Hohenlimburg. Als Kind zapfte der Hohenlimburger Sepp Husung schon Bier in der Kneipe seiner Eltern. Das Kneipenleben war damals anders. Ein Rückblick

Allein seine Sammlung von fünftausend Schallplatten wäre eine Geschichte wert. Doch nicht weniger wichtig sind dem Hohenlimburger Sepp Husung ein paar vergilbte Bierdeckel, sechs alte Gläser und ein Quittungsblock. Typische Werkzeuge eines Kneipenwirtes, die den 70-Jährigen an seine Kindheit erinnern. Denn seine Eltern führten Anfang der 1960er-Jahre die Kneipe „Kaiserstübchen“ in Hohenlimburg - und Sohnemann Sepp musste als Stepke fleißig mithelfen.

Er war vielleicht acht oder neun Jahre alt, als seine Eltern die Kneipe übernommen haben, schätzt Sepp Husung. Die kleine Gaststätte befand sich an der Kaiserstraße der damals eigenständigen Stadt Hohenlimburg, schräg gegenüber vom heutigen Parkplatz des Werkhof Kulturzentrums. „Für mich gehörte es dazu, in der Kneipe mitzuarbeiten.“

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Der Hohenlimburger Sepp Husung hat als Kind in der Kneipe seiner Eltern ausgeholfen. Im "Kaiserstübchen" wurde Germania-Pils ausgeschenkt. Husung kaufte später Original-Gläser des Bieres, als Erinnerung an seine Jahre in der Gaststätte. © WP Hagen | Marcel Krombusch

Bier für 45 Pfennig

Er nimmt den alten Quittungsblock in die Hand, auf den er mit kaum zehn Jahren schon Verzehrquittungen für Gäste ausgestellt hat. Ein Bier kostete 45 Pfennig, das weiß er bis heute. Ein Pinnchen Schnaps gab es für 35 Pfennig. „Wir haben zum Beispiel ‚Strubbeliger‘ ausgeschenkt. Das war klarer Schnaps mit einer Art Kräuterbitter gemischt.“

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Elsa Husung steht Anfang der 1960er-Jahre mit Boxer "Unkers" vor ihrer damaligen Kneipe "Kaiserstübchen" in Hohenlimburg. © privat | Sepp Husung

Nicht nur an der Theke hat er ausgeholfen. Zu seinen Aufgaben gehörte auch, den Zigarettenautomaten zu befüllen (eine Packung kostete eine Mark). „Manchmal musste ich auch die Toiletten putzen, das war nicht so schön“, sagt Husung. „Von Kinderarbeit war damals noch keine Rede.“ Deshalb ein schlechtes Wort über seine Eltern zu verlieren, das käme ihm nie in den Sinn. Im Gegenteil: „Ich bin meinen Eltern sehr dankbar. Es war eine schöne Zeit.“

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Mehrere Bierdeckel aus der Kneipe „Kaiserstübchen“ hat Sepp Husung aufbewahrt. In den 1960ern haben seine Eltern mehrere Jahre die Gaststätte an der Kaiserstraße betrieben. © WP Hagen | Marcel Krombusch

Gastarbeiter in Hohenlimburg

Rund acht Jahre waren Friedrich und Elsa Husung als Pächter im „Kaiserstübchen“. Als sie die Kneipe übernahmen, da hatten die 1960er in Hohenlimburg gerade begonnen. Sohn Sepp Husung erinnert sich an ein gemischtes Publikum, dass bei ihnen einkehrte. „Da waren zum Beispiel Bauarbeiter wie ‚Lukki‘ und ,Egon‘. Sie wohnten in Bauwagen in der Nähe und kamen nahezu täglich vorbei.“ Auch Metzger Spieß von nebenan war oft gesehener Gast, ebenso wie Arbeiter der nahen Spedition Müller. Sepp Husung erinnert sich auch noch gut an die vielen Gastarbeiter aus der Türkei und Griechenland, die in der Kneipe gastierten. „Alle im Anzug und mit Schlips und Krawatte.“

Kneipen-Serie

Die Redaktion wird in den kommenden Wochen und Monaten immer wieder Schlaglichter auf die alte Kneipenlandschaft in Hohenlimburg werfen und Menschen in diesem Zusammenhang zu Wort kommen lassen. In der nächsten Berichterstattung gibt es eine örtliche Übersicht, wo sich die über 80 Kneipen in Hohenlimburg befunden haben. Ganz wichtig ist: Melden Sie, liebe Leser, sich weiterhin bei uns und geben uns Tipps und Hinweise zur großen alten Kneipen-Zeit. Gerne per Mail an Hohenlimburg@westfalenpost.de.

Es waren Jahre, in denen die Kneipenkultur in Hohenlimburg blühte. Nur ein paar Meter Fußweg vom Kaiserstübchen entfernt lagen die Schlossbrauerei (am Werkhof Kulturzentrum) und die Ritterstuben (zuletzt „Danis Taverne“). Da es Gaststätten quasi an jeder Ecke gab, mussten die Gastwirte erfinderisch werden, um sich hervorzuheben und Leute an ihre Zapfhähne zu locken.

„Bei uns gab es Halbes Hähnchen mit Pommes. Das war damals der Renner, denn es existierten noch nicht so viele Pommesbuden.“

Sepp Husung (70), Hohenlimburger,
hat als Kind in der Kneipe seiner Eltern gezapft

Germania-Pils und Hähnchen

„Wir haben damals Germania-Pils ausgeschenkt, das gab es selten in der Gegend“, gibt Sepp Husung einen Einblick in die Unternehmensstrategie der Eltern. Außerdem erwartete den Gast am Tresen des Kaiserstübchens kein harter Holzhocker. Man saß weich auf einem Hocker aus Federkern, ummantelt von rotem Kunststoff. Die eigentliche Attraktion im Kaiserstübchen unter Familie Husung war aber eher kulinarischer Natur. „Bei uns gab es Halbes Hähnchen mit Pommes. Das war damals der Renner, denn es existierten noch nicht so viele Pommesbuden.“ Preis pro halbes Hähnchen: 4 Mark und 50 Pfennig.

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"Gute Küche": Das Halbe Hähnchen mit Pommes war in den 1960ern bei den Gästen in der Kneipe Kaiserstübchen beliebt. © privat | Sepp Husung

Vormarsch des Flaschenbiers

Nicht nur die Preise haben sich mittlerweile verändert, auch das „Kaiserstübchen“ gibt es längst nicht mehr. Tatsächlich seien die Umsätze schon Ende der 1960er rückläufig gewesen, erinnert sich Husung. „Damals kam das Flaschenbier auf und immer mehr Leute kauften sich einen Kasten für zuhause, statt in die Kneipe zu gehen.“ Wo früher das „Kaiserstübchen“ war, da steht heute ein unscheinbares Wohnhaus.

Familie Husung zog später in ein Fachwerkhaus an der Limburger Freiheit im Ortskern, wo Friedrich Husung einen An- und Verkaufladen eröffnete und Märklin-Modelleisenbahnen und Goldschmuck an den Mann und die Frau brachte. Sein Sohn Sepp Husung lebt und arbeitet bis heute in diesem Haus, betreibt dort mit seiner Frau einen Schlüsseldienst und einen Second-Hand-Modeladen.

Keine eigene Kneipe

Eine eigene Gastwirtschaft hatte der Hohenlimburger, der in jungen Jahren schon Bier gezappt und Zigarettenautomaten befüllt hat, zeit seines Lebens nie. „Das war keine eine Option“, sagt Husung. „Wenn du sieben Tage die Woche arbeitest, dann bleibt das Private völlig auf der Strecke. Du musst für die Kneipe leben.“

Apropos. Hat er als kleiner Junge beim Thekendienst auch mal am Bier genippt? „Nein, das mochte ich damals noch nicht“, sagt der Hohenlimburger und lacht. „Aber ich habe mal Zigaretten geraucht, ich war ja an der Quelle.“