Hagen. Einsatz auf der Dolomitstraße im Lennetal: Der Wirtschaftsbetrieb Hagen fällt eine Esche. Es ist nicht die erste und nicht die letzte.

Der Eschenbestand in Hagen wird immer dünner: Am Dienstag fällten Arbeiter des Wirtschaftsbetriebs Hagen (WBH) an der Dolomitstraße im Lennetal eine 40 Jahre alte und 18 Meter hohe Esche, die zu einer Gefahr für den Verkehr auf der vielbefahrenen Straße zu werden drohte. Der nahezu abgestorbene Baum trug kaum noch Blätter. „Das ist schon die zwölfte Esche in diesem Jahr, die wir wegnehmen müssen“, sagte Nils Böcker, Fachleiter Verkehrssicherung beim WBH.

Eigentlich ist die Esche ein Allerweltsbaum, dem früher niemand besondere Aufmerksamkeit schenkte. An Straßen und in Parks in Hagen stehen rund 1200 Eschen. Eschen sind an sich robuste und widerstandsfähige Bäume, die sich an vielen Standorten und Böden zu behaupten wissen.

Poetischer Name, heimtückischer Parasit

Doch der WBH muss jährlich eine zweistellige Zahl von ihnen fällen lassen. Der Grund: das Eschentriebsterben, für das ein aus Ostasien eingeschleppter Pilz mit der wissenschaftlichen Bezeichnung „Hymenoscyphus fraxineus“ verantwortlich ist. Der deutsche Name „Falsches Weißes Stängelbecherchen“ klingt zwar geradezu poetisch, nichtsdestotrotz verbirgt sich dahinter eine heimtückische Gefahr für die Bäume.

Die absterbende Esche versuchte bereits, eine zweite Krone zu bilden, doch auch diese Triebe waren bereits vom Schädling befallen.
Die absterbende Esche versuchte bereits, eine zweite Krone zu bilden, doch auch diese Triebe waren bereits vom Schädling befallen. © Alex Talash | Alex Talash

Die Pflanzenseuche, 2010 erstmals in Deutschland nachgewiesen, lässt die Blätter welken, die Baumkrone lichtet sich und verbuscht, die Rinde verfärbt sich ockerfarben bis rostrot. In seiner ostasiatischen Heimat zersetzt der Pilz das Bodenlaub und lässt die dortigen Eschen unbehelligt, doch für die heimische Gemeine Esche ist er eine tödliche Gefahr. Die Sporen des Falschen Weißen Stängelbecherchens verteilen sich durch die Luft und sind daher nicht zu stoppen. Andererseits haben Böcker und seine Mitarbeiter bislang keine Eschen entdeckt, die sich als resistent gegen den Pilz erwiesen hätten. Im Gegenteil: „Die geschwächten Pflanzen werden neuerdings auch durch Sekundärschädlinge befallen, die sich die herabgesetzte Vitalität der Bäume zunutze machen. Das beschleunigt das Absterben.“

Weitere tote Esche am Fahrbahnrand

Auch die Esche an der Dolomitstraße war vom Stengelbecherchen befallen. Sie wurde wahrscheinlich zusammen mit anderen Bäumen beim Straßenbau in den 1980er-Jahren gepflanzt. Noch während der Fällaktion erspähte Böcker eine weitere, bereits abgestorbene Esche, deren letztes Stündlein ebenfalls geschlagen hatte. „Wenn wir die Bäume nicht fällen, kippen sie irgendwann um oder Äste brechen ab. Im schlimmsten Fall wird ein Auto getroffen.“ Dann müsste die Stadt Hagen als Eigentümerin der Bäume für den Schaden haften.

Die 40 Jahre alte Esche an der Dolomitstraße in Hagen gab nur noch ein trauriges Bild ab.
Die 40 Jahre alte Esche an der Dolomitstraße in Hagen gab nur noch ein trauriges Bild ab. © Alex Talash | Alex Talash

Neben den Eschen sind weitere Baumarten in Hagen von hochinfektiösen Krankheiten bedroht, alle Hauptbaumarten sind inzwischen infolge der Globalisierung und aus fernen Ländern eingeschleppter Pathogene mehr oder weniger stark geschädigt. Die Kastanien in der Stadt sind infolge eines Bakterienbefalls vom Aussterben bedroht, den Platanen macht die Pilzkrankheit Massaria zu schaffen, beim Ahorn heißt der Schaderreger Fusarium, für das Lindentriebsterben ist ebenfalls ein lange unentdeckter Schwächeparasit verantwortlich.

Eschen drohen aus Hagen zu verschwinden

Die Krankheiten breiten sich in rasanter Geschwindigkeit aus. Für die verantwortlichen Dienststellen ziehen die Epidemien erhöhte Kontrollen nach sich, denn die Stadt könnte im Falle eines Unglücks, etwa wenn ein Mensch durch einen herabfallenden Ast verletzt wird, zur Rechenschaft gezogen werden.

Mit dem Hubsteiger wurden die WBH-Männer nach oben gehievt, um den Baum zu kürzen.
Mit dem Hubsteiger wurden die WBH-Männer nach oben gehievt, um den Baum zu kürzen. © Alex Talash | Alex Talash

Ein kleiner Anteil aller Eschen in Hagen weist eine Toleranz gegenüber dem Pilz auf und zeigt keine oder geringe Symptome sowie eine atypische Entwicklung im Befallsverlauf. Sie schaffen es, trotz des Befalls zu überleben. Eine Resistenz, die den Baum unempfindlich machen würde, hat dagegen noch keine einzige Esche entwickelt. Die Konsequenz: „Bei Neuanpflanzungen verzichten wir derzeit auf die Gemeine Esche“, betont Böcker.

Da die Esche in der Lage ist, sich selbst zu verjüngen, ist sie trotz der ausbleibenden Nachpflanzung noch nicht in ihrem Bestand gefährdet. „Im Gegenteil“, so Böcker: „Durch das Versamen der Bestandsbäume sind genetische Anpassungen an die vorherrschenden Umweltreize und damit gegebenenfalls Toleranzen und Resistenzen möglich.“ So hilft der Allerweltsbaum sich selbst.