Herdecke. Eine Woche lang versucht Herta Gehr über alle Kanäle, einen Impftermin zu bekommen. Vergeblich. Sie hat darüber Tagebuch geführt.

Aus der anfänglichen Euphorie, sich endlich gegen das Coronavirus impfen lassen zu können, ist inzwischen bei vielen Senioren Frust geworden. Sie wählen sich seit Tagen die Finger wund, einen Termin haben sie dennoch nicht mitbekommen.

Herta Gehr gehört zu denjenigen, die seit vergangenem Montag vergeblich versuchen, einen Termin im Impfzentrum zu ergattern. Die 84-Jährige ist rüstig. Sie weiß sich zu helfen, kann mit dem Computer und dem Internet umgehen. Etwas, das sie vielen anderen Altersgenossen voraus hat. Dennoch: Auch sie scheitert an der Terminvergabe. Um ihrem Ärger etwas Luft zu verschaffen, schreibt sie eine Mail an die Redaktion, in der sie detailliert berichtet, was ihr in der vergangenen Woche nun schon widerfahren ist.

Zum Anmeldebeginn vor dem Computer

„Den zahlreichen Beschwerden und Klagen über die Unmöglichkeit, einen Impftermin zu bekommen, kann ich mich nur anschließen“, schickt sie gleich vorne weg. „Zum offiziellen Anmeldungsbeginn für die Impfungen ab 8. Februar saß ich am 25. Januar, um 8 Uhr am Computer. Die Anmeldung schien ganz einfach zu gehen. Nach wenigen Eingaben sollte ich auf meinem Handy einen Code zur Anmeldung bekommen“, schildert sie das Prozedere. Stattdessen erhielt sie die Meldung, dass leider ein unerwarteter Fehler aufgetaucht sei.

Senior aus Grundschöttel verärgert

Von „Chaos“ spricht auch Albert Schelberg aus Wetter-Grundschöttel (83). Seit Montag versucht er, für sich und seine 80-jährige Lebensgefährtin einen Impftermin zu bekommen.Zwei Tage lang sei telefonisch kein Durchkommen gewesen. Als dann am Mittwoch endlich mal die Leitung frei war, habe man ihm mitgeteilt, dass es keine Termine mehr für das Impfzentrum in Ennepetal gebe. Donnerstag und Freitag bekam er die gleiche Auskunft.„Und dann will man uns erzählen, dass die Digitalisierung uns Vorteile bringt. Das sehe ich nicht. Jetzt liegt alles nur noch im Dunkeln. Ich habe das Gefühl, dass wir nur noch belogen werden“, so der Senior.

Doch Gehr gibt nicht so schnell auf. „Nach einem zweiten Versuch wählte ich die angegebene Telefonnummer 080011611702 und hörte das Zeichen für ,kein Anschluss unter dieser Nummer’. Mit der einfachen Nummer 116117 konnte ich mich bei der Terminvergabe einwählen, hörte aber in kürzeren Abständen bis 19.50 Uhr die Ansage, dass alle Leitungen besetzt seien“, berichtet Herta Gehr etwas frustriert. Einmal sei sie zu einer Person durchgekommen, die habe ihr aber nur mitgeteilt, dass keine Termine vergeben werden könnten. Sie solle es abends noch einmal probieren. Das tat sie. Online. Doch auch da kam sie nicht weiter.

Neuer Tag, neuer Versuch

Der nächste Tag, ein neuer Versuch. „Nach wiederholten vergeblichen Versuchen am Telefon kam ich ohne längeres Warten durch. Ich machte allerlei persönliche Angaben, und mein Gesprächspartner wollte mir Impftermine heraussuchen. Er sagte allerdings gleich, dass er mir für meinen Mann und mich verschiedene Termine geben müsse und auch keine Termine vor März habe“, berichtet die Seniorin. Nach einigem Warten meldete der Gesprächspartner sich mit der „traurigen Nachricht“, dass bis 22. März alle Termine vergeben seien und Herta Gehr sich für die Zeit danach neu bemühen müsse.

Terminangebote sind bereits vergeben

Seitdem versuchte die Seniorin es immer wieder, vor allem online. Dort bekam sie tatsächlich eine Reihe von Terminmöglichkeiten angeboten, die sich jedoch alle als „bereits gebucht“ erwiesen, auch wenn sie eine Stunde später immer noch als Angebot auftauchten. Ein zusätzliches Ärgernis am Freitag: Ein Hinweis auf Wartungsarbeiten taucht auf dem Bildschirm auf und die Empfehlung, es etwas später wieder zu versuchen. Der spätere Versuch ist zunächst erfolgreich. „Ich bekomme einen Termin angeboten, trage sofort meine Personalien usw. ein, buche den Termin und erhalte die Antwort: ,Der gewählte Termin ist mittlerweile vergeben’“, schildert die Herdeckerin.

Aufgeben ist keine Option

Aufgeben ist für die 84-Jährige jedoch keine Option. Für sie hat die Impfung auch etwas mit der Rückkehr zum alten Leben zu tun. „Auch wenn wir weiterhin eine Maske tragen müssen, weil wir andere ja trotzdem anstecken könnten, würden wir uns sicherer fühlen“, begründet sie das Vorhaben. „Ich habe nicht übermäßig Angst vor der Krankheit, aber wir leben inzwischen schon wesentlich zurückgezogener“, schildert Herta Gehr die Situation. Einmal in der Woche werde eingekauft. Selbst mit dem Auto würden sich ihr 86-jähriger Mann und sie nur noch begrenzt bewegen. Aber immerhin seien sie mobil. Denn sonst würde ihnen die Fahrt nach Ennepetal schwer fallen. „Mit öffentlichen Verkehrsmittel wollen wir momentan nicht fahren. Da müssten wir auch zweimal umsteigen. Mit dem Taxi würde uns eine Fahrt 72 Euro kosten. Aber da wir keine gemeinsamen Termine bekommen können, müssten wir ja vier Mal fahren. Das wären dann 288 Euro für uns beide“, rechnet sie flugs vor. Doch bevor es nach Ennepetal gehen kann, heißt es erst einmal, einen Termin zu bekommen. Und das scheint momentan die größte Herausforderung zu sein.

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