Hagen. Die Entwicklung am und hinter dem Hauptbahnhof Hagen gerät ins Stocken. Warum ein Schreiben der Bahn viele Hoffnungen endgültig schwinden lässt.

In den Visionen, die die Wirtschaftsentwicklung Hagen hat über Jahre reifen lassen, liest es sich so schön: Ein „neues urbanes Innovations- und Entwicklungsquartier mit den Themenschwerpunkten Mobilität, Energiewende und Kreislaufwirtschaft“ soll im Schatten des Hauptbahnhofs entstehen. Ein ganzes Viertel könnte von dieser Entwicklung, mit der auf Immobilienmessen geworben wird, profitieren. Ein Schreiben der Deutschen Bahn allerdings lässt die Hoffnung auf eine schnelle Entwicklung der Fläche nun endgültig schwinden.

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Am Hauptbahnhof Hagen verlaufen die Gleise über Brücken, die älter als 100 Jahre sind. In wenigen Jahren müssen die Bauwerke saniert werden. © Stadtredaktion Hagen | Martin Weiske

Werner J. Lübberink ist Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für NRW. Und seine Zeilen an die Hagener FDP-Bundestagsabgeordnete Katrin Helling Plahr machen noch einmal deutlich: Mit einer Erschließung des Areals westlich der Bahnanlagen (Westside) von der Bahnhofsseite aus wird es in den nächsten Jahren nichts.

Kosten explodieren

Bislang hatte die Stadt dafür auf den Tunnel Werdestraße gesetzt. Ein Bauwerk, dass es bereits seit 1913 gibt und das quer unter Gleisen und Bahnsteigen verläuft. Dieser Tunnel sollte frühestens in drei, spätestens in fünf Jahren optisch so aufgewertet werden, dass er eben keinen Angstraum mehr darstellt. Gleichzeitig sollten aus der Röhre hinaus eine weitere Möglichkeit geschaffen werden, die Bahnsteige zu erreichen. Anfang September folgte dann aber der Rückschlag: Die Bahn verkündete, dass sie den Tunnel doch nicht zur Verfügung stelle.

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Die sogenannte Westside, ein Gelände hinter den Gleisen am Hauptbahnhof Hagen, soll sich zu einem Dienstleistungsquartier entwickeln. © WP | Michael Kleinrensing

Im Nachgang liefert Lübberink nun gleich mehrere Argumente, die einer Reaktivierung des Tunnels entgegenstehen. Zum einen sind da die Kosten: 120 Millionen Euro seien fällig für eine städtebaulich sinnvoll nutzbare Erneuerung. Eine wahre Kostenexplosion - war doch vor drei Jahren noch von „nur“ 10,6 Millionen Euro die Rede. Diese Entwicklung hat nach Informationen unserer Zeitung damit zu tun, dass es eben nicht mehr um eine reine Sanierung geht, sondern in den Fahrweg eingegriffen wird.

Tunnelsanierung kann sich lange hinziehen

Womit die zeitliche Perspektive zum Tragen kommt: Weil die Bahn in den Jahren 2032 bis 2036 im Tunnel-Bereich marode Brücken über die Volme sowie ein Stellwerk (übrigens unter Vollsperrung) erneuern muss, ergibt bis dahin eine schnelle Sanierung des angrenzenden Tunnels Werdestraße keinen Sinn. Aufgefallen waren die Brücken-Schäden nach einer Überprüfung nach dem Jahrhunderthochwasser. Die letzte hatte, so die Bahn, erst im Mai 2024 stattgefunden. Der Werdestraßen-Tunnel selbst war komplett geflutet worden.

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Auf dieser Brachfläche hinter dem Hauptbahnhof Hagen soll ein neues Quartier entstehen. © WP | Michael Kleinrensing

„Wir haben – im Hinblick auf die zu erwartenden Kosten – effizientere Varianten zur Anbindung der ,Westside‘ diskutiert“, so Werner J. Lübberink. „Eine dieser Varianten wäre es, im Rahmen der Erneuerung der Volmebrücken eine für Fußgänger und Radfahrer nutzbare Wegeführung parallel zum Fluss zu bauen.“

Infrastruktur muss erneuert werden

Darüber hinaus reagiert Lübberink auf die zuletzt geäußerte Kritik, sein Unternehmen habe die Stadt lange im Unklaren gelassen und habe lediglich eigene Interessen im Blick. Die Anbindung der „Westside“ in Hagen habe die Bahn bei ihren Vorhaben sehr wohl im Blick. Allerdings müsste man auch die sichere Durchführung des Eisenbahnverkehrs und die notwendige Erneuerung unserer Infrastruktur berücksichtigen.

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Henning Keune, Technischer Beigeordneter der Stadt Hagen, musste Anfang September verkünden, dass die Bahn den Tunnel Werdestraße nicht zur Verfügung stellt. © WP | Michael Kleinrensing

Aufgekommen war diese Kritik Anfang September. Da hatten Vertreter der Deutschen Bahn in einem Gespräch eher am Rande fallen lassen, dass der Tunnel Werdestraße entgegen der bisherigen Planung doch nicht zur Verfügung stünde. Eine Aussage, die die Vertreter der Stadt um Baudezernent Henning Keune - für das Millionen-Projekt war eigens eine Arbeitsgruppe innerhalb seines Baudezernats eingerichtet worden - wie aus heiterem Himmel traf.

Durchstich des Gleistunnels wird Alternative

„Die Perspektive für die Westside ist ernüchternd“, sagt Katrin Helling-Plahr nun angesichts des Antwortschreibens, „allerdings ist das Vorgehen der Bahn nach den Hochwasserschäden letztlich verständlich. Ich denke, man kann niemandem unterstellen, etwas verschlafen zu haben.“

Der Tunnel zu den Gleisen im Hauptbahnhof Hagen soll nun mit einem Durchstich in Richtung Westside verlängert werden.
Der Tunnel zu den Gleisen im Hauptbahnhof Hagen soll nun mit einem Durchstich in Richtung Westside verlängert werden. © WP | Michael Kleinrensing

Der Baudezernent hatte zuletzt angekündigt, jetzt die Planung auf einen Durchstich des vorhandenen Gleistunnels konzentrieren zu wollen. Eine Alternative, so unterstreicht die Stadt auf Anfrage, an der man festhalten wolle. Der Nachteil dieser Variante: Mit Fahrrädern ist der hochfrequentierte Tunnel, der von der Bahnhofshalle aus abzweigt, nicht nutzbar.

Hochwertige Erschließung

„Es laufen derzeit Gespräche auf unterschiedlichen Ebenen“, betont auch Christopher Schmitt, Geschäftsführer der Wirtschaftsentwicklung Hagen, „die Nähe des Geländes zum Bahnhof ist der große Trumpf. Wir brauchen eine hochwertige Erschließung, die sich zeitlich und finanziell zu angemessenen Bedingungen realisieren lässt.“