Herdecke. Der Rat tagt in Herdecke: Einzig die SPD stimmt dem Etat für 2022 nicht zu, da die Jamaika-Koalition dem Sozialverein Zuwendungen zunächst kürzt.
Corona, Hochwasser, jetzt noch Krieg in der Ukraine: Bei den Reden zur Verabschiedung des städtischen Haushalts listeten Herdecker Politiker belastende Krisen auf. Unisono lobten die Fraktionen in der Ratssitzung aber die Kämmerei und den Beigeordneten Dennis Osberg, da in dem Zahlenwerk für 2022 keine Steuererhöhungen auftauchen. Dabei richten sich die Blicke ins Jahr 2028, erst dann soll ein ausgeglichener Etat möglich sein.
Die aktuellen Entwicklungen lösen unterschiedliche Reaktionen aus. Das Jahresergebnis 2022 dürfte insgesamt ein Minus von 2,85 Millionen Euro hervorbringen. Kurzfristig kommen noch 300.000 Euro hinzu, um demnächst weitere Flächen zur Erweiterung der Feuerwache ankaufen zu können. 25 Ratsmitglieder und damit die Mehrheit stimmten für den Haushalt, einzig die elf Sozialdemokraten votierten dagegen (die AfD enthielt sich).
SPD
Fraktionsvorsitzende Nadja Büteführ verknüpfte die Haushalts-Entscheidung der SPD mit dem Beschluss zum Verein zur Förderung christlicher Sozialarbeit. Sollte der VCS weiter eine Unterstützung im vollen Umfang und somit rund 33.150 Euro zur Betreuung von Geflüchteten erhalten, stimmen die Sozialdemokraten für den vorliegenden Etat-Entwurf. Da sich aber 21 Ratsmitglieder und zuvorderst die Jamaika-Koalition aus CDU, Grüne sowie FDP für eine reduzierte VCS-Ausstattung von 9000 Euro aussprachen, lehnte die SPD den Haushalt ab.
Zahlen und Entwicklungen
Erfreulich war 2021 die Entwicklung der Gewerbesteuer. Die Stadt Herdecke nahm (so vorläufige Zahlen) 14,3 Millionen ein und lag damit 2,8 Mio. Euro über dem pandemiebedingt reduzierten Haushaltsansatz für das zurückliegende Jahr. Dieser Effekt liege im Wesentlichen an Nachzahlungen von Unternehmen für Vorjahre aufgrund von Festsetzungen des Finanzamtes. Den Angaben zufolge haben sich 2021 auch die Einkommens- sowie die Umsatzsteuer wieder positiv entwickelt.Zugleich konstatiert die Kämmerei aktuell höhere Ausgaben u.a. bei der Jugendhilfe, Personalaufwendungen, Gebäudetechnik, Asyl-Leistungen, Klimaschutz und Pandemiefolgen in Schulen.Im nun verabschiedeten Haushalt 2022 ist ein Kreditbedarf von 5,76 Millionen Euro vorgesehen. Erträgen von 56,8 Mio. stehen ordentliche Aufwendungen über 64,3 Mio. Euro gegenüber. Klare Erkenntnis: Die Stadt Herdecke muss auch künftig sparen. Im Verwaltungsdeutsch heißt das: Die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts 2022 inklusive Folgejahre konnte nur durch die Aufstellung eines neuen Haushaltssicherungskonzeptes, das den Haushaltsausgleich im Jahr 2028 vorsieht, erreicht werden.
Büteführ kritisierte diese „Schmalspurlösung“, in Richtung der drei anders denkenden Fraktionen sagte sie: „Wie können Sie einen Verein mit einer solch kompetenten und engagierten Mitarbeiterin wie Barbara Degenhardt-Schumacher aufs Abstellgleis manövrieren?“ Während sie noch Die Partei und die AfD wegen nicht gehaltener Haushaltsreden scharf kritisierte („Ist das nicht Arbeitsverweigerung?“), sprach sie der städtischen Verwaltung für viele gute Ansätze im Etat ein Lob aus.
CDU
Fraktionsvorsitzender Patrick Wicker beklagte, dass die SPD jedes Jahr ein Thema zur Bedingung mache. „Wir schieben den VCS nicht aufs Abstellgleis. Sollte sich der Bedarf erhöhen, sind wir bereit, über eine Ausweitung zu sprechen.“ Aus seiner Sicht profitiere Herdecke wieder von der erneuerten Zusammenarbeit von CDU, Grünen und FDP. Trotz mancher Schwierigkeiten hätten die Vertreter dieses Trios jetzt wieder Vertrauen und gemeinsam viele Positionen entwickelt. Da der Etat für 2022 wichtige Themen wie Freibadsanierung, Infrastruktur verbessern, nachhaltiges Gebäudekonzept, Photovoltaik auf Schuldächern und Haushaltskonsolidierung enthält, stimmen die Christdemokraten dem Zahlenwerk zu. Sorgen bereitet ihnen demnach die Gewerbesteuer, da der vorliegende Regionalplan und fehlende Flächenperspektiven Betriebe künftig in eine „existenzbedrohende Lage“ bringen könnten, so Wicker.
Die Grünen
Wie sein CDU-Kollege betonte auch Andreas Disselnkötter das gemeinschaftliche Vorgehen , um Herdecke weiter zu gestalten. Die Fraktionen bräuchten einen „Einigungswillen. Der hat sich ja schon bei den Schulthemen gezeigt. Lassen Sie uns diesen gemeinsamen Weg auch in anderen Bereichen erproben“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, der auch für Klimaschutz-Ausweitungen warb und sich für soziale Fragen stark machte. Während er die Vorwürfe wegen der VCS-Entscheidung zurückwies, blicke er mit Unbehagen auf steigenden Personalkosten bei der Stadtverwaltung.
FDP
Auch Wilhelm Huck befürchtet das. Der FDP-Fraktionschef sieht im Haushalt aber viele „Ansätze, die auch von uns kommen könnten“. Investitionen in die Infrastruktur seien ebenso richtig wie der Verzicht auf Steuererhöhungen. „Herdecke befindet sich diesbezüglich schon im Spitzenbereich, diese Schraube sollten wir nicht weiter anziehen.“ Einzelne Gebührenerhöhungen hält Huck für annehmbar. Fraglich sei aus seiner und der Sicht des EN-Kreises, ob die Stadt alle freiwilligen Leistungen aufrecht erhalten kann. Zudem brauche es Flächen, um vor allem Häuser für Familien bauen zu können.
Die Linke
Dieter Kempka stellte die Corona-Folgen plus Kosten in den Mittelpunkt seiner Rede. „Wir kämpfen dafür, dass der Bund und das Land einspringen. Aber auch die Kommunalpolitik ist gefordert, hier Notlagen zu verhindern.“ Denn auch in Herdecke gebe es bittere Armut. Die zeige sich zwar nicht wie andernorts in Bezirken, jedoch auch durch die Besuchszahlen beim Brotkorb. Der Fraktionsvorsitzende der Linken schlug vor, mehr Geld über den Ausbau von touristischen Angeboten einzunehmen.