Herdecke/Hagen. Amprion gehört die Brücke am Hengsteysee zwischen Herdecke und Hagen. Das Unternehmen braucht den Überweg bald nicht mehr – aber was dann?
Brückenarbeiten kannten Herdecker lange Zeit eher aus der Nachbarstadt Wetter. Dann tauchten am Hengsteysee Probleme auf. Nach dem Absacken einer Stützmauer am Niedernhof/Villa Funcke gibt es dort am Seeschlösschen nun einen provisorischen Holzüberweg. Für die 1928 errichtete Stahlkonstruktion am Schiffswinkel hinüber zum Hagener Ufer fällt diese Lösung aber wohl aus.
Von den Schäden an dieser markanten Brücke vor der Wehranlage hatte die Redaktion vor rund zwei Wochen berichtet. Nun ist klar: Es geht auch um Grundsätzliches.
Denn Eigentümerin Amprion, Herdeckern durch den Stromleitungsausbau gut bekannt, will voraussichtlich im Jahr 2021 einen letzten Trafo-Transport Richtung Koepchenwerk rollen lassen. Danach benötige der Dortmunder Übertragungsnetzbetreiber den Überweg nicht mehr. Selbiges hatte bezüglich des Pumpspeicherkraftwerks RWE, aus dessen Reihen Amprion hervorging, vor Jahren schon den Lokaljournalisten mitgeteilt. Aus der Freizeitperspektive sieht das ganz anders aus, wie zahlreiche Fußgänger, Jogger oder Pedaltreter vom Ruhrtalradweg bestätigen können. Offen ist: Wer übernimmt die in die Jahre gekommene Konstruktion dann?
Die wohl wichtigste Frage: Für wen ist die Brücke wichtig? Und zu welchem Zweck? Aus technischer Sicht, so erklärt es Amprion-Sprecherin Mariella Raulf, handelt es sich um einen Transportweg für das von 1927 bis 1930 errichtete und heute denkmalgeschützte RWE-Koepchenwerk. Seither stieg der Freizeitdruck, während kaum noch jemand den Überweg aus dienstlichen Gründen braucht.
Betonklötze verhindern Durchfahrt
Der aktuelle Stand: Nach Hinweisen der Wirtschaftsbetriebe Hagen und in Kenntnis der Technischen Betriebe Herdecke hat das Dortmunder Unternehmen dieser Tage Schadstellen beseitigt. Den Angaben zufolge haben Fachleute die Schaden am Boden des Überwegs vom Schiffswinkel zum Laufwasserkraftwerk behoben und das Holz aufbereitet. Zwei dicke Betonklötze versperren dem Kfz-Verkehr nun aber weiterhin den Weg. Radfahrer müssen ohnehin schieben, zu viele sind in den Schienen (die wurden damals ebenfalls aus Transportgründen für RWE angelegt) schon gestürzt. Auch der Bauzaun bleibe vorerst stehen.
„Wir haben in regelmäßigen Abständen Instandhaltungsarbeiten veranlasst und das Bauwerk ordnungsgemäß prüfen lassen, dafür kamen auch mal Taucher zum Einsatz“, so Sprecherin Raulf. Das Problem seien auch nicht Fußgänger oder Radfahrer, sondern die deutlich schwereren Gewichte durch illegale Pkw- und sogar Lkw-Fahrten.
Immer wieder stürzen Radfahrer
1983 vereinbarte RWE mit der Stadt Herdecke, dass der Rad- und Fußweg nahe des Werksgeländes am Koepchenwerk von der Öffentlichkeit genutzt werden kann. Seit wenigen Jahren wiederum gehören Amprion, das sich mit RWE immer wieder abspricht, die Bahngleise und die Hengsteysee-Brücke. Hier wie dort stürzten immer wieder Radfahrer.
Die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, die das Herdecker Koepchenwerk von RWE übernommen hat und dort an diesem Wochenende auch wieder Führungen anbietet, will die Brücke am Hengsteysee-Wehr nicht in ihren Besitz nehmen, wie es auf Anfrage hieß. Dafür kämen nur „hochrangige Denkmäler“ infrage.
„Die Gemengelage ist groß, auch wir wissen natürlich um die Bedeutung der Brücke für Freizeitzwecke“, heißt es aus der Pressestelle von Amprion. Zur besagten Gemengelage gehören fünf Akteure: Die Städte Hagen und Herdecke, der Ruhrverband als Betreiber des Hengsteysees und mit der Erlaubnis zur Brückennutzung als Dienstweg, der Regionalverband Ruhr (RVR) als Klammer für die Städte des Ruhrgebiets und eben Amprion. Nach den Sommerferien, so heißt es im Hintergrund, sollen Gespräche beginnen, die aus der Volme-stadt initiiert werden sollen.
Hagens Baudezernent Henning Keune sagt sehr zurückhaltend: „Das ist alles noch unklar. Es wird im Herbst eine große Runde mit allen Beteiligten geben. Sie ist schon terminiert.“ CDU-Ratsherr Martin Erlmann und Bezirksbürgermeister Heinz-Dieter Kohaupt kennen die Absichten von Amprion und setzen sich aus Hagener Sicht für den Erhalt der Verbindung ein. Erlmann: „Die Brücke zählt zu den Stellen im Ruhrtal, von wo aus Industriegeschichte und Technik aus unmittelbarer Nähe erlebbar werden.“
Wichtiges Teilstück für Ruhrtalradweg
Unterdessen hat es schon längst Gespräche zwischen den Städten und auch mit Amprion gegeben, wie es aus der Pressestelle der Herdecker Verwaltung heißt. „Wir wissen um die Problematik und um die hohe Bedeutung der Brücke für die Verbindung zwischen den Städten, aber auch mit Blick auf den Ruhrtalradweg und die Internationale Gartenausstellung 2027“, sagt Sprecher Dennis Osberg.
Auch interessant
Die Brücke liegt zu 78 Prozent auf Hagener Stadtgebiet, der Rest gehöre zu Herdecke. Der RVR und der Ruhrverband hingegen sehen sich auf Anfrage nur in einer „moderierenden“ Rolle. Übernehmen wolle das Duo die Brücke nicht.