Herdecke. Revision zweiter Teil: RWE saniert bis 2022 das Pumpspeicherkraftwerk Herdecke. In der Anlage am Hengsteysee wird auch XXL-Wasserhahn ausgebaut.
Still ruht der Hengsteysee. Und nebenan produziert das Herdecker Pumpspeicherkraftwerk (PSW) von RWE seit dem 12. April vorerst auch keinen Strom mehr. Stillstand bedeutet in dem Fall aber keine Ruhe. Denn für den zweiten Teil der Revision haben vielfältige Arbeiten am Ufer begonnen.
Zehn Monate geht die 1989 in Betrieb genommene Anlage als Nachfolgerin des denkmalgeschützten Koepchenwerks voraussichtlich vom Netz. Nach mehr als 30 Jahren steht die große Generalüberholung an. „Das Kraftwerk wird auch in den nächsten Jahrzehnten dringend gebraucht“, sagt der neue Standortleiter Hans-Jürgen Petschke als Nachfolger von Kathrin Schmelter. Rund 50 Mitarbeiter von RWE sowie von Partnerfirmen haben in der nächsten Zeit gut zu tun.
Einen niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich investiert RWE für die mitunter komplexen Maßnahmen. Denn laut Revisionsleiter Paul Golus, der 2020 schon die Sanierung des Speicherbeckens abwickelte, stehen viele Großkomponenten auf dem Prüfstand. Und das inmitten der Pandemie. „Corona hat in den vergangenen Monaten für den einen oder anderen Verzug gesorgt“, sagt der Bauingenieur mit Blick auf Transportfragen für einzelne Komponenten und das erstellte Hygienekonzept, die auch Absprachen der Kraftwerks-Mannschaft betreffen. Die PSW-Truppe ist nahezu komplett in die Arbeiten eingebunden, wobei das Revisions-Team aus 15 bis 20 Kollegen bestehe.
Standort für zweiten Batteriespeicher
Zu Beginn der Revision zog RWE im Juni 2020 den Stöpsel (Fachsprache: Zylinderschütz) aus seinem Herdecker Speicherbecken und begann dort mit Ausbesserungsarbeiten. Bis Oktober ruhte auch die Stromproduktion.Am traditionsreichen Standort Hengsteysee mit dem denkmalgeschützten Koepchenwerk hatte RWE 2018 zudem den ersten Batteriespeicher des Konzerns auf dem Ufergelände in Betrieb genommen. In den nächsten Monaten soll hier im hintersten Teil des Areals auch die zweite Anlage bereit stehen. Dafür nutzt der Energiekonzern aber nicht wie zuletzt neue Batterie-Module, sondern gebrauchte aus Elektro-Fahrzeugen.
Das Vorgehen lässt sich zweiteilen. Was fest verbaut ist, können Experten vor Ort sanieren. Bewegliche Teile, sind sie auch noch so schwer, kommen zur Generalüberholung zu einer Spezialfirma nach Heidenheim in Baden-Württemberg. Damit hinein ins Innere der Anlage. Etwa zu Europas größtem Wasserhahn, den Fachleute Kugelschieber nennen und Anfang Mai freilegen wollen. Das 180 Tonnen schwere und 5,5 Meter große Bauteil im Druckstollen regelt den Zufluss zur Turbine und erhält nach einer aufwendigen Reparatur 2013 nun quasi den letzten Schliff für die Zukunft.
Nach diesem Ausbau ist der Weg frei für Beschichtungsarbeiten an der Innenseite der Druckleitung. Durch die fließt im Erzeugungsbetrieb Wasser vom Oberbecken in 144 Metern Höhe zu den Turbinen. Im Zuge der Revision erhält das 400 Meter lange und knapp vier Meter dicke Stahlrohr einen neuen Korrosionsschutz. Hinzu kommen neue Abdichtungen. „Die Leitung verläuft schräg durch den Hang, im Rohr muss über Kopf gearbeitet werden“, erklärt Golus die anspruchsvollen Herausforderungen.
Die Pumpturbine, das 163 Megawatt starke „Herz” des PSW und seit 1989 unangetastet, soll Mitte Mai in Einzelteilen vorliegen. „Da ist das Befundrisiko aufgrund der vielen dazugehörigen Elemente am größten“, so Golus. Parallel dazu will RWE den sechs Meter langen und 300 Tonnen schweren Generator-Rotor ausheben und aufarbeiten. „Ein Kran ist genau auf dieses Gewicht abgestimmt, kommt aber an sein Limit“, so der Revisionsleiter. Auch bei diesen Gewichten komme es auf millimetergenaue Details an, dagegen sei das Auftragen eines neuen Korrosionsschutzes vergleichsweise einfach.
Vierwöchiger Probebetrieb am Ende
Änderungen stehen zudem bei der Netzanbindung des PSW an. Wegen neuer Übertragungswege von Amprion tauscht RWE den Maschinentransformator aus, der neue Trafo wird den am Hengsteyee erzeugten Strom künftig ins 110-Kilovolt-Netz einspeisen (zuvor 220 kV).
Der Zeitplan: Bis August sollen alle Bauteile für die Re-Montage bereit liegen. Technisch besonders anspruchsvoll sei dabei der Einbau des generalüberholten Wellenstrangs – bestehend aus Turbine, Welle und Generatorläufer. Fertig montiert ist diese rotierende Masse demnach 16 Meter lang und 500 Tonnen schwer. Unter Last erreicht sie eine Drehgeschwindigkeit von fast 250 Umdrehungen pro Minute. Um Schwingungen zu vermeiden, müssen die Beteiligten sie exakt ausrichten.
Das Fernziel: Nach einem vierwöchigen Probebetrieb soll das PSW im Frühjahr 2022 wieder ans Netz gehen. Im optimalen Fall hofft Golus, schon Ende Januar Vollzug melden zu können.