Wetter/Herdecke. In Wetter und Herdecke entspannt sich die Lage nach dem Hochwasser. Die Freiwillige Feuerwehr zieht Bilanz: Ausmaß der Schäden ist vielfältig.
Das Hochwasser wühlt weiterhin Menschen auch in Wetter und Herdecke auf. Am Freitag gab es im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Dauerregens in der Wochenmitte wieder zahlreiche Meldungen zu dem Thema. Eine (immer noch unvollständige) Übersicht mit guten und schlechten Nachrichten.
Der Pegel der Ruhr sinkt seit Donnerstag. Am 15. Juli hatte die Messung in Wetter 7,20 Meter ergeben. „Der höchste Stand seit den 1960er-Jahren, sonst liegt der mittlere Hochwasserwert zwei Meter darunter. Den haben wir am Freitagmorgen wieder erreicht“, sagt Ruhrverbands-Sprecher Markus Rüdel. Kurzzeitig schossen mehr als 1000 Kubikmeter – also mehr als eine Millionen Liter Wasser – pro Sekunde durch das Flussbett, am 16. Juli hatte sich diese Zahl auf 460 fast wieder halbiert. Auch das Talsperrensystem funktioniere ebenso wie die Wehranlagen.
Verkehrsprobleme sind weitgehend behoben. Am frühen Freitag konnte etwa die Hagener Straßenbahn AG wieder Busse in die benachbarten Ruhrstädte rollen lassen. Fahrten nach Herdecke führten am Morgen noch über eine Umleitungsstrecke, am frühen Mittag stand dann auch die B54 wieder zur Verfügung. Auf der Bundesstraße in Richtung Vorhalle hatte sich unter der A1-Brücke meterhoch Wasser gesammelt. Nun ist die wichtige Verbindung wieder frei.
Gesperrt bleibt weiter die gerade erst frisch gesicherte Landesstraße L675 zwischen Wetter und Herdecke. Nach dem Erdrutsch an einer Stelle ist nach Angaben von Straßen NRW die zuvor beauftragte Firma wieder aktiv, um sich den Schaden anzuschauen. Wann der Landesbetrieb die Fahrbahn entlang des Harkortsees wieder öffnet, ist nach Angabe von Sprecher Andreas Berg derzeit nicht absehbar.
Luftbilder vom Hochwasser in Wetter und Herdecke
Das THW war von Donnerstagnachmittag bis Freitagmorgen im Schöntal von Wetter im Einsatz. Die Fachgruppe Notinstandsetzung pumpte die 10.000 Quadratmeter große Lagerhalle der AVU leer. Gemeinsam mit Helfern aus Herne und Wanne-Eickel schafften sie mit 18 Pumpen 22.500 Liter pro Minute. Die Stromversorgung wurde durch Notstromaggregate sicher gestellt. Weitere kleinere Einsätze führten nach Herdecke und Gevelsberg, bei denen ebenfalls Wasser gepumpt und Bäume beseitigt werden mussten. Derzeit ist eine Gruppe in Einsatzbereitschaft, um gegebenenfalls auch überörtlich einzugreifen.
Zu einem Einsatz in der Wasserstraße (nomen est omen) rückte die Feuerwehr Wetter am Freitag um 6.30 Uhr aus. Durch die Überschwemmungen im Schöntal waren 250 Batterien in Lagerhallen der Firma E3/DC mit Wasser in Kontakt gekommen und fingen laut Mitteilung schon an zu knistern. Die Wehr orderte daraufhin einen sogenannten Abrollbehälter Mulde, um die Batterien kühlen zu können.
Chaos aufräumen: Dauerregen überflutet viele Herdecker Orte
Die Freiwillige Feuerwehr Herdecke zog Bilanz. Sie zählte von Mittwoch bis Freitag satte 103 Hochwasser-Einsätze. Die Kameraden retteten 47 Leute, 42 allein im Bachviertel (darunter auch ein Säugling sowie vier Hunde und zwei Katzen). Eine zuvor schon verletzte und bettlägerige Frau kam ebenso ins Schlauchboot wie dann auch vier Jugendliche. In acht Fällen half die Drehleiter, platziert in der Neuen Bachstraße. Zwei Personen, denen das Wasser in ihrer Wohnung auf Brusthöhe stand, erreichten die Strömungsretter. In Vorhalle an der Stadtgrenze brachte die heimische Wehr ein Quartett in Sicherheit, eine kranke Frau benötigte dabei eine permanente Sauerstoffversorgung. Hinzu kamen Hilfeleistungen in Gevelsberg und Schwerte. „Wir hatten viel zu organisieren“, so Sprecher Michael Tillmanns.
Trinkwasser unbedenklich, Tierheim geschlossen
Keine Gefahr durch das Trinkwasser: Sowohl die DEW21 als Versorger für Herdecke als auch die AVU und die Stadtwerke Witten (zuständig für Teile von Wengern) gaben nach Gerüchten Entwarnung. Die Flut hatte demnach keine Auswirkungen auf das geschlossene System.Dagegen gab das Gesundheitsamt des Ennepe-Ruhr-Kreises Brunnenbesitzern einen Hinweis: Durch den Starkregen kann verschmutztes Oberflächenwasser in Brunnen eindringen und hygienische Probleme verursachen. Eine Überprüfung sei ratsam, Verunsicherte sollten nur abgekochtes Brunnenwasser zum Trinken und für die Zubereitung von Speisen nutzen. Das Tierheim für Witten, Wetter und Herdecke ist wegen Hochwasserfolgen noch geschlossen. Die Tiere auf dem Gelände an der Wetterstraße seien wohlauf, die Lage sei unter Kontrolle. Bei dringenden Anliegen sollten Besucher anrufen und an der Absperrung warten. „Und auf keinen Fall an der Ruhrseite parken“, heißt es vom Verein.
Ralf Tonetti als Leiter der Freiwilligen Feuerwehr Wetter konnte Gutes berichten: „Die Lage in der Harkortstadt entspannt sich weiter.“ Zwar seien noch nicht alle Keller vom Wasser befreit, zum Glück komme aber derzeit kein Regen mehr nach. Wie bereits erläutert, beginne das Abpumpen erst, wenn die Pegel sinken. Auch das kontrollierte Öffnen des Wehrs in Wickede hatte glücklicherweise keine Auswirkungen auf den hiesigen Ruhrabschnitt. Der Strom im Stadtgebiet sei weitestgehend auch wieder da, Stadtbetrieb und Bücherei wieder erreichbar. In den Morgenstunden hatten die Stadtwerke Witten begonnen, das Wasser wieder anzustellen. Zwar dauerte es ein wenig, bis es in allen Haushalte wieder ankam, aber auch dort kehrte langsam Normalität ein.
Die anhaltenden Aufräumarbeiten zeigen nach und nach das Ausmaß der Schäden in Wetter. So haben zum Beispiel die Wassermassen den Treppenaufgang vom Ruhrtalradweg Richtung Burgruine weggespült. Die Ruhrauen konnten noch nicht begutachtet werden. Das Lager in der Wasserstraße, das von der Stadt für die Entgegennahme von Spenden für Geflüchtete angemietet wurde, sei ebenfalls überflutet worden. Alle Gegenstände dort sind den Angaben zufolge unbrauchbar. Somit fehle es derzeit an Lagerkapazitäten. Da sich die Schäden in der Harkortstadt aber insgesamt in Grenzen halten, stehe die städtische Koordinierungsstelle Bürgerengagement in Kontakt mit der Freiwilligenzentrale der Nachbarstadt Hagen und hat dort Unterstützung angeboten.
Auch in das Impfzentrum des Ennepe-Ruhr-Kreises in Ennepetal drang laut Mitteilung am Mittwochabend Wasser ein. Der Impfbetrieb musste um 18 Uhr eingestellt werden, alle bis zum Donnerstagmittag geplanten Termine wurden telefonisch um 24 Stunden verschoben; seit 15. Juli, 12 Uhr, finden wieder Impfungen wie geplant statt. Die Kühlung des Impfstoffs war zu keiner Zeit unterbrochen.