Hagen. Die Bunker in Hagen würden im Falle eines Angriffs auf Deutschland keinen Schutz mehr bieten. Derzeit wird an einem Konzept gearbeitet.
Gesetzt den Fall, Deutschland würde in einen Krieg mit Russland verwickelt und wäre Angriffen aus der Luft ausgesetzt, wie können sich die Menschen in Hagen dann schützen? Hat die Stadt irgendwelche Vorbereitungen für den Fall des Falles getroffen? Gibt es Bunker oder Schutzräume, die die Menschen aufsuchen könnten, wenn Luftalarm ausgelöst würde? „Nach unseren Erkenntnissen gibt es in Hagen keinen einsatzbereiten Bunker mehr“, sagt dazu Michael Kaub, Sprecher der Stadtverwaltung. Im übrigen sei der Zivilschutz auch nicht Angelegenheit der Stadt, sondern liege beim Bund.
Genauer: beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), das in Bonn ansässig ist. Von dort heißt es auf Anfrage unserer Zeitung, schon 2007 habe der Bund im Einvernehmen mit den Ländern entschieden, das Schutzbaukonzept aufzugeben, die funktionale Erhaltung der öffentlichen Schutzräume einzustellen und diese sukzessive aus der Zivilschutzbindung zu entlassen.
Öffentliche Schutzräume in Hagen?
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine seit Februar 2022 führte jedoch zu einer Zäsur in der europäischen Sicherheitsordnung. Jetzt gelte es, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken, heißt es seitens des BBK: „Dies umfasst die militärische und die zivile Verteidigung. Sicherheitsvorkehrungen und Schutzmaßnahmen spielen eine entscheidende Rolle, um die Bevölkerung im Ernstfall zu schützen.“
Derzeit seien von ursprünglich 2000 öffentlichen Schutzräumen in Deutschland noch 579 mit rund 480.000 Schutzplätzen formal zu Zwecken des Zivilschutzes gewidmet, davon befänden sich 48 mit 66.323 Schutzplätzen in Nordrhein-Westfalen. Liegt wenigstens einer davon in Hagen? „Ich bitte um Verständnis, dass eine exakte Nennung und Bekanntgabe der Adressen generell nicht möglich ist“, sagt Carolin Kielhorn, Sprecherin der Bonner Behörde: „Diese stehen größtenteils in Privateigentum. Aus diesem Grunde kommt derzeit die Veröffentlichung von Adressen bereits unter Berücksichtigung der Eigentümerinteressen nicht in Betracht.“
Alte Anlagen kaum noch geeignet
Früher gab es viele Luftschutzeinrichtungen in Hagen, die Stadt war ja auch im Zweiten Weltkrieg häufiges Ziel alliierter Bomberangriffe: Der Bunker an der Bergstraße beispielsweise, in dem sich seit 2013 ein privates Museum befindet, das sich über Eintrittsgelder finanziert. „Als Schutzraum wäre der Bunker im Falle eines Krieges heutzutage nicht wirklich zu gebrauchen“, sagt Besitzerin Michaela Beiderbeck. Die Decken seien zwar 1,40 Meter dick und böten sicherlich mehr Schutz als ein Wohnhaus: „Aber die Waffentechnik ist heute eine ganz andere, von Atombomben ganz zu schweigen.“
Die Volkshochschule veranstaltet Bunker-Touren durch die Innenstadt, die außer zum Bunker in der Bergstraße auch zum inzwischen zurückgebauten Atomschutzbunker unter dem alten Parkhaus in der Bahnhofstraße, zum 1945 von einer Bombe getroffenen Bunker in Körnerstraße, der zu einem kurdischen Kulturzentrum samt Moschee umgebaut wurde, sowie zum Bunker am Emilienplatz führen. All diese Einrichtungen sind aufgrund der Bausubstanz als Schutzräume wohl nicht mehr geeignet. Komplett neue Bunker zu bauen wäre teuer und würde lange dauern.
Regierung erarbeitet „einfache Handreichung“
Bund und Länder haben sich auf ein nationales Schutzraumkonzept verständigt, das derzeit von einer Arbeitsgruppe ausgestaltet wird. Massive Bunker wie im Zweiten Weltkrieg spielen darin keine Rolle, da sie bei dem aktuellen Gefahrenpotenzial keine geeignete Schutzmaßnahme für die Bevölkerung darstellten, heißt es aus dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz: „Zum einen können öffentliche Schutzräume in der Kürze der zur Verfügung stehenden Vorwarnzeit weniger Minuten von den meisten Menschen nicht erreicht werden. Zum anderen könnten sich derart große Personenansammlungen selbst zu einem Ziel für den Angreifer entwickeln.“
Stattdessen seien bei Angriffen mit kurzer Vorwarnzeit nahe gelegene, schnell erreichbare Schutzräume nötig. Die Bausubstanz in Deutschland sei flächendeckend so gut, dass vor allem Keller bereits einen guten Grundschutz leisteten. Auch Treppenhäuser oder innenliegende Räume in Massivbauweise, die zwar oberirdisch sind, aber keine Öffnungen nach außen haben (z.B. keine Fenster oder Glasfronten), könnten schützen. Mit einfachen Mitteln ließen sie sich kurzfristig zu Selbstschutzräumen verstärken. Das Bundesamt und das Bundesinnenministerium erarbeiteten hierfür derzeit eine einfache Handreichung für die Bevölkerung.
Ergänzend zu dezentralen Schutzräumen in Wohn- und Arbeitsgebäuden sind in urbanen Ballungszentren - und ein solches ist Hagen mit seinen 190.000 Einwohnern zweifellos - Räume nötig, die Schutz bieten für Menschen, die sich im öffentlichen Raum aufhalten. Hierzu zählen laut Bundesamt Keller in öffentlichen Gebäuden oder in Kaufhäusern, Tiefgaragen, U-Bahnstationen oder Tunnel.