Hagen. . Für Relikte aus dem Weltkrieg und der Zeit des Kalten Krieges finden sich neue Nutzungen - ob als Wohnung, Ausstellungsfläche oder Museum
- Weltkrieg und Kalter Krieg haben in Deutschland tausende Bunker und Stollen entstehen lassen.
- Heute werden die Anlagen für ihren alten Zweck nicht mehr gebraucht.
- Neue Technik ermöglicht inzwischen eine vielfältige Nutzung.
Sie gelten als „nicht mehr betriebsnotwendig“ – eine in diesem Falle beruhigende Einschätzung. Bunker werden in Deutschland nicht mehr gebraucht – für diese Zeugen der Vergangenheit wird eine neue Zukunft gesucht. Lange galten solche Immobilien als unverkäuflich, doch das hat sich geändert, weil der Stand der Technik mittlerweile Eingriffe in die dicken Wände vereinfacht. Kommunen, Architekten, Projektentwickler, Privatleute, Künstler, Vereine interessieren sich für die einstigen Schutzbauten. In Hagen etwa hat ein Ehepaar einen Hochbunker gekauft und dort ein Bunkermuseum eingerichtet, ein alter Atombunker in der Volmestadt dient jetzt als Polizeiwache. In Siegen baut ein Projektentwickler einen ehemaligen Atombunker in helle Eigentumswohnungen um, ein anderer wird dort als Probenraum für Bands genutzt. Und in Meschede hat ein Privatmann den einstigen Telekom-Bunker gekauft, der auch im Falle eines Atomkrieges das Telefonieren ermöglichen sollte. An diesem Wochenende ist dieser Bunker zugänglich – im Rahmen einer Kunstausstellung.
Die Geschichte
Bis zu 8000 Hochbunker haben die Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg errichtet, dazu unzählige Tiefbunker, zum Schutz vor Luftangriffen. Auch die Bundesrepublik fühlte sich später dem Schutz der Bürger verpflichtet – vor einem möglichen Atomkrieg. 2000 Anlagen wurden errichtet. Teils wurden alte Weltkriegsbunker ertüchtigt, es gab aber auch staatliche Zuschüsse für den Ausbau privater Keller zu öffentlichen Schutzräumen. Auch so manche Tiefgarage diente als Atombunker und wurde so vom Staat subventioniert. Aber: „Nur etwa drei bis vier Prozent der Bundesbürger hätten Platz in den Atombunkern gefunden“, sagt Wahid Samimy vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe BBK. Nach Ende des Kalten Krieges wurden auch diese Bauten nicht mehr gebraucht. Meterdicke Wände helfen nicht gegen Terrorangriffe. 2007 fiel der Beschluss, sie aus der Zivilschutzbindung zu nehmen.
Die Bundesanstalt
Der Großteil der 2000 Schutzbauten – meist die Kleineren – befand und befindet sich in Hand von Privatleuten und Kommunen. Um die 216 der meist größeren Hochbunker im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland kümmert sich seitdem die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima). Sie veräußert die ungewöhnlichen Immobilien nach und nach; 150 hat sie noch im Bestand, darunter auch insgesamt fünf Hochbunker in Hagen und Siegen. Fünf hat die Bima in den beiden Städten schon verkauft.
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Die Stollen
Die Bima kümmert sich nicht nur um die Hochbunker, auch die Tiefbunker liegen in ihrem Verantwortungsbereich. Die sind in der Regel unverkäuflich, schon weil die Grundstücke gar nicht deem Staat gehören; „hier geht es um Verkehrssicherung“, sagt Bima-Sprecherin Anja Kremzow. Heißt oftmals: Sicher Verschließen oder auch Verfüllen. Viele dieser Bunker sind längst vergessen, andere bis heute gelegentlich noch zugänglich. Im Harkortberg bei Wetter etwa befand sich zum Kriegsende die Kommandozentrale des Gauleiters Albert Hoffmann. Eine der größten Stollenanlagen des Sauerlandes findet sich im Hönnetal, errichtet von 10 000 Zwangsarbeitern und Häftlingen. Ein Hydrierwerk zur Treibstoffherstellung sollte unter die Erde verlagert werden; die Produktionsaufnahme im „Projekt Schwalbe“ war für den Sommer 1945 geplant. Es gab zahlreiche ähnliche solcher „U-Verlagerungen“ im Großraum Hagen; in einem Eisenbahntunnel zwischen Gevelsberg und Schwelm etwa wurden Jagdflugzeuge repariert.
Die Bunkerfreunde
Hoch- und noch mehr Tiefbunker stoßen auf reges Interesse – bei offiziellen Führungen wie auch bei teils nicht ganz legalen privaten Erkundungsgängen. Dennis Olbrich aus Dortmund betreibt die Internetseite bunker-nrw.de mitsamt App; 30 000 Mitglieder sind angemeldet, diskutieren über Entdeckungen und tauschen Fotos aus. Olbrich mag vor allem die unterirdischen Anlagen, „die sind spannender“. Das Schwierigste dabei sei, einen Zugang zu ermitteln; „manchmal findet er sich unter einem Gully“. Olbrichs Favorit: der Luftschutzstollen unter der Dortmunder Innenstadt, der größte seiner Art in Deutschland.