Herdecke/Hagen. Amprion und RWE: Mitte Juni steht letztmals ein Trafo-Transport über die Gleise am Hengsteysee in Herdecke und Hagen an. Zukunftsfragen offen.
Mit Attributen wie historisch gehen manche recht leichtfertig um. Doch in der nächsten Woche spielt sich am Ufer des Hengsteysees tatsächlich etwas Besonderes ab: Zum letzten Mal steht ein Transport über die Gleise von Hagen nach Herdecke und in Gegenrichtung an. Während einige mit den dort liegenden Schienen unangenehme Fahrradstürze verbinden, denken RWE als Eigentümer des Pumpspeicherkraftwerks und Netzbetreiber Amprion an technische Abläufe, wenn es um den für Mitte Juni geplanten Austausch eines Trafos geht.
Die laufende Revision im Kraftwerk am Schiffswinkel hat bereits einige Schwertransporte hervorgerufen, zahlreiche Verkehrsschilder deuten weiter auf umfangreiche Arbeiten hin. Bisher ließ sich das über Lkw und Straßen abwickeln. Nächste Woche allerdings erfolgt das über die alten Schienen und die Brücke von Amprion, die Herdecke mit Hagen verbindet und die nur noch gelegentlich als Betriebsweg dient. Aus diesem Grund steht das Bauwerk seit fast einem Jahrhundert am Hengsteysee, ehe in der jüngeren Vergangenheit die Freizeitnutzung die Überhand gewann.
In diesem Monat sorgen noch einmal eine Lok und Anhänger dafür, dass zunächst ein neuer Trafo zum Anschluss an das 110-Kilovolt-Stromnetz auf dem RWE-Werksgelände vom Hagener Ufer über die Gleise nach Herdecke kommt. Das Vorgängermodell zur Anbindung an 220-Kilovolt-Leitungen haben Fachleute bereits ausgebaut, der alte Transformator steht zur Abholung bereit. „Das ist auch für uns ein besonderer Transport und erfordert Höchstleistung an mehreren Stellen“, sagt Mariella Raulf, zuständige Sprecherin von Amprion. Das liege weniger an den dann notwendigen Absperrungen über einige Stunden am Hengsteysee (Brücke, Straßen bzw. Fuß- und Radweg). Die beiden Aktionstage zur An- und Ablieferung erforderten vielmehr im Vorfeld eine lange sowie detaillierte Vorbereitung, damit ein so genannter Schnabelwagen zum Einsatz kommen kann.
Amprion: Letzter Trafo-Transport über Gleise am Hengsteysee
Ein Beispiel: „Wenn der Konvoi zu zwei Dritteln auf der Brücke steht, muss von anderer Seite ein Lkw für ein Gegengewicht sorgen, damit kein Katapult-Effekt zustande kommt“, erklärt Raulf. Fachleute mussten in Sachen Logistik vieles bedenken (etwa die Zugreihung) und prüften verschiedene Varianten – auch zur Wegführung. Die schweren Bauteile von jeweils rund 130 Tonnen erforderten zudem statische Berechnungen. Ergebnis: „Die Brücke trägt das Gewicht. Die ist übrigens in einem guten Zustand, wir sind unserer Wartungspflicht nachgekommen“, so die Amprion-Sprecherin.
Ab- und Anlieferung an zwei Tagen
Nach dieser zweitägigen Aktion können sich ab nächster Woche dann die Gespräche mit Vertretern von Amprion, RWE, der Städte Hagen und Herdecke sowie weiteren Beteiligten (Ruhrverband, RVR) verstärkt um künftige Fragen drehen. Zur Erinnerung: Der Netzbetreiber als Eigentümer und auch RWE brauchen anschließend weder Brücke noch Schienen, da demnächst alle Maschinen-Beförderungen zum Kraftwerk über Straßen erfolgen.
Was passiert mit dem Überweg und den Gleisen? „Wir sehen beides in einem Zusammenhang“, sagt Raulf und kann keinen neuen Termin nennen, wann die genannten Parteien wieder über eine mögliche und vielfach gewünschte Übernahme der Brücke sprechen.
Auch der Abbau der Schienen stehe in den Sternen. Was Radfahrer freuen würde, wollen wiederum Nostalgiker am liebsten verhindern. Beispielsweise träumen manche Mitglieder der AG Koepchenwerk davon, Besucher eines fernen Tages mit einer historischen Eisenbahn zum Denkmal mit Maschinenhaus und Druckrohrleitungen auf der Straße Im Schiffwinkel befördern zu können.
Wenig Platz auf Areal
„Wir haben alle Leitungen abgekoppelt und den Transformator gewissermaßen zwischengeparkt. Auch dabei hat sich wieder einmal gezeigt, wie wenig Platz wir hier auf dem Areal haben“, sagte kürzlich Hubert Fabinski als stellvertretender Betriebsleiter des Pumpspeicherkraftwerks von RWE.Nach dem Trafo-Transport endet auf dem Herdecker RWE-Werksgelände die Zuständigkeit von Amprion, der Energiekonzern kümmert sich dann um alle Gerätschaften. Die Brücke am Schiffswinkel und die Gleise bleiben aber vorerst im Besitz des Netzbetreibers, der das Bauwerk und die Schienen vor Jahren von seinem Kooperationspartner übernahm.Die Gleise entstanden damals, um Anlieferungen für den Bau des seit 1985 unter Denkmalschutz stehenden Koepchenwerks (ging 1930 in Betrieb) zu ermöglichen. Vorübergehend gab es zu jener Zeit sogar einen Steg auf direktem Wege vom Hagener Ufer zum Herdecker Werksgelände, dieses Provisorium wurde aber dann wieder zurückgebaut.
Übrigens würden sogar RWE-Angestellte den Ausbau der Gleise befürworten. Ein Mitarbeiter hat sich am Schiffswinkel vor einiger Zeit mit seinem Rad „so richtig schön auf die Nase gelegt. Wäre gut, wenn die Killer-Schienen weg kommen...“