
Zweifel an Öffnung Ende August
Für Jehad Omar ist klar: So kann es nicht weitergehen. An eine provisorische Öffnung des Kreisels Ende August glaubt er nicht. „Ich warte noch bis Ende Dezember“, sagt er. Wenn der Kreisverkehr bis dahin nicht wieder befahren werden könne, „mache ich beide Läden zu.“ Jehad Omar zuckt mit den Schultern. „Dann sage ich Wetter Tschüß“, sagt er und fügt hinzu: „Die Baustellen haben Wetter kaputt gemacht.“