Wetter. Viele Fragen von Bürgern und Politikern zum Hochwasser blieben im Ausschuss unbeantwortet; denn Vertreter von Ruhrverband und RWE kamen nicht.
Von einer „hausgemachten“ Katastrophe sprach Marika Eßer, Anwohnerin der Straße Am Obergraben 1, als sie sich im Umweltausschusses stellvertretend für weitere Anwohner zum Thema „Hochwasser“ zu Wort meldete. Das nämlich stand im Fokus mehrerer Tagesordnungspunkte und Anträge von SPD, CDU und Grünen. Dass Vertreter von Ruhrverband und RWE der Einladung der Verwaltung nicht gefolgt waren, um Fragen von Bürgern und Politikern zu beantworten, bezeichnete sie als „sehr enttäuschend“ und wenig bürgernah.
Der Schaden in Zahlen
Baufachbereichsleiterin Gräfen-Loer sicherte zu, den Fragenkatalog von Anwohnern und Politik schriftlich an die betreffenden Institutionen weiterzuleiten und um schriftliche Stellungnahme zu bitten. Zudem hätten deren Vertreter in Aussicht gestellt, in der Ratssitzung am 30. September Rede und Antwort zu stehen. Was das Tief „Bernd“ Mitte Juli aus städtischer Sicht angerichtet hat und welche Maßnahmen vorgesehen sind, das erläuterte ausführlich Ulrich Conrads, technischer Vorstand des Stadtbetriebs Wetter. Die Zahlen: 71 Unternehmen und 33 Privathaushalte haben bei der Stadt Hochwasserschäden angemeldet; dabei summieren sich die Firmenschäden auf 54.800.000 Euro und die der Privathaushalte auf 667.000 Euro. 285.000 Euro betrage der Schaden an der öffentlichen Infrastruktur, so Conrads. Wobei diese Zahlen „keine validen Daten, sondern grobe Schätzungen“ seien, die die Stadt direkt nach dem Hochwasser für einen ersten Überblick ans Land NRW gemeldet habe, wie Bürgermeister Frank Hasenberg ergänzte.
Die Zerstörung
Hinter den Zahlen verbirgt sich eine lange Liste dessen, was Tief „Bernd“ angerichtet hat: Dazu gehören ein zerstörtes Bett des Schnodderbachs, der wegen des zugesetzten Einlaufgitters die Kaiserstraße und den Lidl-Parkplatz überströmte, ein Böschungsabgang mit starken Schäden an der Straße Am Overbeck, Schäden u.a. am Regenrückhaltebecken sowie an Fuß- und Radweg im neuen Gewerbegebiet Schwelmer Straße sowie starke Schäden im Ortskern Wengern. Im Schöntal dagegen sei nicht der Starkregen ursächlich für die Überschwemmungen gewesen, so Conrads; sondern eine Flutwelle der Ruhr Stunden später, am 15. Juli morgens zwischen drei und fünf Uhr: „Der Wasserstand stieg nach Angaben des Ruhrverbands auf 7,30 Meter. Dadurch sei es auch zu einem Rückstau im Regenüberlaufbecken gekommen, so dass die gesamte Wasserstraße geflutet wurde.“ Die Ruhr sei am Kraftwerk über die Mauer getreten und in den Obergraben gelaufen; der dortige Feuerlöschteich sei über die Ufer getreten, so dass das Wasser Richtung Hallen geflossen sei. In alten Plänen habe er im übrigen Hinweise gefunden, dass die Hallen auf Gräben aufgebaut seien, unter denen sich Katakomben befänden, die mit Wasser gefüllt wurden.
Die Maßnahmen
Man werde versuchen, aufzuklären, inwieweit dort Verbindungen bestehen bzw. Entwässerungssysteme vorhanden seien. Ulrich Conrads berichtete weiter, dass die Stadt Wetter bereits 2014 in die Maßnahmen zur Risikominimierung eingestiegen sei. Die Bezirksregierung habe Hochwassergefahrenkarten u.a. auch für Wetter erstellt, nach der Ruhr und Elbsche als Risikogewässer benannt wurden. Die Maßnahme für das ehemalige Remegelände habe die Stadt umgesetzt und die Betroffenen informiert, dass sie in einem Überschwemmungsgebiet leben. Zudem seien in einem Info-Flyer u.a. bauliche Maßnahmen zur Vorsorge vorgestellt worden. In Alt-Wetter stehe nun die Überprüfung der Ruhrmauer im Schöntal an. Dort sei die Steinschüttung etwas abgesackt, die nach dem Freischnitt im Herbst wieder erhöht werde.
Die Umsetzung
Für die Elbsche seien in einem Niederschlagsabflusskonzept vier Pegel installiert worden, um Daten für Planungen zu bekommen, wo Retentionsräume (Flächen zum Ausufern) sinnvoll seien. Ende 2021 soll eine Auswertung des Modells vorliegen, um dann entsprechende Schutzmaßnahmen zu installieren. „Aber“, stellte Conrads fest, „wir haben keine städtische Fläche für solche Retentionsmaßnahmen. Wir müssen also mit Eigentümern reden, um eventuell Grundstücke zu erwerben.“ Er erinnerte daran, dass zwar der erste Abschnitt des naturnahen Ausbaus der Schmalenbecke beendet sei, aber der zweite nach zähen Verhandlungen mit Eigentümern erst in diesem Herbst beginne. Michael Kramer (SPD) fragte nach der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie und ob es nicht sinnvoller sei, alle Uferbefestigungen zu entfernen, anstatt sie – wie etwa die Ruhrmauer – wieder zu reparieren. Dies verwarf Uli Conrads als „nicht realistisch“: „Man kann nicht alles in einen natürlich Zustand zurück führen. Wir müssen mit Realitäten leben. Die Bebauung an Flüssen kann man nicht rückgängig machen. Wir haben in Wengern schon Schritte getan, aber wir können den Ortskern nicht umbauen. Und im Schöntal haben wir die Räume nicht und können sie auch nicht schaffen. Man muss sehen, dass das Wasser in der Menge erst gar nicht so ankommt und Retentionsräume im Oberlauf der Bäche schaffen.“
Die Absage
Auch dem Appell von Norbert Klauke (Grüne), „mehr Drive“ in die Sache zu bringen und Maßnahmen schneller umzusetzen, erteilte Conrads eine Absage: „Sie müssen sich von dem Gedanken verabschieden, dass man mit kurzfristigen Maßnahmen sowas verhindern kann. Es liegt nicht immer an der Verwaltung, denn wir brauchen Genehmigungen, müssen uns auch mit Naturschutz auseinandersetzen.“ Hinzu komme die Verhandlung mit Grundstückseigentümern: „Ich weiß, wie zäh das ist. Der zweite Abschnitt des naturnahen Ausbaus der Schmalenbecke sollte 2015 beginnen. Jetzt ist 2021. Das hat sich nicht verzögert, weil wir so langsam sind.“
Dank an die Feuerwehr
Wetters Feuerwehr-Chef Ralf Tonetti berichtete auf Antrag der SPD im Ausschuss ebenso ausführlich wie anschaulich über die Einsätze der heimischen Freiwilligen Feuerwehr während des Hochwassers.Die Politiker zeigten sich beeindruckt und bedankten sich für das, was die Einsatzkräfte in dieser dramatischen Situation geleistet haben.