Hagen. Als eine werdende Mutter in Hagen die Treppe hinunterstürzte, ging es für sie und die Zwillingskinder um Leben und Tod...
Die Geburt der beiden Zwillingsmädchen kann man nur als dramatisch bezeichnen. Als die Mutter (32), schwanger in der 30. Woche, ihr Handy aus dem Auto holen wollte, geriet sie auf der Treppe ins Straucheln und stürzte. Der Puls raste, die Beine zitterten, ihr wurde übel und sie erbrach Blut.
Ihr Lebensgefährte rief den Rettungswagen, der sie umgehend ins Agaplesion Klinikum Hagen (AKH) brachte. Dort ging alles rasend schnell. „Der Bauch der Patientin war ganz hart, außerdem hat sie geblutet“, berichtet Hiltrud Nevoigt, Oberärztin und Leiterin des Perinatalzentrums am AKH. Zudem sei bei einem der beiden ungeborenen Kinder bereits ein Abfall der Herztöne gemessen worden. Der Verdacht lag nahe, dass sich die Plazenta im Bauch der Mutter gelöst hatte - ein potenziell lebensbedrohliches Szenario.
Mutter durfte Babys in den Arm nehmen
Von dem Moment an, in dem die Entscheidung für einen Kaiserschnitt fiel, bis zur Geburt der Babys vergingen gerade einmal zehn Minuten. Die Oberärztin musste nur einen Knopf drücken, um alle Mitarbeiter, deren Anwesenheit bei einer Not-Sectio erforderlich ist, in Windeseile in den Kreißsaal zu beordern.
Mit dem schnellen Eingriff retteten die Mediziner nicht nur den Kindern das Leben, sondern auch der Mutter, die jetzt, wenige Tage nach der Entbindung, schon wieder optimistisch ist: „Ich habe ja schon zwei Töchter und hätte natürlich auch die Zwillinge gern spontan zur Welt gebracht. Jetzt hoffe ich, dass alles gut wird. Ich durfte die beiden ja schon anfassen, sie streicheln, zu ihnen sprechen und singen.“
So viele Zwillinge wie sonst im ganzen Jahr
Die beiden Frühgeborenen werden, so lange das notwendig ist, im Brutkasten versorgt. „Aber der Haut-zu-Haut-Kontakt ist unheimlich wichtig“, betont Oberärztin Nevoigt. „Die Kinder spüren dabei den Herzschlag der Mutter, wie im Mutterleib.“ Nach einiger Zeit des engen Beisammenseins müssen die Mädchen wieder in den Brutkasten gelegt werden, in dem eine Umgebung, die jener in der Gebärmutter möglichst ähnlich ist, simuliert wird.
Allein in der vergangenen Woche sind im AKH vier Zwillingspärchen zur Welt gekommen. Damit sind es in den ersten acht Monaten des Jahres 2024 bereits 23 -so viele wie sonst in einem ganzen Jahr. Der Zwillingsboom lässt sich medizinisch-wissenschaftlich nicht so recht erklären: „Das ist wohl eher dem Zufall geschuldet“, berichtet Dr. Jan-Claudius Becker, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin.
Eineiig und zweieiig
Die häufig erörterte Frage, ob es sich um ein- oder zweieiige Zwillinge handele, sei für Geburtshelfer gar nicht so relevant, sagt Oberärztin Nevoigt: „Aus ärztlicher Sicht ist es viel wichtiger, ob jedes Kind seinen eigenen Mutterkuchen hat.“ Denn eine getrennte Versorgung mit Nährstoffen mache die beiden Embryonen voneinander unabhängig und die Prognose für eine komplikationslose Zeit im Mutterleib sei besser: „Das ist wie mit zwei Pflanzen, die in einem Topf heranwachsen.“ Eineiige Zwillinge, die exakt die gleichen Erbanlagen haben, sind übrigens wesentlich seltener.
Die Mutter der beiden Mädchen, die derzeit im Brutkasten heranwachsen, brauchte einige Zeit, bis sie sich nach einer Ultraschalluntersuchung bei ihrer Gynäkologin, die ihr die Botschaft überbrachte, an den Gedanken gewöhnt hatte, dass sie Zwillinge gebären würde: „Was für eine Katastrophe, war mein erster Gedanke. Aber dann war ich irgendwann sehr stolz und habe, beim Einkaufen und so, damit angegeben. Es ist schon etwas Besonderes, das muss ich sagen.“
Und so scheint die Geschichte, die mit einem Sturz auf der Treppe und einem Not-Kaiserschnitt begann, doch noch ein Happyend zu nehmen.